Am 28. Oktober 2008 hat die EU eine Importgenehmigung für gentechnisch veränderte Baumwolle erteilt. Die von Bayer CropScience angebotene Sorte LLCotton25 ist resistent gegen das hauseigene Herbizid Liberty Link. Die Zulassung gilt für den Bereich Nahrungs- und Futtermittel.
Wachsende Risiken: Gentech-Baumwolle von BAYER
BAYER ist weltweit der zweitgrößte Hersteller von Baumwoll-Saatgut und drängt auf immer mehr Märkte. Vor allem für die kleinen Baumwoll-FarmerInnen in der „Dritten Welt“ hat das fatale Folgen. Aber den Leverkusener Multi stört das nicht. Er will die Länder jetzt auch noch mit seinem „letzten Schrei“, gentechnisch manipulierter Baumwolle, beglücken. Das arme Südafrika hat er zum Versuchsfeld für seine neuesten Labor-Kreationen auserkoren.
Das Geschäft mit der „grünen Gentechnik“ beschränkt sich weitgehend auf Mais, Raps, Soja, Reis und Baumwolle. Nur diese fünf Pflanzen versprechen den Agro-Multis Maximal-Profite. BAYER hat sie alle im Angebot, baut aber besonders das Segment mit gentechnisch manipulierter Baumwolle aus, denn dieses verspricht die höchsten Wachstumsraten. In den USA, wo sich Gentech-Sorten schon auf 80 Prozent aller Baumwollfelder breit machen, erstand der Konzern 2006 die Unternehmen CALIFORNIA PLANTING COTTON SEED DISTRIBUTORS und RELIANCE GENETICS. Im letzten Jahr erwarb er dann für 310 Millionen Dollar die Baumwoll-Sparte von STONEVILLE – die teuerste Akquisition der Landwirtschaftsabteilung seit dem Erwerb von AVENTIS CROPSCIENCE. Der Global Player stieg so zum weltweit zweitgrößten Anbieter des Malvengewächses auf und arbeitet unermüdlich daran, ihm neue Absatzgebiete zu erschließen.
Armut kultivieren
Geht bereits in 28 Ländern die Gensaat auf, was der „Zukunftstechnologie“ einen Marktanteil von 13 Prozent beschert, so dürften sich die Zahlen nicht zuletzt durch die Aktivitäten des Leverkusener Multis bald noch erhöhen. Er hat jüngst eine Anbau-Zusage aus Kanada erhalten und Anträge auf Import-Genehmigungen in Europa, Indien, Australien und Südafrika gestellt. Besonders in Südafrika stößt das Engagement des Konzerns auf massive Kritik, weil Risiken und Nebenwirkungen hier nicht nur auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, sondern auch auf den einheimischen Agrarsektor zuzukommen drohen. „Wir lehnen BAYERs Antrag aus sozio-ökonomischen Gründen vehement ab“, erklärte das AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY (ACFB), „Nach einer Bewilligung werden große Mengen subventionierter und daher billiger Gen-Baumwolle auf den südafrikanischen Markt drängen. Das wird die Lebensgrundlage von Millionen Afrikanern in der Region zerstören.“ Südafrika importiert 84 Prozent seines Baumwollbedarfs aus Nachbarländern wie Zimbabwe, Sambia oder Mozambique, mit denen es sich in der Zollfreiheit garantierenden Wirtschaftsgemeinschaft „Southern African Development Community“ (SADC) zusammengeschlossen hat. Die USA haben im Moment gerade mal einen Importanteil von einem Prozent, was sich nach einer Zulassung von BAYERs mit einer Resistenz gegen das Herbizid LIBERTY ausgestatteten LL25-Baumwolle aber ändern dürfte. Die US-Regierung unterstützt ihre LandwirtInnen nämlich mit jährlich 3,9 Milliarden Dollar – fast die Hälfte des Bruttoinlandprodukts von Sambia – und verschafft ihnen damit immense Wettbewerbsvorteile. Die entsprechenden Wettbewerbsnachteile für den afrikanischen Baumwoll-Binnenmarkt, von dem zehn Millionen Menschen abhängen, hat die Hilfsorganisation OXFAM errechnet: 310 Millionen Dollar an Einnahmen kosteten diese Subventionen die FarmerInnen bereits in der Saison 2001/2002. „Cultivating Poverty“ – das ist OXFAM zufolge die bittere Ernte dieser Landwirtschaftspolitik.
