Presse Information vom 27. März 2009
Coordination gegen BAYER-Gefahren
BAYER will vorzeitige Inbetriebnahme der CO-Pipeline
Eilantrag beim Verwaltungsgericht Düsseldorf / Gegenantrag zur Hauptversammlung des Konzerns / „grundsätzliche Ablehnung des Projekts“
Die BAYER AG will die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline von Dormagen nach Krefeld in Betrieb nehmen, bevor die Gerichte endgültig über das Projekt entschieden haben. Der Konzern hat nach Angaben eines Sprechers dazu in der vergangenen Woche einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Düsseldorf gestellt. Begründet wird das Ansinnen ausgerechnet mit dem im Herbst geänderten Planfeststellungsbeschluss, obwohl dieser sicherheitstechnische Verschlechterungen gegenüber den ursprünglichen Planungen beinhaltet.
Jan Pehrke vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren erklärt hierzu: „Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat festgestellt, dass kein öffentliches Interesse an dem Betrieb der Leitung besteht. Es ist ein starkes Stück, wenn BAYER nun bei einer unteren Instanz, die bisher alle Wünsche des Unternehmens willfährig umgesetzt hat, eine vorzeitige Inbetriebnahme beantragt. Wir bleiben bei unserer grundsätzlichen Ablehnung des Projekts: Das bisher geltende Prinzip, wonach Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid nur am Ort ihrer Verwendung produziert werden dürfen, muss erhalten bleiben.“ Die Pipeline ist noch nicht vollständig fertig gestellt. Auch ein Alarm- und Gefahrenabwehrplan liegt noch nicht vor.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat einen Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung am 12. Mai eingereicht. Darin heißt es: „Warum baut Bayer MaterialScience nicht in Krefeld eine moderne CO-Produktionsanlage? Dadurch ließe sich die Gefährdung der Bevölkerung entlang der Pipeline-Trasse vollständig vermeiden.“ Und weiter: „Dem Bau der hochgefährlichen Leitung liegen ausschließlich privatwirtschaftliche Interessen zu Grunde, nämlich die geringeren Kosten der Pipeline gegenüber dem Bau einer neuen Produktionsanlage in Krefeld. Angesichts der Vielzahl von Chemie-Unfällen im vergangenen Jahr – gerade auch an Pipelines! – muss die Sicherheit der Bürger wieder in den Vordergrund rücken.“ Der vollständige Gegenantrag findet sich auf der BAYER-homepage unter: http://www.hv2009.bayer.de/de/gegenantraege.aspx
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte die Inbetriebnahme der Pipeline im Dezember 2007 bis zu einer endgültigen Entscheidung auf Eis gelegt, die nächste Verhandlung soll im Sommer geführt werden. In dem Urteil des OVG im Jahr 2007 hieß es: „Es fehlt eine vertiefte und überzeugende Darstellung der Bedeutung, die die von der Firma BMS, einem privaten Unternehmen, betriebene Rohrleitungsanlage für die Allgemeinheit habe, um den staatlichen Zugriff auf das Eigentum Dritter zu rechtfertigen.“
weitere Informationen: http://www.cbgnetwork.org/1968.html
Leserbrief zu Bayer-Eilantrag beim Verwaltungsgericht
Es ist nicht erst die Chuzpe, mit der der Bayer Konzern jetzt die vorzeitige Inbetriebnahme der CO-Giftgasleitung beim Verwaltungsgericht Düsseldorf betreibt. Selbst vor dem OVG Münster trat man wohl auf wie Graf Koks von der Gasanstalt.
Das Gericht stellt die Szene in seinem Beschluss wie folgt dar:
die „Beigeladene“ – sprich Bayer – vertrat die Auffassung, der Enteignungszweck zum Bau der CO-Giftgasleitung „sei durch das ihr … wegen ihrer starken wirtschaftlichen Stellung am Markt zukommende und gesetzlich gewährte Vertrauen ausreichend gesichert“. Die Giftgasleitung also als ein Art auf Bayer zukommendes Recht, also systemisch – wie man heute zu sagen pflegt – sozusagen.
Wofür bräuchten wir dann eigentlich noch so etwas wie Demokratie, Rechtsprechung oder Werte wie Anstand, Rücksicht, gute Nachbarschaft? Werden wir doch besser gleich alle potentielle Leiharbeiter bei Bayer und machen NRW zum Fabrikgelände.
Die „Masters of the Universe“, als die sich bis vor kurzem die jetzt untergegangenen Investmentbanker gerne feiern ließen, sind längst auf ihrem Seuchenzug durch die Wirtschaft auch bei Bayer angekommen. Die meisten Mitarbeiter des Konzerns werden sicher ein Liedchen davon singen können.
