Deutsches Ärzteblatt, Ausgabe 25/2009 vom 19. Juni 2009
Klinische Forschung: Verdächtiges Schweigen
Es gibt Proteste gegen ein vertrauliches Kooperationsabkommen zwischen der Bayer AG und der Universität zu Köln. Ein Datenschützer stärkt jetzt die Kritiker.
Die Kritiker des Kooperationsabkommens zwischen der Bayer AG und der Universität zu Köln haben einen Teilerfolg erzielt. Ein Mitarbeiter der Datenschutzbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen widersprach am 20. Mai 2009 der Darstellung der Hochschule, sie müsse über die Zusammenarbeit mit dem Pharmaunternehmen keine Auskunft erteilen. Eine Offenlegung der Verträge aber hatten bereits im November vergangenen Jahres zehn Verbände und studentische Interessenvertretungen gefordert. Sie fürchten, dass der Anfang 2008 unterzeichnete Vertrag zur pharmakologischen Forschung von wirtschaftlichen Interessen dominiert wird. In einem offenen Brief hatten sie deswegen die Publikation des Übereinkommens gefordert. Sowohl die Universität als auch der Konzern lehnten dies bislang mit Verweis auf eine mögliche Geschäftsschädigung ab.
Die Verbände waren an die Öffentlichkeit gegangen, nachdem die Pressestelle der Hochschule Auskünfte über die Kooperationsvereinbarung „aus rechtlichen Gründen“ verweigert hatte. Die Kritiker unter Federführung der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) beriefen sich daraufhin auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie wollten unter anderem wissen, ob der Vertragstext von dem Pharmaunternehmen vorgelegt worden sei. Zudem erkundigten sich die Unterzeichner nach einem eventuellen Verzicht der Uniklinik auf die Publikation negativer Studienergebnisse. „Wie wird sichergestellt“, hieß es in dem Schreiben, „dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden?“
Präferierte Partnerschaft
Die Antwort der Justizstelle der Universität zu Köln ließ lange auf sich warten. Am 30. März dieses Jahres lehnte die Hochschule eine Beantwortung des umfangreichen Fragenkatalogs ab. In den Bereichen Forschung und Lehre bestehe nach Gesetzeslage keine Auskunftspflicht, entgegnete die Justizstelle der Universität, um sich auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes zu berufen. Dieses gelte nur, soweit betroffene Institutionen „nicht im Bereich von Forschung, Lehre, Leistungsbeurteilungen und Prüfungen tätig werden“. Im Büro der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit sieht man das allerdings anders. Die umstrittene Vereinbarung zwischen Unternehmen und Universität beziehe sich „auf Regelungen zu organisatorischen Fragen, die in keiner Weise einzelne Forschungsprojekte konkret festlegen oder inhaltlich bestimmen“. Die Universität wurde deswegen um eine „ergänzende Stellungnahme“ gebeten.
Die anhaltende Weigerung der Hochschule zur Veröffentlichung des Vertragstexts „nährt den Verdacht, dass Grund zur Geheimhaltung besteht“, sagte der Journalist und CBG-Vorstandsangehörige Jan Pehrke auf der Hauptversammlung der Bayer AG am 12. Mai. Pehrke wies dort auf Klagen von Universitätsmitarbeitern über „diktierte Verträge“ und „Knebelparagrafen“ in ähnlichen Vereinbarungen hin. Entsprechende Vorwürfe seien auf einer Veranstaltung des Düsseldorfer Zentrums für Gewerblichen Rechtsschutz zum Thema der Forschungskooperationen erhoben worden. Der Bayer-Vertreter Dr. Elmar Bramer-Weger habe von Universitäten in der Vergangenheit eine Vorausabtretung der Patentrechte an den Entwicklungen gefordert, so Pehrke. „Da der Anteil der Universität an der Kooperation mit öffentlichen Geldern finanziert wird, dürfen die Produkte nicht völlig aus der öffentlichen Kontrolle entlassen werden“, meinen aber die Vertragskritiker.
In der Antwort der Universität wird eine Dominanz wirtschaftlicher Interessen bestritten. Es handele sich bei der Vereinbarung um eine „präferierte Partnerschaft“, schreibt der Jurist der Hochschule, Alexander May. Die Prüfung jedweder Forschungsvorhaben obliege einem Lenkungsausschuss unter Vorsitz des Leiters des Zentrums für klinische Studien der Medizinischen Fakultät. Insgesamt hätten die Universität und ihre Forschungseinrichtungen „sehr weitgehend sichergestellt, dass eigene Entwicklungsgesichtspunkte und Gütekriterien in forschungslogischer, methodologischer, ethischer sowie juristischer Hinsicht zur Geltung kommen“. Harald Neuber