Risiken kultivieren
Daneben kultiviert der Import der LIBERTY-LINK-Baumwolle nach Meinung der ForscherInnen vom AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY noch jede Menge Risiken, nicht zuletzt für die menschliche Gesundheit. Der Mensch kommt mit gentechnisch manipulierter Baumwolle nämlich nicht nur rein äußerlich durch Kleidungsstücke in Berührung, die Laborfrüchte finden auch den Weg nach innen – entweder als Öle oder über den Umweg „Tiernahrung“. Besonders der im Vergleich zu konventionellen Arten höhere Gossypol-Gehalt von gentechnisch manipulierter Baumwolle stellt dabei ein Gefährdungspotenzial dar. 0,5 Prozent beträgt der Anteil dieser giftigen chemischen Verbindung bei BAYERs LL25-Sorte und liegt damit beträchtlich über dem für Tierfutter noch als unbedenklich geltenden Wert von 0,05 – 0,01 Prozent. Überschreitet die Nahrung dieses Limit, so steigt für das Vieh die Gefahr, Durchfall, Atemschwierigkeiten oder Schwächeanfälle zu bekommen. Sogar Fälle von Unfruchtbarkeit, Herzinfarkte, Leberschäden und Todesfälle haben die WissenschaftlerInnen beobachtet. Das aus Baumwolle gewonnene Öl – 50 Prozent der US-amerikanischen Ernte landet in dieser Wertschöpfungskette – muss wegen dieser Gefahren extra durch Raffinierungsverfahren vom Gossypol befreit werden.
Was die BAYER-Baumwolle mehr an Giften enthält, enthält sie weniger an gesunden Ingredenzien. Ihr Vitamin-E-Gehalt liegt um mehr als die Hälfte unter dem von konventionellen Pflanzen, was LL25 zu Tierfutter minderer Qualität macht.
Das ACFB betrachtet darüber hinaus die von den Konzern-ForscherInnen an der Baumwolle vorgenommenen gentechnischen Veränderungen als störungsanfällig. Sie bilden sich nicht in jeder Pflanze gleich aus und zeigen sich zudem äußerst kommunikativ, was die halbe Natur zu einem Gentechnik-Labor zu machen droht, da viele Bakterien genetisch fast baugleich mit den LL25-Zutaten Antibiotika- und Herbizid-Resistenz sind. Gelangen diese dann durch die Ausscheidungen der mit der BAYER-Baumwolle gefütterten Tiere in die Umwelt, so können viele neue Arten entstehen, gegen die als Krankheitserreger kein Kraut mehr gewachsen ist. Auch neues LL25 vermag aus den Exkrementen des Viehs zu erblühen, denn es ist durch die Verdauungsorgane kaum klein zu kriegen. 14 ähnliche Sorten hätte er dann in Afrika zur Wahl, um auszukreuzen oder als Unkraut sein Unwesen zu treiben. Die Baumwollpflanze zählt zwar zu den Selbstbestäubern, was das Auswildern erschwert, aber Bienen und andere Insekten als Pollenträger sind durchaus in der Lage, „Wachstum zu generieren“.
Versuchsfeld Südafrika
Aber Südafrika blüht noch mehr. BAYER hat nämlich nicht nur einen Importantrag für seine LL25-Kreation gestellt, sondern will das Land zusätzlich noch als Versuchsfeld für weitere Baumwollarten nutzen, wobei die geringeren Auflagen für die Tests als Standortvorteil gelockt haben dürften.
