Meine Damen und Herren, werte Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates,
mein Name ist Kathrin Weigele und ich möchte zu dem Thema Nebenwirkungen von Antibabypillen der 3. und 4. Generation zu Ihnen sprechen. Bei der Diskussion um die Nebenwirkungen dieser Pillen geht es vor allem um die dort verwendeten Inhaltsstoffe und deren Auswirkungen auf die Häufigkeit venöser Thromboembolien. Pillen der dritten Generation beinhalten den Wirkstoff Desogestrel und Pillen der vierten Generation den Wirkstoff Drospirenon. Beide Stoffe bringen ein höheres Thromboserisiko gegenüber Pillen der älteren, zweiten Generation mit sich. Ich selbst bin von dieser Problematik in besonderer Weise betroffen und so bin ich froh und auch dankbar, heute hier stehen und von meinem Schicksal berichten zu können. Denn auch ich wurde im Alter von 24 Jahren nach einer etwa halbjährigen Einnahme der Pille Yasmin beinahe aus dem Leben gerissen.
Mein Frauenarzt hatte mir die Pille Yasmin, ein Präparat aus Ihrem Hause, das den Wirkstoff Drospirenon enthält, als besonders verträglich, schonend und besonders niedrig dosiert empfohlen und noch weitere positive Eigenschaften wie eine Verbesserung des Hautbildes oder Gewichtsregulierung angepriesen. So ermuntert entschied ich mich dann entgegen meiner ursprünglichen und generellen Skepsis gegenüber der Verhütung mittels Pille es doch einmal mit der Yasmin zu versuchen. Die Folgen dieser Entscheidung: eine schwere beidseitige Lungenembolie durch die sich ein lebensgefährlicher Lungenhochdruck entwickelte sowie eine damit verbundene Rechtsherzbelastung mit der Gefahr akuten Herzversagens. Die Ärzte bescheinigten mir angesichts der schwere meiner Erkrankung eine Lethalitätsrate von 95%, oder mit anderen Worten eine Überlebenschance von 5% in den nächsten 5 Jahren. Aus einem jungen, gesunden und aktiven Menschen wurde mit einem Schlag eine junge Frau, die ums Überleben kämpfen musste. Da bei mir – ebenso wie bei Frau Rohrer – keinerlei persönliche Risikofaktoren für die Entstehung der Embolien vorlagen (ich bin Nichtraucher, es besteht keine genetische familiäre Vorbelastung oder Übergewicht), ist die Pille Yasmin als alleinige Ursache anzusehen. Auch heute noch leide ich unter den Folgen meiner Entscheidung für Yasmin: Herz und Lunge sind gezeichnet von den Embolien. Schmerzen in Lunge, Herz und Brust sind keine Seltenheit. Es befinden sich zudem immer noch zahlreiche Mikroembolien in beiden Lungenflügeln, was eine sog. Diffusionsstörung zur Folge hat. Das ist eine Gasaustauschstörung, was bedeutet, dass die Aufnahme von Sauerstoff ins Blut zu großen Teilen eingeschränkt ist. Ich komme daher schneller ausser Atem und muss dementsprechend häufiger um Luft ringen. Die Anstrengungen des Alltages verlangen mir heute im Vergleich zu gleichaltrigen gesunden Frauen mehr Kraft, Einsatz und Kampfgeist ab.
Bleibende Folgeschäden, lebenslange Einnahme von Blutgerinnungsmitteln sowie Ungewissheit und Angst, ob einer Verschlechterung meines Gesundheitszustandes werden mich so für immer schmerzlich an die Einnahme der Pille Yasmin erinnern. Aus der Pille Yasmin ist für mich eine Pille fürs Leben geworden.
Ich bin heute hier, um auch anderen Betroffenen ein Gesicht zu geben und ich bitte Sie für mich und für all diejenigen Frauen und Mädchen, die als Endverbraucher durch die Nebenwirkungen Ihrer Pille betroffen sind, meine Fragen zu beantworten.
