Presse Information vom 12. Mai 2009
BAYER Hauptversammlung: Medikamenten-Opfer fordern Entschuldigung und finanzielle Kompensation
Fehlbildungen durch Hormonpräparat Primodos / Schering bot in den 70er Jahren Vergleich an
In der heutigen Hauptversammlung der BAYER AG in Düsseldorf fordern englische Medikamenten-Opfer eine Entschuldigung des Konzerns sowie finanzielle Kompensation. In den 60er und 70er Jahren hatten Tausende von Kindern schwere Fehlbildungen durch einen Schwangerschaftstest auf Hormonbasis erlitten. Das weltweit von der Firma SCHERING unter den Produktnamen Duogynon, Cumorit und Primodos vertriebene Präparat führte zu Herzfehlern, fehlenden Gliedmaßen, Gaumenspalten, Nierenschäden und anderen Geburtsschäden.
Karl Murphy aus Liverpool, der seit seiner Geburt schwere Behinderungen hat, in der heutigen Versammlung: „Mein Leben wurde durch zwei Tabletten zerstört. Warum hat SCHERING das Medikament Primodos auf dem Markt belassen – trotz zahlreicher Hinweise auf erhöhte Missbildungsraten? Ich fordere BAYER als den heutigen Besitzer von SCHERING auf, einzugestehen, dass damals ein Fehler gemacht wurde. Es ist überfällig, dass die Firma auf die Opfer von Duogynon und Primodos zugeht.“
Valerie Williams, Vorsitzende des Betroffenen-Verbands ASSOCIATION FOR CHILDREN DAMAGED BY HORMONE PREGNANCY TESTS, ergänzt: „Seit 40 Jahren erleben wir die Leiden unserer Kinder. Ich möchte Sie, liebe Aktionäre und auch Sie im Vorstand fragen, wie Sie sich fühlen würden, wenn Ihr Kind wegen eines Hormonpräparats schwerwiegende Behinderungen erlitten hätte? Tausende von Eltern in aller Welt warten auf eine ehrliche Aussage von BAYER SCHERING zum Thema Primodos und auf eine Entschuldigung“. Die Firma SCHERING hatte Valerie Williams im Jahr 1978 – vier Wochen vor Gründung des Betroffenen-Verbands – ein Vergleichsangebot unterbreitet. Williams lehnte das Angebot wegen der damit verbundenen Schweigepflicht ab.
Bereits Ende der 60er Jahre schrieben zwei medizinische Berater der britischen SCHERING-Tochter einen Brief an die Firmenzentrale in Deutschland und warnten vor den Risiken von Primodos. In dem von der Zeitung Sunday Times veröffentlichten Brief heißt es wörtlich: „Wir müssen bezüglich des möglichen Zusammenhangs von Primodos und Geburtsschäden zu einer Lösung kommen. Als Hersteller ist es unsere moralische Pflicht, alles Menschenmögliche zu unternehmen, die Sicherheit unserer Produkte zu gewährleisten.“ Trotzdem stellte das Unternehmen den Verkauf des Mittels in Deutschland erst 1981 ein.
Die Ärztin Isabel Gal hatte schon 1967 festgestellt, dass Mütter missgebildeter Kinder zu einem überdurchschnittlich hohen Prozentsatz hormonelle Schwangerschaftstests verwendet hatten. Eine Studie des ROYAL COLLEGE OF GENERAL PRACTITIONERS zeigte 1969, dass Hormontests zu einer höheren Wahrscheinlichkeit von Fehlgeburten führten. Der Studienleiter empfahl ein sofortiges Verbot solcher Tests. Die französische Firma Roussel, die ein ähnlich wirkendes Präparat herstellte, stellte noch im selben Jahr die Produktion ein. SCHERING hingegen beließ Primodos auf dem Markt und sandte keinerlei Warnungen an die Ärzte, so dass das Mittel noch jahrelang verschrieben wurde – obwohl längst risikolose Urintests auf dem Markt waren. Nach Schätzungen von Dr. Claus Newman, einem bekannten britischen Pädiater, sind hormonelle Schwangerschaftstests für mehr Schädigungen verantwortlich als Contergan.
Die Firma SCHERING, Weltmarktführer für Kontrazeptiva, wurde 2006 von BAYER übernommen. Duogynon/Primodos enthielt die selben Hormone, die heute in geringerer Konzentration als Antibaby-Pille verkauft werden. Kritiker vermuten, dass die jahrelangen Warnungen vor hormonellen Schwangerschaftstests in den Wind geschlagen wurden, um negative Publicity für Kontrazeptiva zu vermeiden.
Valerie Williams aus London sowie der 36-jährige Karl Murphy aus Liverpool reisen auf Einladung der Coordination gegen BAYER-Gefahren nach Deutschland. An der Hauptversammlung nehmen neben Tausenden von Aktionären auch Vorstand und Aufsichtsrat des BAYER-Konzerns teil.