Bei den Sorten handelt es sich um GHB 119 und T304-30, die beide gegen den Herbizidwirkstoff Phosphinotricin resistent sind und den für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis (Bt) enthalten, das gegen das Anti-Unkrautmittel Glyphosate resistente GHB 614 sowie die Kombipacks GHB 614xGHB 119, GHB119xT304-40 und Mon15985xLL25. Mit der „Mon“-Pflanze und den Bt-Kreationen erprobt BAYER damit erstmals Baumwoll-Varietäten, die Frucht eines mit MONSANTO vereinbarten Technologie-Austauschprogrammes sind. Zu diesem die Produktpalette etwas abwechslungsreicher gestaltenden „Nimm 2“-Joint Venture sahen sich die Multis gezwungen, weil Wildpflanzen und Schadinsekten von dem Gentechnik-Oligopol profitierten und immer besser mit Glyphosate und den anderen den gen-manipulierten Ackerfrüchten beigegebenen Einzel-Wirkstoffen leben konnten. So musste etwa der MONSANTOS ROUND-UP-READY-Soja mit eingebauter Glyphosate-Resistenz in Argentinien bereits auf einer Fläche von 120.000 Hektar vor dem Johnson-Gras kapitulieren.
BAYER & Co. pressiert es also, mit neuen Produktlinien aufzuwarten. Wer aber jetzt vielleicht geglaubt hätte, die Freisetzungsversuche in der südafrikanischen Provinz Limpopo hätten zum Ziel, ihren Risiken und Nebenwirkungen nachzuspüren, sieht sich getäuscht. Sie dienen allein dem Zweck, die genetisch veränderten Organismen auf ihre kommerzielle Verwertbarkeit hin zu durchleuchten. Weder die Auskreuzungsgefahr oder die Auswirkungen auf die Artenvielfalt noch Tests zur Stabilität der vererbten Eigenschaften oder zu den möglichen Langzeitfolgen zählen zum Untersuchungsprogramm.
Nach Meinung der Gen-GegnerInnen vom AFRICAN CENTRE FOR BIODIVERSITY hätte für ein solches Monitoring nicht nur die von ihnen bereits examinierte LL25-Pflanze genügend Anlass geboten. Die anderen Laborfrüchte weisen nämlich ein ähnliches Gefährdungsprofil auf, was wegen der bedenklichen Nähe des Freisetzungsackers zu wild bewachsenen Flächen eine besondere Bedrohung darstellt. Auch GHB 614 & Co. können explosive Mischungen mit Bakterien bilden, zu Unkraut mutieren oder auskreuzen. Die MON15985-Sorte enthält beispielsweise ein aus dem Enzym Glucuronidase bestehendes Marker-Gen, das fast „baugleich“ mit der Darmbakterie E. coli ist. Dadurch steigt die Gefahr eines horizontalen Gentransfers, der aus der Bakterie eine Glucuronidase-Brutstätte zu machen droht – mit unabsehbaren Folgen für die Gesundheit. So haben die Wissenschaftler Gaffney, Buttenshaw und Diplock in einem Aufsatz, der bereits 1986 in der Fachzeitschrift Lancet erschienen ist, Gelbsucht-Erkrankungen von Säuglingen auf einen erhöhten Glucuronidase-Anteil in der Muttermilch zurückgeführt.
