auf dem Gelände von Bayer Brunsbüttel sollen zwei Kohle- und ein Müllkraftwerk errichtet werden
8. August 2008, Wilstersche Zeitung
Müll- und Kohlekraftwerke: Beschwerde in Brüssel erhoben
Kraftwerkspläne und die Einspeisung des Offshore-Windstroms wurden von der Bürgerinitiative beraten.
„Die Landesregierung tut alles, um den Bau von Kohlekraftwerken an der Unterelbe baurechtlich abzusichern.“ Diese Meinung vertrat Dr. Karsten Hinrichsen auf einem Treffen der Bürgerinitiative Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe im Sportlerheim in Flethsee.
Aktuell diskutierte die Bürgerinitiative den Entwurf des Landesentwicklungsplanes, mit dem Brunsbüttel bis zum Jahr 2025 zu einem Standort von Großkraftwerken gemacht werden soll. Deshalb habe – so Dr. Hinrichsen – der Bauausschuss der Stadt Brunsbüttel einen Antrag beschlossen, den künftigen Offshore-Windstrom nicht am Knotenpunkt Brunsbüttel, sondern am Schaltwerk bei Wilster ins Netz einzuspeisen. „Dadurch würde der Netzknoten Brunsbüttel für die geplanten Steinkohlekraftwerke freigehalten“, sieht Hinrichsen einen Grund für die Brunsbütteler Planungen.
Beides schwächt nach seiner Meinung die Position der Bürgerinitiative und der umliegenden Gemeinden, die die Umweltbelastungen zu tragen haben. Dr. Hinrichsen rief die Gemeinden dazu auf, sich ablehnend gegen die Vorschläge der Stadt Brunsbüttel zu äußern. Die BI selbst werde ihre Position informell der Landesentwicklungsbehörde zur Kenntnis bringen.
Die Planungen der Energieversorger gehen in die gleiche Richtung. So soll schon 2010 im Industriepark auf dem Bayer-Gelände das Industrieheizkraftwerk mit 140 Megawatt in Betrieb gehen. 2010/11 soll das 800-MW-Kohlekraftwerk von Electrabel auf dem Bayer-Areal folgen. 2012 soll das Doppelblock-Kohlekraftwerk der Südweststrom mit zwei 800 bis 900 MW starken Kraftwerksblöcken ans Netz gehen, ehe 2014 das Getec-Kohlekraftwerk auf Bütteler Gemeindegebiet folgen soll. Gesamtinvestition: mehr als fünf Milliarden Euro. „Und wenn Moorburg fällt, kommt Vattenfall auch noch“, übt sich Dr. Hinrichsen in Schwarzmalerei.
Getec, so erinnerte er noch einmal, habe das erforderliche Grundstück von Bayer im Rahmen eines Erbbauvertrages erworben. Die Getec-Planer gehen davon aus, dass sie das Kohlekraftwerk ohne Kühltürme werden betreiben können. „Der Vertrag ist aber strengstens geheim“, bedauert Hinrichsen die Geheimniskrämerei.
Nach Ansicht des in Brokdorf lebenden Meteorologen werden mit den Brunsbütteler Kraftwerken zwar die Grenzwerte der Emissionen eingehalten, aber nicht alle technischen Möglichkeiten ausgenutzt, um die Belastungen noch weiter zu drücken. Beim Industrieheizkraftwerk werden sogar die EU-Vorgaben nicht eingehalten. Ein Grund mehr, dass die Bürgerinitiative mit ihrem Pinneberger Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Mecklenburg inzwischen Beschwerde bei der EU-Kommission in Brunsbüttel eingereicht hat.
In diesem Zusammenhang begrüßt Dr. Hinrichsen die vom Kieler Landwirtschafts- und Umweltministerium erlassenen neuen Leitlinien, mit denen die bisherigen Grenzwerte weiter gesenkt werden sollen. Das Ministerium ist überzeugt, dass Anlagen moderner Technik in der Lage sind, die Emmissionsgrenzwerte teilweise sehr deutlich zu unterschreiten. Mit einer Reduzierung der Grenzwerte könnte eine „Akzeptanzerhöhung der Vorhaben“ in der Bevölkerung erreicht werden.
Von Jochen Schwarck