Neue Ruhr/Rhein Zeitung (NRZ), 28. August 2007
Umweltschutz, nächste Generation
KONFERENZ. In Leverkusen diskutieren junge Umweltaktivisten aus aller Welt über regenerative Energien und moderne Technologien.
LEVERKUSEN. Natürlich. Knut durfte ja nicht fehlen. Deutschlands ehemals knuddeligste Sehenswürdigkeit ist immer eine Erwähnung gut, wenn von Umweltschutz die Rede ist. Also bestellte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) dem Plenum im Erholungshaus der Bayer AG gestern Grüße von dem in Berlin inhaftierten Eisbären, für den er im März medienwirksam die Patenschaft übernommen hatte und von dem Gabriel glaubt, dass er die Menschen ganz besonders für den Klimawandel sensibilisiert. „Wenn das Eis schmilzt, sterben die Eisbären aus“, stellte Gabriel sicherheitshalber klar. Hätte er nicht müssen. Das kleine ökologische Einmaleins dürften alle Teilnehmer der internationalen Tunza-Jugendkonferenz beherrschen.
Unep-Partnerschaft mit Bayer in der Kritik
180 junge Umweltaktivisten aus aller Welt debattieren an der Leverkusener Nobelstraße bis Donnerstag über Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes. Ein erlauchter Kreis, ausgewählt vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep). Gastgeber der Konferenz ist die Bayer AG, die gestern eine Verlängerung der Partnerschaft mit der Unep besiegelte, die seit drei Jahren besteht und die sich der Konzern 1,2 Millionen Euro jährlich kosten lässt.
Eine Partnerschaft, die nicht allerorten auf Wohlgefallen trifft. Neben einer großen Anzahl auch in Zukunft dank Dienstwagenprivilegs steuerbefreiter Edelkarossen, vielen Polizisten und noch mehr Bayer-Ordnungskräften standen gestern vor der Tagungsstätte konzernkritische Protestler, die ein Ende der Zusammenarbeit forderten. „Die Zusammenarbeit mit einem Umweltsünder wie Bayer beschädigt die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen“, empörte sich Phillipp Mimkes von der „Coordination gegen Bayergefahren“, kurz CBG.
Kritik, die Sigmar Gabriel mit dem Attribut „abenteuerlich“ abkanzelte, sei Bayer doch ein Unternehmen, das wirtschaftlichen Erfolg und Engagement für den Umweltschutz vorbildlich vereinbare. Auch Achim Steiner, Unep-Direktor und ein weiterer prominenter Gast der Auftaktveranstaltung, sah in der Zusammenarbeit keinen Widerspruch. „Wir brauchen mehr ökologisches Denken in der Ökonomie und mehr ökonomischen Sachverstand in der Ökologie.“
Modernes Umweltbewusstsein sei das, hatte Steiner den jugendlichen potenziellen Führungskräften zuvor mit auf den Weg gegeben. Jugendlichen, die so gar nichts mehr von den strubbeligen, beschlappten Gestalten haben, die das Klischee in der Öko-Schublade verortet. Umweltschutz 2.0 ist sexy, adrett gekleitet, schaut staunend weißgewandeten Tänzern zu, die zu wummernden Beats die vier Elemente interpretieren, und stößt sich nicht an Sätzen, wie: „Klimaschutz ist immer eine Investition, hat aber auch immer eine Dividende.“
Die jugendlichen Umwelt-Aktivisten, die in Leverkusen diskutieren, wie Technik so genutzt oder weiterentwickelt werden kann, dass wirtschaftliches Wachstum nicht zu arg von ökologischen Zwängen behindert wird, sagen Sätze wie den folgenden: „Wir bauen an einer Agenda, um unseren Planeten zu schützen.“
Jugendliche, die sich nicht semiprofessionell mit der Rettung der Welt auseinandersetzen, klingen anders: „Wenn die das Klima schützen wollen, frage ich mich, warum die alle mit dem Flugzeug hierher geflogen kommen“, sinnierte Maximilian Döckel (16). Wie er hatte auch Gymnasiast Freddy Zimmer (18) am Eröffnungstag in die Veranstaltung hineingeschnuppert. Er kam vor dem überquellenden Büffet ins Grübeln: „Die warnen von einer Überfischung der Meere. Tintenfisch gibt´s aber in Massen zu essen. Ist der nicht auch vom Aussterben bedroht?“ (NRZ) JAN JESSEN