Presse Information vom 15. Februar 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren
Lipobay: BAYER muss erstmals Schadensersatz zahlen
Argentinisches Gericht schafft Präzedenzfall / strafrechtliche Konsequenzen gefordert
Ein Gericht in der argentinischen Stadt Rosario hat erstmals einem Lipobay-Geschädigten Schadensersatz zuerkannt. Der Kläger, Carlos Potocnik, litt nach Einnahme des Cholesterin-Senkers unter Muskelzerfall, der zu schweren Nierenschäden und einer dauerhaften Behinderung führte. In den bisherigen Verfahren war der BAYER-Konzern, der Hersteller von Lipobay, einer Verurteilung stets mit Hilfe von Vergleichen zuvorgekommen.
Die zuständige Richterin Sylvia Aramberri verwies darauf, dass die Firma BAYER die Nebenwirkungen von Lipobay im Vorhinein kannte, diese jedoch bewusst in Kauf genommen hat. Der Schadensersatz in Höhe von 160.000 Peso (knapp 40.000 Euro) setzt sich aus Schmerzensgeld, Behandlungskosten sowie entgangenem Lohn zusammen. Potocnik hatte ursprünglich 570.000 Peso gefordert.
Mindestens hundert Personen in aller Welt waren an Nebenwirkung von Lipobay gestorben. Tausende von Prozessen endeten mit Vergleichen, bei denen der Konzern offiziell keine Schuld anerkannte. Ein Vertrag, der kürzlich einer Lipobay-Geschädigten aus Bayern vorgelegt wurde, zeigt, wie die Betroffenen zum Schweigen verpflichtet werden. Darin heißt es: „Mit BAYER wurde ein Vergleich geschlossen. Über den Inhalt und die Umstände wurde Stillschweigen vereinbart. Weiter möchte ich daher zu dem Thema des Vergleichsabschlusses keine Stellung nehmen“. Bei Zuwiderhandlungen droht eine Vertragsstrafe in Höhe des Abfindungsbetrages.
Die Entscheidung in Argentinien wirft auch Fragen nach der Verantwortung des Managements auf. Hubert Ostendorf von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Das Gericht hat eindeutig ein schuldhaftes Verhalten der Verantwortlichen bei BAYER festgestellt. Da es zu Dutzenden von vermeidbaren Todesfällen kam, müssen nun strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden.“ Die Coordination gegen BAYER-Gefahren bemängelt, dass einseitige Gewinnmaximierung nicht Maxime des Gesundheitssystems sein dürfe. Der Verband fordert ein demokratisch kontrolliertes und ethisch vertretbares Gesundheitssystem.
BAYER hatte den von weltweit sechs Millionen Menschen eingenommenen Cholesterin-Senker im Jahr 2001 vom Markt genommen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Risiken lange bekannt gewesen. Bereits in der ersten Test-Phase hatte die Lipobay-Version mit einer 0,8 Milligramm-Dosis, wie sie auch Carlos Potocnik verschrieben wurde, zu Muskelzerfall und Nierenversagen geführt – etwa zehn mal häufiger als bei Produkten der Konkurrenz. In Japan klagten Probanden über so starke Nebenwirkungen, dass der leitende Arzt die Studie einstellen wollte. Selbst ein BAYER-Mitarbeiter riet angesichts des stark erhöhten Risikos dazu, „den Marketing-Enthusiasmus zu dämpfen“. Die Verantwortlichen im Konzern hatten sich davon unbeeindruckt gezeigt und Lipobay in den USA und Südamerika mit der 0,8 Milligramm-Dosis herausgebracht. In Europa blieb es bei der ungefährlicheren Dosis von 0,3 oder 0,4 Milligramm pro Tablette. Vergleiche und Entschädigungszahlungen kosteten BAYER bislang mehr als eine Milliarde Euro.
weitere Informationen:
Ein Artikel der argentinischen Zeitung La Capital
deutsche Übersetzung des Artikels von La Capital
Artikel „BAYER speist Pharma-Opfer ab“
Artikel der New York Times „Bayer Knew of Dangers of Its Cholesterol Drug