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[FR] Pharmaforschung

Frankfurter Rundschau, 22. Juli 2010

Kooperation mit Bayer AG

Mantel des Schweigens über Unilabor

In Universitätslaboren forschen Wissenschaftler an neuen Medikamenten – doch wer ihr Gehalt bezahlt bleibt im Dunkeln. Jetzt werfen Datenschützer ein Auge auf die Kölner Kooperation mit dem Pharmaunternehmen Bayer.

Sie sitzen in staatlichen Universitäten im Labor, forschen an toxischen Stoffen und neuen Medikamenten. Wer die Wissenschaftler letztlich bezahlt und wem ihre Ergebnisse gehören, ist weitgehend unbekannt: Bislang wurde der Vertrag über eine Kooperation der Universität Köln mit der Bayer AG unter Verschluss gehalten.

Bald aber könnte die geheime Absprache zwischen der Hochschule und dem Chemiekonzern gelüftet werden. Denn jetzt pocht der Landesdatenschutzbeauftragte von Nordrhein-Westfalen, Ulrich Lepper, auf eine Veröffentlichung: „Die Rahmenvereinbarung ist offen zu legen“, heißt es in einem Schreiben an die Universität. Der Datenschützer beruft sich dabei auf das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz. Die junge Novelle spricht jedem Bürger das Recht zu, Zugang zu amtlichen Akten zu erhalten.

Doch die zweitgrößte Uni des Landes NRW schweigt eisern. Sie will nun ihrerseits Juristen beschäftigen. „Aus unserer Sicht ist die Wissenschaftsfreiheit höher einzuschätzen als die Informationsfreiheit“, sagt Patrick Honecker, Sprecher der Kölner Hochschule.

Aus Sicht der Datenschützer ist die Freiheit der Wissenschaft durch die Veröffentlichung des Kontraktes dabei gar nicht gefährdet. „In dem Vertrag sind keine Forschungsschwerpunkte oder der aktuelle Forschungsstand zu erkennen“, heißt es in ihrer Stellungnahme.

Lepper reagierte auf eine Klage von zehn Verbänden, angeführt von der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG), die die Uni schon Ende 2008 aufgefordert hatten, den Kooperationsvertrag „vollständig offenzulegen“. Sie wollten etwa wissen, wer die Verwertungsrechte an den angestrebten Arzneientwicklungen erhält und ob sich die Uni möglicherweise verpflichtet hat, missliebige Studienresultate zu verschweigen.

Für Torsten Bultman ist die Kooperation an sich noch kein Skandal. „Dass Universitäten mit außeruniversitären Einrichtungen kooperieren, ist durchaus gewünscht“, so der Geschäftsführer des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BDW). „Wenn aber auf diese Weise wissenschaftliche Ergebnisse oder Risiken vorenthalten werden, ist der öffentliche Ethos der Wissenschaft in Gefahr“, so Bultman.

Dabei seien diese Kooperationen leider öfter so intransparent wie in Köln. „Die Firmen verhandeln häufig direkt mit den Lehrstühlen und kein öffentliches Gremium muss dem mehr zustimmen“, kritisiert Bultman. Deswegen hofft auch er auf eine baldige Grundsatzentscheidung zugunsten öffentlicher Verträge. Das könnte sogar das Vertrauen in das private Engagement steigern. Die Bürgerinitiative CBG befürchtet, der Leverkusener Chemie-Koloss würde die Wissenschaftler der Uni dazu verpflichten, nur noch nach der Wirtschaftlichkeit zu forschen. „Eine aus Steuergeldern finanzierte Einrichtung wie die Uniklinik Köln muss der öffentlichen Kontrolle unterliegen – zumal in einem sensiblen Bereich wie der Pharma-Forschung,“ sagt Philip Mimkes.

Er glaubt, das Verfahren würde einen Präzedenzfall für alle Public Private Partnership (PPP)-Projekte an den Hochschulen schaffen. „Die Allgemeinheit kann solche Kooperationen nur bewerten, wenn alle relevanten Informationen veröffentlicht werden“, fordert Mimkes.

Tatsächlich könnte der Kölner Kontrakt bedeutsam für viele Universitäten des Landes sein. Zahlreiche Institute, gerade in den wirtschaftsnahen Ingenieurwissenschaften oder der Pharmakologie, lassen sich von Konzernen unterstützen. Allein die nordrhein-westfälischen Universitäten haben im Jahr 2008 260 Millionen Euro aus der privaten Wirtschaft eingenommen. Konzerne fördern Diplomanden oder Forschungsprojekte oder investieren in Material und Laborausstattung. In vielen Fällen hapert es laut Bultman dabei an der Transparenz.

Der Universität Köln geht es nach eigenen Aussagen weniger um den konkreten Vertrag als viel mehr um eine Grundsatzentscheidung. „Der Vorwurf, unsere Forschung würde gekauft, ist naiv“, sagt Sprecher Honecker. Die Universität und ihre Wissenschaftler hätten sich bewusst dazu entschieden, an der Hochschule zu forschen und nicht in der Pharmaindustrie.

Wie unabhängig die Mediziner und Pharmakologen tatsächlich forschen, wird allerdings erst die geforderte Veröffentlichung beweisen. Darüber werden wieder einmal die Gerichte das letzte Wort haben. Der Datenschutzbeauftragte ist nicht befugt, eine Veröffentlichung anzuordnen. Deswegen werden Verwaltungsrichter letztendlich darüber entscheiden, wie viel Freiheit die Wirtschaft an den Hochschulen genießt. Von Annika Joeres

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