Die Bayer AG plant, die TDI-Produktion in Dormagen stark zu erweitern. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren sandte hierzu am 6. April 2010 eine Stellungnahme an die Kölner Bezirksregierung, die für die Genehmigung zuständig ist.
Neue TDI-Produktionsanlage im Chempark Dormagen
Zu den Scoping-Unterlagen der Bayer MaterialScience AG für den geplanten Bau einer TDI-Anlage im Chempark Dormagen möchten wir wie folgt Stellung nehmen:
1. Die geplante Einhausung der Anlage stellt zweifellos einen Fortschritt gegenüber bisherigen Produktionsverfahren dar und ist als Reaktion auf die jahrzehntelangen Forderungen der Umweltverbände anzusehen. In den Scoping-Unterlagen bleibt jedoch unberücksichtigt, inwiefern von Bayer eine phosgenfreie TDI-Produktion untersucht wurde. Der Verzicht auf Phosgen, immerhin ein Kampfgas im 1. Weltkrieg, würde die Sicherheit weiter erhöhen.
Schon seit den 90er Jahren wird über eine phosgenfreie Herstellung von Diisocyanaten berichtet, z.B. in dem 2005 aktualisierten Report Isocyanates Profile: Autorefinishing Industry der US-Umweltbehörde EPA: http://www.epa.gov/oppt/dfe/pubs/auto/profile/chap8.pdf.
Ein weiterer Hinweis auf phosgenfreie Verfahren findet sich unter http://www.icis.com/v2/chemicals/9076542/toluene-diisocyanate/process.html.
Das Unternehmen sollte darlegen, inwiefern solche alternativen Verfahren untersucht wurden oder ob diese lediglich aus Kostengründen oder wegen fehlender Patente nicht weiter entwickelt werden.
2. Am 26. September 2006 kam es in der TDI-Produktion im Bayer-Werk Baytown/USA zu einer schweren Explosion, bei der 22 Mitarbeiter Gesundheitsstörungen erlitten. Neben großen Mengen TDI und Orthodichlorbenzol traten mehrere Tonnen Ammoniak aus. Die Druckwelle der Explosion zerstörte weitere Leitungen und Kessel.
Die verletzten Mitarbeiter strengten eine Schadensersatzklage gegen den Konzern an, in deren Verlauf ein Gutachten zur Sicherheit in der TDI-Produktion angefertigt wurde (siehe http://www.cbgnetwork.org/downloads/SkinnerReport.pdf). Der Gutachter stellte eine Vielzahl schwerwiegender Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen fest und bezeichnete das Vorgehen von Bayer MaterialScience als grob fahrlässig („gross negligence“). Die Probleme, die zu der Explosion führten, seien der Firma bekannt gewesen, der Störfall hätte daher verhindert werden können.
Die Firma Bayer MaterialScience muss daher im weiteren Verfahren darlegen, welche Konsequenzen aus dem Unglück in Baytown gezogen wurden und wie ein vergleichbarer Überdruck in einem TDI-Reaktor künftig ausgeschlossen wird.
Im Werk Baytown kam es im übrigen in der TDI-Produktion zu weiteren schweren Störungen: im Jahr 2004 explodierten Teile der TDA-Produktion, wobei große Mengen Schadstoffe in die Umwelt gelangten, und im Februar 1999 trat Phosgen aus. 100 Beschäftigte mussten daraufhin ärztlich untersucht werden.
3. Weitere Kommentare zu den von Bayer MaterialScience vorgelegten Scoping-Unterlagen:
· Auf Seite 18 sind die zu erwartenden Emissionen als Konzentrationen angegeben. Es fehlt die Angabe der zu erwartenden absoluten Mengenströme (pro Tag und pro Jahr für alle Schadstoffe);
· Zudem fehlen Vorbelastungsmessungen der wichtigsten Schadstoffe, u.a. hinsichtlich NOx, Feinstaub, Ruß, Kohlenmonoxid, HCl und Schwermetallen. Angesichts der hohen Schadstoff-Konzentration im Kölner Norden ist eine solche Bestandsaufnahme vorzulegen, bevor weitere Emissionen genehmigt werden können.
· Auf Seite 21 werden die zu erwartenden Abfälle aufgelistet. Darunter befinden sich knapp 20.000 Tonnen TDI-Rückstände. Diese große Menge an Abfällen muss im Detail (Anteil Lösemittel, TDI- und TDA-Gehalt, weitere Vorstufen, Phosgengehalt) aufgelistet werden. Außerdem muss angegeben werden, welche Emissionen bei deren Verbrennung zu erwarten sind. Auch ist darzulegen, warum eine solch hohe Abfallproduktion notwendig ist.
· Es ist von einer Erhöhung der Kapazität der vorhandenen TDI-Tankläger die Rede. Wie hoch ist die Kapazität und wie werden die Läger geschützt?
· Welche Parameter werden künftig – innerhalb und außerhalb des Containments – überwacht?
· Seite 29: welche Mengen der Gefahrstoffe TDI, Phosgen, Kohlenmonoxid und Chlor befinden sich maximal in der Anlage? Welche Emissionen und Immissionen in welcher Höhe sind bei einem Störfall bzw. beim größten anzunehmenden Dennoch-Störfall zu erwarten? Welche Dominoeffekte (siehe den Großbrand bei INEOS) sind denkbar? Dazu sind Szenarien für alle Produktionsanlagen, die geändert oder neu gebaut werden sollen, und alle gefährlichen Stoffe zu erstellen.
· Welche Beeinträchtigung des Zugverkehrs ist möglich? Bei der Explosion in der Dormagener TDA-Produktion 1997 spritzte giftiges TDA bis über die Werksgrenzen, auch ein vorbeifahrender Zug wurde dabei getroffen.
· Hoch- und Niedrigwasser sowie Sturmereignisse sind gesondert zu betrachten, da sie klimabedingt zunehmen und erhöhte Anforderungen an Auslegung und Statik stellen.
Bitte halten Sie uns bzgl. des weiteren Verfahrens auf dem Laufenden.
Mit freundlichen Grüßen,
Philipp Mimkes
für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren