24. August 2007, die tageszeitung
Industrie-PR:
Bayer lehrt die UNO Umweltschutz
Ausgerechnet der Chemiekonzern richtet für die Vereinten Nationen eine Jugendumweltkonferenz aus – und bringt sich großzügig ins Programm ein. Kritiker sehen Glaubwürdigkeit der UNO beschädigt
Bildungsarbeit nimmt die Umweltabteilung der Vereinten Nationen (United Nations Environmental Programme – UNEP) ernst: Seit 1985 organisiert sie Umweltkonferenzen für Jugendliche aus aller Welt. Die diesjährige „Tunza International Youth Conference“ findet nächste Woche in Leverkusen statt; 150 Jugendliche, 15 bis 24 Jahre alt, treffen sich, um „Verantwortung für eine nachhaltige Welt“ zu übernehmen, wie UNEP schreibt.
Großzügig unterstützt werden sie dabei ausgerechnet vom Chemiekonzern Bayer. Das Unternehmen finanziert das Treffen nicht nur zu wesentlichen Teilen, sondern stellt auf seinem Firmengelände auch die Räumlichkeiten und betreibt die Konferenz-Webseite. Die „Koordination gegen Bayer-Gefahren“, die sich seit 25 Jahren kritisch mit dem Konzern auseinandersetzt, hat keinerlei Verständnis für diese Art der Kooperation. „Bayer hat eine lange Tradition darin, Profite über Menschenrechte zu stellen“, hat die Gruppe in einem Brief an die Vereinten Nationen geschrieben, der der taz vorliegt. Mit seinen Lobbyisten habe das Unternehmen gegen die meisten Umweltabkommen gekämpft, vom Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz über die neue EU-Chemiekalienrichtlinie bis zur Reduzierung von Pestiziden. „Indem Sie diesem Unternehmen helfen, sich ein grünes Image zuzulegen, gefährden Sie das Ziel und die Glaubwürdigkeit des UN-Umweltprogramms“, schreiben die Kritiker – und fordern ein Ende der Zusammenarbeit.
Die Vereinten Nationen weisen die Vorwürfe zurück. Man hoffe darauf, durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen eine „größere Transparenz und Nachhaltigkeit“ zu erreichen, schreibt Executive Director Shafqat Kakakhel in einer Stellungnahme. Es gebe dadurch keine inhaltlichen Beschränkungen, über das Programm entscheide allein die UNEP.
Die greift aber offenbar auch inhaltlich gern auf die Unterstützung ihres „globalen Partners“ Bayer zurück. Bei der Eröffnung der Konferenz spricht – neben Umweltminister Sigmar Gabriel und UNEP-Direktor Achim Steiner – der Bayer-Vorstandschef Werner Wenning. Zudem gestaltet das Unternehmen eine Veranstaltung über industriellen Umweltschutz, organisiert einen Besuch der Bayer-Labore und moderiert einen Workshop.
Dass sich Bayer inhaltliche Einflussnahme gekauft habe, bestreitet das Unternehmen energisch. „Unsere Beteiligung am Programm war ein Wunsch von UNEP“, sagte Bayer-Pressesprecher Dirk Frenzel der taz. „Das ist in keiner Weise mit unserer Finanzierungszusage verbunden.“ Auch Theodore Oben, UNEP-Verantwortlicher für Jugendaktivitäten sieht kein Problem. „Wenn man über Einfluss und Verantwortung von Unternehmen reden will, muss man mit Unternehmen reden“, sagte er der taz. Und dass ein Sponsor bei der Eröffnung einer Veranstaltung rede, sei selbstverständlich: „Niemand finanziert eine Konferenz und hört dann nur zu.“
KASTEN
Die Bayer AG ist nach BASF der zweitgrößte deutsche Chemiekonzern. 106.000 Mitarbeiter erwirtschafteten 2006 einen Umsatz von 30 Milliarden Euro und 3,5 Milliarden Euro Gewinn. Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Unternehmen schon lange. So ist Bayer Weltmarktführer bei Pestiziden, von denen Umwelt- und Gesundheitsgefahren ausgehen. Auch in der umstrittenen Agro-Gentechnik ist der Konzern sehr aktiv. Mit einer Klage gegen Südafrika versuchte das Unternehmen 2001 zudem, die Produktion von preiswerten Aids-Medikamenten zu unterbinden. VON MALTE KREUTZFELDT