Stern, 28. Mai 2008
Millionenbuße für Aspirin Kartell
Mehr als zehn Millionen Euro Bußgeld muss der Bayer-Konzern dafür entrichten, dass er Apotheken bezahlt hat, den Preis für Aspirin künstlich hochzuhalten. Das gab das Bundeskartellamt bekannt. Aufgedeckt hatte die illegale Absprache zwischen dem Pharmakonzern und 11.000 deutschen Apotheken der stern.
Eine einzige E-Mail war verräterisch: Am 30. Dezember 2006 schrieb der Außendienstleiter von Bayer Vital an seine Mitarbeiter eine E-Mail zum Thema: „Argumentation zur Zielvereinbarung und zum Thema Preismarketing“. Darin erläuterte der Bayer-Manager, unter welchen Bedingungen Apotheker einen besonderen Bonus verdienen können. Demnach erhält jeder Apotheker einen Sonderrabatt, wenn er sich verpflichtet, den Preis für Aspirin und andere rezeptfreie Bayer-Medikamente nicht dauerhaft zu senken und Niedrigpreise zu vermeiden. „Nur unter Einhaltung dieser Spielregeln kann Bayer Ihnen bis zu drei Prozent für die Positionierung der Bayer-Produkte als Premiumprodukte gewähren.“
Mehr als jede zweite deutsche Apotheke ging auf das illegale Angebot ein. Die Folge: Eine Packung Aspirin (20 Tabletten à 500 Milligramm) kostete in deutschen Apotheken fast überall exakt 4,97 Euro – von Wettbewerb, wie ihn der Gesetzgeber will, keine Spur.
Wettbewerbswidrige „Spielregeln“
Mit diesen „Spielregeln“ hat Bayer nach Ansicht des Bundeskartellamts „in wettbewerbswidriger Weise auf die Wiederverkaufspreise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Apotheken Einfluss genommen“. Denn seit 2004 können Apotheken selbst bestimmen, zu welchem Preis sie rezeptfrei Arzneimittel verkaufen. „Vor diesen Hintergrund sind Vereinbarungen zwischen dem Hersteller und dem Händler, also der Apotheke, mit denen auf den Verkaufspreis Einfluss genommen werden soll, unzulässig“, schreibt das Kartellamt in einer heute verbreiteten Stellungnahme zu dem Urteil.
Bei der genauen Höhe der Geldbuße von 10,34 Millionen Euro wurden zwei Aspekte berücksichtigt, die strafmildernd wirkten: Erstens hatte Bayer sofort nach der stern-Enthüllung im Oktober 2007 und noch bevor das Kartellamt die Firmenräume durchsucht hatte, versichert, die illegale Zielvereinbarung außer Kraft gesetzt zu haben. Zweitens habe Bayer sich gegenüber dem Kartellamt kooperativ gezeigt und von sich aus ordnerweise Unterlagen zur Verfügung gestellt. Deshalb kassiert das Bundeskartellamt nun als Strafe nicht 30 Prozent des Umsatzes der betroffenen Bayer-Tochterfirma, sondern nur rund fünf Prozent. Allerdings geht das Kartellamt in seiner Bemessung der Strafe davon aus, dass die „Zielvereinbarung“ mit den Apothekern von August 2005 bis September 2007 Bestand hatte – also viel länger, als bisher bekannt war.
Das Aspirin-Kartell ist der erste Fall, in dem das Bundeskartellamt eine Preisabsprache zwischen Pharmaunternehmen und Apothekern nachweisen konnte. Bisher hatte das Kartellamt lediglich neun Landesapothekerkammern, den Bund der Arzneimittelhersteller (BAH) sowie fünf Pharmafirmen gemeinsam für eine Reihe von Vortragsveranstaltungen im Jahr 2003 bestraft, auf der Apothekern nahegelegt wurde, die Preise nicht zu senken, weil sich dies wirtschaftlich nicht lohne. Ob sich die Apotheker an die Empfehlung gehalten hatten, konnte damals nicht nachgewiesen werden. Die Strafe für alle beteiligten Unternehmen und Verbände betrug in diesem Fall zusammen nur 465.000 Euro. Das Aspirin-Kartell von Bayer hat dagegen eine viel größere Dimension.
Bayers Sündenregister
Bayer fiel bereits mehrfach auf. Hier eine Auflistung weitere Kartellfälle mit Beteiligung des Leverkusener Konzerns (Auflistung der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ www.cbgnetwork.org):
– Von 1996 bis 2001 sprach Bayer mit den Konkurrenten Flxsys und Crompton die Preise für Kautschuk-Chemikalien ab. Die EU-Kommission verhängt ein Bußgeld von 59 Mio. Euro.
– Im Herbst 2004 wurde Bayer in den USA zu einer Strafe von 33 Mio. Dollar verurteilt, weil er sich an einem Kartell für Polyole beteilt hatte.
– Wegen Preisabsprachen beim Verkauf von Acrylonitril wurde Bayer ebenfalls im Herbst 2004 zu einer Strafe von 4,7 Mio. Dollar verurteilt.
– Im Oktober 2005 wurde Bayer in Portugal und Brasilien wegen Kartellen bei Pharmaprodukten verurteilt.
– In den USA hat Bayer über Jahre hinweg bei Lieferungen an staatliche Gesundheitsprogramme falsche Preise gemeldet. Den US-Behörden fielen geheime Firmen-Dokumente in die Hände, in denen die Manipulationen als „bewährte Marketing-Instrumente“ beschrieben wurden. Bayer zahlte eine Rekordstrafe von 257 Mio. Dollar.
– In Italien hat Bayer mit Konkurrenzfirmen die Preise für Diabetes-Tests abgesprochen. 2003 wurde Bayer und vier weitere Unternehmen zu insgesamt 30 Mio. Euro Strafe verurteilt.
Von Markus Grill