Bauernsterben
Den Praxistest haben bisher weder die Bt-Baumwolle noch die gegen Pestizid-Wirkstoffe resistenten Produktreihen bestanden, wie die von FRIENDS OF THE EARTH herausgegebene Studie „Who benefits from GM crops“ darlegt. Entgegen den Versprechungen MONSANTOs haben die FarmerInnen mit den Gentech-Saaten ihre Erträge nicht steigern können; sie erlitten teilweise sogar erhebliche Verluste. Allzu oft versagte der Bacillus thuringiensis gegen den Bollwurm. In Indien verlor nach und nach ein Viertel der Bt-Baumwolle ihre giftige Wirkung, was nicht wirklich überrascht. Die US-ForscherInnen konzipierten sie nämlich für die einheimische Anbau-Saison, die wesentlich kürzer ist als die indische. Und selbst wenn die Bt-Baumwolle ihrer Bestimmung nachkam und dem Bollwurm trotzte, nützte das oft wenig, weil sie von Hause aus nichts gegen dessen Artgenossen auszurichten vermag. Deshalb mussten die LandwirtInnen auf dem Subkontinent mit zusätzlichen Pestiziden arbeiten. Diese Mehrausgaben, verbunden mit den hohen Anschaffungskosten für die Bt-Saaten, den mageren Ernten und den fallenden Weltmarktpreisen führten zu einer so desaströsen Einnahme-Situation, dass Indien von einer wahren Suizid-Welle unter Baumwoll-PflanzerInnen heimgesucht wurde: In den ersten zehn Monaten des Jahres des Jahres 2007 töteten sich über 900 Bauern und Bäuerinnen.
MONSANTOs ROUND-UP-READY-Produktlinie bringt dagegen LandwirtInnen in den USA zur Verzweiflung. Im Jahr 2006 entschlossen sich 90 von ihnen sogar zu einer Klage gegen MONSANTO sowie BAYER und DELTA & PINE als Mithersteller und Anbieter der Sorte. Damit wollten sie ihrer „langanhaltenden Enttäuschung“ Ausdruck verleihen und Schadensersatz erstreiten, denn auf zahlreichen Feldern war die Baumwolle vom Typ ROUND-UP-READY fix und fertig. Die Umstände auf den Plantagen bestimmten den Charakter der Pflanzen stärker als die in den Laboren ausgeklügelte Vererbungslehre. Hitze und Trockenheit ließen die Glyphosate-Resistenz im Genpool verkümmern, weshalb die Gewächse dem Glyphosate-Großeinsatz nicht gewachsen waren und en masse eingingen. Der Bauer Alan Stasney, dem die genetische Instabilität der RR-Baumwolle einen Verlust von 250.000 Dollar bescherte, klagte: „Es ist wirklich eine traurige Situation. Viele Menschen sind deshalb am Boden zerstört“.
Nach den bisherigen Erfahrungen hat die gentechnisch veränderte Baumwolle weder die Erträge gesteigert noch den Ackergift-Verbrauch gemindert. Auch die Situation der Kleinbauern und -bäuerinnen hat diese nicht verbessert. In Südafrika fiel ihre Zahl von 3688 in der Saison 2001/02 auf 2305 in der Saison 2006/07, was die FRIENDS OF THE EARTH-Studie neben den sich verschlechternden ökonomischen Rahmenbedingungen für Baumwolle auch der Einführung der Bt-Sorten zuschreibt. Im südafrikanischen Baumwollgürtel Kwazulu Natal, wo die Makhatini Flats als Bt-Vorzeigeregion galten, setzte in dem Zeitraum ein besonders großes Bauernsterben ein. Von 3229 LandwirtInnen blieben schließlich nur noch 853 übrig. „Gentechnisch veränderte Baumwolle ist keine Lösung für Kleinbauern in Afrika“ lautet deshalb das Resümee von FRIENDS OF THE EARTH. Und das AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY kommt zu einem ähnlich vernichtenden Urteil: „Wir lehnen diese Anwendungen ab, welche die Integration unseres Agrarsystems in die kapitalistische Ökonomie vorantreiben und Kleinbauern im Regen stehen lassen. Zudem stellen diese Pflanzen ein Risiko für Mensch und Umwelt dar“, so das ACFB. Ihr Appell „Afrika ruft zu Widerstand auf“, der sich auch darüber empört, dass Südafrika BAYER & Co. als willkommenes Versuchsfeld dient, schließt mit den Worten: „Eine neue Landwirtschaft wartet darauf, das Licht der Welt zu erblicken“.
Von Jan Pehrke