Es ist weitgehend bekannt, dass es bei der Einnahme der Pille in seltenen Fällen zur Bildung von Thrombosen oder Embolien kommen kann. Weniger bekannt ist den Anwenderinnen bisher bedauerlicherweise jedoch, dass das Thromboserisiko drospirenonhaltiger Pillen der Produktfamilie Yasmin- zu der auch die Präparate Yaz, Yasminelle und Petibelle gehören- dasjenige der Pillen der 2. Generation um ein vielfaches übersteigt.
Im August 2009 wurden hierzu in dem renommierten British Medical Journal zwei neue Studien unabhängiger Wissenschaftler aus Dänemark und den Niederlanden veröffentlich. Der niederländischen Studie zufolge erhöht der Wirkstoff Drospirenon das Risiko der Thrombosebildung um das Fünffache. In der dänischen Studie wurde ein doppeltes Risiko festgestellt.
Die Unbedenklichkeit und angebliche Sicherheit drospirenonhaltiger Kontrazeptiva sollte im Gegensatz dazu die sog. EURAS-Studie aus dem Jahr 2007 belegen. Danach ist das Thrombose- bzw. Embolierisiko mit Pillen der sog. 2. Generation vergleichbar, die meist das Hormon Levonorgestrel enthalten. Doch wieviel Vertrauen kann man dieser Studie wirklich entgegenbringen kann, wenn man in Betracht zieht, dass die Studie von (damals noch) Schering selbst in Auftrag gegeben, finanziert und darüber hinaus von einem ehemaligen Schering-Mitarbeiter, dem Leiter des Bereichs Gynäkologie bei Schering, durchgeführt wurde?
Mir ist bekannt, dass Bayer die Studien aus Dänemark und den Niederlanden anzweifelt. Es wird unter anderem beanstandet, die dänische Studie habe nicht zwischen Erst- und Langzeitanwenderinnen differenziert, was die Daten zuungunsten der neueren Präparate verfälsche. Eine Unterscheidung ist deshalb relevant, da das Thromboserisiko im ersten Anwendungsjahr am größten ist. Doch wie kann Bayer etwas als methodische Schwäche der dänischen Studie bemängeln, was bei der eigenen Studie selbst nicht befolgt wurde? Denn auch die EURAS-Studie lässt eine solche Differenzierung vermissen.
Auch nach Untersuchung der Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic im vergangenen Jahr ist das Risiko, bei Einnahme von drospirenonhaltigen Pillen ein Blutgerinnsel zu entwickeln, höher als bisher angenommen und vor allem höher als bei Anwendung von Pillen der 2. Generation. Dem hat sich nun auch das Deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angeschlossen. Meine Damen und Herren, ist darin nicht eine Bestätigung der Studienergebnisse aus Dänemark und den Niederlanden zu sehen? Ist die EURAS-Studie mit dem Ergebnis eines vergleichbaren Thromboserisikos damit nicht ganz klar wiederlegt? Ich möchte Sie, Herr Wenning fragen: Warum werden die Hinweise und Studien unabhängiger Wissenschaftler und Behörden bei Bayer weiterhin nicht ernst genommen und einfach übergangen? Wie können Sie angesichts solcher Ergebnisse weiterhin von einem positiven Nutzen-/Risikoprofil von Yasmin ausgehen? Wie erklären Sie sich dann, dass nun auf Veranlassung europäischer Arzneimittelbehörden sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland der Beipackzettel geändert, d.h. um zusätzliche Risikohinweise ergänzt und auf die neuen Studien Bezug genommen werden muss? Ist dies nicht als Indiz dafür zu werten, dass Ihrerseits bisher unzureichend über die Risiken drospirenonhaltiger Präparate informiert und aufgeklärt wurde?
Bei Bayer hatte man noch im Jahre 2009 keinen Anlass zu einer solchen Änderung gesehen. Der Beipackzettel enthielt und enthält bisher keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risikoprofil der Pille Yasmin. Auch ich habe damals nichts davon erfahren, dass das in der Pille Yasmin enthaltene Hormon Drospirenon ein erhöhtes Thrombose- und Embolierisiko mit sich bringt.