Doch hier steht mehr auf dem Spiel als Innerbetriebliches. Es geht auch nicht um 50 Millionen EUR – evtl. in den Sand gesetzt wenn eine Pipeline nicht in Betrieb gehen darf – das ist für ein Unternehmen wie Bayer/ BMS eher weniger als Peanuts. Es geht vielmehr darum, sich einen Standort wie NRW gefügig zu machen, wenn es sein muss durch Androhung von Unternehmensverlagerungen und massivem Arbeitsplatzabbau. Bayer‚s „Masters of the Universe“ fühlen sich inzwischen so mächtig, dass sie glauben nicht nur die Legislative und Exekutive sondern jetzt auch noch die Judikative NRW‘s unter Kontrolle zu haben, unpässliche Oberverwaltungsgerichtsurteile hin oder her.
Gut, könnte man einwenden, das gehört zum „Spiel“. Doch wer macht die Regeln?
Spätestens seit dem Planergänzungsbeschluss der Bezirksregierung Düsseldorf dürfte es auch den von uns gewählten Volksvertreten im D.-dorfer Landtag dämmern, dass das RohrlG und damit die CO-Giftgasleitung niemals dem Wohl der Allgemeinheit dienen konnte und sollte. Jetzt finden nicht nur sie amtlich bestätigt, dass weder der Nachweis „zum Wohle der Allgemeinheit“ gelingt, noch die Plausibilität einer rechtsrheinischen Trassenführung erbracht oder Sicherheitsstandards nach dem Stand der Technik belegt werden, wie vom OVG Münster eingefordert. Und das trotz Einsatz jeder Menge Gutachter, die eigens für die „professionelle“ Beantwortung der Fragen des Gerichtes angeheuert wurden:
– so unterstellt der wichtigste Nachweis zum „Allgemeinwohl“ einer CO-Giftgasleitung, eine Exportabhängigkeit bei Polycarbonaten, die es einfach überhaupt nicht gibt – wie die amtlichen Außenhandelsstatistiken belegen. Im Gegenteil, er beweist de facto das genaue Gegenteil: die Pipeline provoziert gesamtwirtschaftliche Wohlstandsverluste. Ad hoc schon mal schnell 1 Milliarde EURO für die Abschreibungen auf den Wert des Eigentums an Immobilien und Grund und Boden entlang der Trasse = kalte Enteignung!
– alternative linksrheinische Trassenverläufe wurden detailliert untersucht aber die rechtsrheinisch bereits verbaute Trasse eben nicht. Damit „entging“ dem Gutachter die offensichtliche Schwäche einer Pipelinetrasse, die durch dicht besiedelte Ortschaften mäandert oder die gerne z.B. auch mal im Zickzack um bestehende Pipelinebündel von gleichzeitig bis zu sieben(!!!) bestehenden Leitungen geführt wird (angeblich wg. Wasserschutz) anstatt 1000 m vorher einfach kürzer durchs freie Feld parallel einer dort ebenfalls verlaufenden Pipelinetrasse (von wegen Bündelung usw.);
– die bereits verbauten technischen Standards werden als das non plus Ultra gepriesen ohne alternative Technologien auch nur zu erwähnen: z.B. detektiert das von Bayer selbst(!!!) ausgewählte LEOS System Lecks – wenn überhaupt – erst mit bis zu 24 Stunden Zeitverzögerung, wozu soll das gut sein? Stand der Technik jedenfalls heißt aber auch in diesem Bereich: „just in time“.
Fazit: ein klares AUS für Bayers Giftgasleitung – gemessen an den Fragen des OVG Münster. Offensichtlich. Eigentlich zu offensichtlich. Denn es wird schnell klar, dass im Planergänzungsbeschluss nicht einmal ansatzweise die Fragen des OVG Münster beantwortet werden. Nimmt die Bezirksregierung das Gericht nicht ernst oder kommt es darauf schon gar nicht mehr an?
Wir sollten nicht vergessen: NRW hat ja schon zweimal JA gesagt, das Parlament und die Regierung. Jetzt fehlt nur noch das JA vom Verwaltungsgericht Düsseldorf und das Spiel der Bayer Boys geht lustig weiter. Was kostet die Welt wenn man erst mal die Spielregeln selbst bestimmen kann? Eine Rolle die Bayer offenbar ja sowieso schon wegen der starken wirtschaftlichen Stellung am Markt zukommt (s.o.): quasi Naturgesetz, Recht des Stärkeren usw.
Für uns als Bürger dieses Landes bleibt dann gerne die Übernahme der allfälligen Risiken und Aufräumarbeiten in unserer Paraderolle als Steuerzahler und Giftgas-Geisel!
Um uns hierhin zu führen, hat eine CDU/FDP Landesregierung keine eine Legislaturperiode gebraucht. Schon bemerkenswert: gestern standen wir angeblich schon am Abgrund, doch heute sind wir dank Rüttgers, Thoben und der FDP bereits einen Schritt weiter.
Konrad Wilms