Kölner Stadt-Anzeiger, 22. Februar 2008
Härtere Kartell-Strafen gefordert
Leverkusen – Die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) fordert eine strafrechtliche Verfolgung von Kartell-Betrügern. In einem Brief an Justizministerin Brigitte Zypries schreibt der Verein, dass „erst dann von einem abschreckenden Effekt ausgegangen werden kann, wenn die verantwortlichen Manager Gefängnisstrafen fürchten müssen.“ Der Verein bezeichnet es als „gesetzgeberische Fehlleistung ersten Ranges“, dass Verstöße gegen Kartellvorschriften nur mit Bußgeldern belegt sind, nicht hingegen mit Strafen. Angesichts der Gemeinschädlichkeit derartiger Absprachen und des dadurch verursachten enormen Schadens sei es merkwürdig, dass nicht einmal in schweren Fällen Straftaten vorlägen.
Allein der Bayer-Konzern sei in den vergangenen Jahren „in einer Vielzahl von Fällen“ des Kartell-Betrugs überführt worden, heißt es in dem Brief weiter. Allein 2005 fielen dem Bayer-Geschäftsbericht zufolge wegen diverser Kartellverfahren Kosten von 336 Millionen Euro (einschließlich der kurz zuvor abgespaltenen Lanxess AG) an. Die CBG hatte daraufhin bereits 2006 Anzeige gegen das Management des Unternehmens gestellt. Wegen eines fehlenden Straftatbestands wurde die Klage abgewiesen. Die CBG bezeichnet die Erläuterungen der Staatsanwaltschaft als „grotesk“.
So meinte die Behörde, es sei „in Anbetracht des Umstandes, dass viele namhafte Unternehmen an den Absprachen beteiligt waren, davon auszugehen, dass diese Vereinbarungen lediglich in der Absicht einer sicheren Gewinnmaximierung getroffen wurden“. Und weiter: „Bei lebensnaher Betrachtung ist davon auszugehen, dass ein weltweit agierender Konzern wie die Bayer AG letztlich durch Kartellabsprachen größere Gewinne erzielt, als wenn sie auf solche verzichten würde.“
Große Unternehmen, so die CBG, werden durch eine solche Argumentation zu illegalen Handlungen geradezu ermutigt. Die Argumentation, wonach ein Rechtsverstoß dadurch gerechtfertigt wird, dass er der Gewinnmaximierung dient, laufe dem Rechtsempfinden des Normalbürgers zuwider. Dennoch sei eine Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens von der Staatsanwaltschaft Köln abgewiesen worden.
Ob beim Verkauf von Zitronensäure, Kautschuk, bei Medikamenten oder Diabetes-Tests – stets habe Bayer mit der Konkurrenz Preise und Verkaufsquoten bis aufs Prozent genau abgesprochen. Die Zeche, so die CBG, zahlen die Verbraucher und der Steuerzahler. Die Bayer-Kritiker vermuten, dass die Mehrzahl illegaler Preisabsprachen unentdeckt bleibt. Der große Umfang derartiger Kartellabsprachen, die sich meist über mehrere Jahre hinziehen und die Dutzende von Treffen in allen Teilen der Welt beinhalten, belegten, dass es sich nicht um einzelne Ausrutscher, sondern um eine „systematische Geschäftspolitik“ handelt, meint die CBG.
Öffentlich weise Bayer darauf hin, dass das Management Kartelle ablehne und existierende Kartelle nicht kenne. Die CBG hält es dagegen für undenkbar, dass die Konzernleitung von Vorgängen, bei denen es um so hohe Beträge geht, nichts wisse. VON WILLI FELDGEN