Derartige Informationen werden von Bayer zurückgehalten. Ich möchte gerne wissen, warum Angaben zur Häufigkeit von schweren Nebenwirkungen und sogar Todesfällen vom Bayer-Konzern verschwiegen werden? Warum legen Sie nicht endlich alle Ihnen gemeldeten Nebenwirkungen und Ihnen vorliegenden Anwendungsstudien offen? Angeblich um die Kundinnen nicht zu verunsichern. Doch entsteht Verunsicherung nicht vielmehr durch unzulängliche Information, durch das Gefühl, es wird etwas Verschwiegen und nicht durch ehrliche Aufklärung? Wie lässt sich ein solches Verhalten mit Ihren eigenen Unternehmensmaximen wie Integrität, Offenheit und Ehrlichkeit vereinbaren?
Auch in den Bayer Werbekampagnen werden die Risiken mit keinem Wort erwähnt. Das Marketing zielt vielmehr auf Lifestyle-Anwendungen wie Aknebehandlung und Gewichtsreduzierung ab. Meine Damen und Herren, ist es denn wirklich erforderlich Frauen und Mädchen mit Werbeslogans wie „Verhütung ohne Gewichtszunahme“ zu ködern und sie dadurch einem erhöhten Thromboserisiko auszusetzen?
Die Pille soll verhüten. Und sonst nichts. Eben das tun auch die älteren Präparate der 2. Generation genauso wirkungsvoll. Ist die Verwendung des Wirkstoffes Drospirenon dann nicht völlig unnötig? Wie rechtfertigen Sie die Zunahme lebensgefährlicher Nebenwirkungen bei gleicher Verlässlichkeit der Verhütung, was letztlich Ziel und Aufgabe der Pille ist? Sollte durch Forschung und Fortschritt im Bereich hormoneller Verhütungsmittel, denen sich ihr Unternehmen als Weltmarktführer mit dem Leitbild „Science for a better life“ verschrieben hat, nicht vielmehr ein gegenteiliger Effekt hervorgerufen werden- nämlich eine Verbesserung neuer Präparate hin zu schonenderen und gesünderen Pillen mit immer weniger Nebenwirkungen?
Als Marktführer auf dem Gebiet der Antibabypillen tragen Sie mit die Verantwortung für etwa 100 Millionen Frauen und Mädchen, die weltweit mit der Pille verhüten. Ist Ihnen dabei bewusst, dass angesichts der großen Zahl von Anwenderinnen oraler Kontrazeptiva schon eine geringfügige Erhöhung der Nebenwirkung eine große Auswirkung auf eine Vielzahl von Frauen hat? Haben Sie als Hersteller von Medizinprodukten nicht die Pflicht alles zu unternehmen, um die Sicherheit derer, die Ihnen ihr Vertrauen aussprechen, indem sie Ihre Produkte kaufen, zu gewährleisten? Ich habe mich vertrauensvoll in die Hände von BayerSchering begeben und hätte fast mit dem Leben dafür bezahlt.
Im den USA sehen Sie sich derzeit einer Vielzahl von Klagen ausgesetzt. Mich als angehende Juristin würde daher interessieren: Wieviele Schadensersatzansprüche wurden gegenüber Bayer aufgrund dieser Problematik in Deutschland aber auch weltweit bereits gestellt? Sind vielleicht sogar schon gerichtliche Verfahren anhängig oder wurden außergerichtliche Vergleiche geschlossen? In welchen Fällen wurde bereits außergerichtlicher Schadensersatz geleistet?
Ich fordere den Bayer-Vorstand dazu auf endlich aktiv zu werden, die Verantwortung für Ihr Produkt zu übernehmen und ehrlich über die deutlich erhöhte Thrombosegefahr aufzuklären, um weitere Schicksale wie das meine und das von Frau Rohrer zu verhindern. Viele Frauen und Mädchen warten auf eine ehrliche Aussage von Bayer.
Ich wünsche mir fernen, dass Sie sich nach der heutigen Hauptversammlung mit Fällen wie meinem und dem von Frau Rohrer befassen, dass Sie auf die Betroffenen zugehen und diese in ihrer Situation bei der Problembewältigung unterstützen.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.