Neues Deutschland, 5. Juni 2007
Kalter Krieg am Rhein
Der BAYER Konzern plant eine Pipeline für hochgiftiges Kohlenmonoxid von Dormagen nach Krefeld. Kritiker bezeichnen das Projekt als überflüssig, extrem gefährlich und umweltschädlich. Gemeinden und Bürger formieren sich zum Widerstand. – Den zu verhindern scheint manchem jedes Mittel recht: Kritische Stimmen gegen die BAYER-Pipeline werden als „Verfassungsfeinde“ diffamiert.
Bei einem Pressetermin des Monheimer Bürgermeisters Dr. Thomas Dünchheim (CDU) wollten Vertreter der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) den Spendenaufruf der Stadt für die Klagen einiger Bürger gegen drohende Enteignungen mit einem Scheck über 1.000 Euro unterstützen. Der Termin am 16.5. jedoch wurde kurzfristig abgesagt. „Eine Zusammenarbeit mit der CBG ist für die Stadt Monheim nicht möglich“, kommentiert Pressesprecher Michael Hohmeier. Ursache für den plötzlichen Rückzieher: Mehrere Artikel in Lokalteilen der „Rheinischen Post“, in denen Axel Köhler-Schnura, Vorstandsmitglied der Coordination als DKP-Mitglied „geoutet“ wird. Nicht, dass diese Tatsache neu wäre, doch für die Rheinische Post rückt damit die Coordination in die Nähe von Gewalttätern und Terroristen. Unter Verweis auf Mauertote und Unterdrückung behauptet man, die CBG stehe „unter dem maßgeblichen Einfluss eines Kommunisten orthodoxer Prägung“ und beschwört ein düsteres Szenario von „Fundamentalisten“ herauf, die „Deutschland wirtschaftlich verwüsten“ wollen. „Die antikommunistische Hetze kennen wir zur Genüge“, kommentiert Axel Köhler-Schnura. „Seit Beginn unserer Tätigkeit 1978 versucht der Konzern, uns zu diffamieren“.
Die Coordination ist ein internationales Netzwerk von Initiativen aus mehr als 60 Ländern. „Menschen aller weltanschaulichen Richtungen sind bei uns vertreten“, erklärt Hubert Ostendorf vom CBG-Vorstand. Was sie eint, ist der Kampf um die Einhaltung von Menschenrechten, ökologischen und sozialen Standards bei dem weltweit agierenden Konzern. „Nur mit Rechtsradikalen und Faschisten arbeiten wir nicht zusammen“, so der Theologe Ostendorf.
Die CBG plant nicht die „Zerschlagung des Konzerns“, sondern sucht das Gespräch, um Missstände zu beheben. Doch BAYER schaltet auf stur. In den 80ern schuf man dort die Gegen-Initiative „Malocher gegen Schmarotzer“ und verkündete, das Netzwerk sei von Moskau ferngesteuert. Auch mit anderen Kritikern geht der Konzern, dem im „Schwarzbuch Markenkonzerne“ u.a. der Vertrieb hochgiftiger Pflanzengifte, Kinderarbeit sowie Finanzierung unethischer Menschenversuche angelastet wird, nicht zimperlich um. Gegenüber „Stern“ und „Spiegel“ verhängte man Mitte der 80er einen mehrjährigen Anzeigenboykott wegen unliebsamer Berichterstattung.
Die CBG zeigt sich von den jüngsten Angriffen unbeeindruckt, die Spende wurde trotzdem überwiesen. „Daran können wir niemanden hindern“, so Hohmeier für die Stadt Monheim. „Aber ansonsten wollen wir das gute Verhältnis zu BAYER aufrechterhalten, schließlich ist der Konzern seit Jahrzehnten bei uns vertreten.“
Nur die Pipeline, die will man nicht, und verweist auf die tödliche Gefahr für mehr als 100.000 Menschen, die Gutachten zufolge bei einem Leck entsteht. Deshalb laufen Gemeinden und Bürger von Ratingen über Hilden bis Monheim Sturm, um der Pipeline Einhalt zu gebieten, obwohl an einigen Stellen bereits die Bagger rollen. Klagen, so hofft man in der Region, können das Ganze noch stoppen, obwohl der Landtag NRW eigens eine „Lex Bayer“ für den Bau der Pipeline erlassen hatte. Dabei, so heißt es, hatten die „U-Boote“ des BAYER-Konzerns unter den Abgeordneten, wie etwa der CDUler Karl Kress, durchaus maßgeblichen Einfluss geltend gemacht, eine Tatsache, die von der Rheinischen Post bisher nicht „geoutet“ wurde.
Mona Grosche