Leverkusener Anzeiger, 27. April 07
Was so alles an Contra kommt
Wenn heute gegen 10 Uhr die Massen in die Kölner Messe pilgern, wird vor dem Eingang Nord ein Ritual gepflegt, das fast genauso zur Bayer-Hauptversammlung gehört wie die Bockwürstchen: Die „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ protestiert gegen die Verfehlungen des Konzerns. Diesmal haben die organisierten Gegner einen Künstler angeheuert, um ihre Kritik augenfällig zu machen: Klaus Klinger, ehemaliger Schüler von Gerhard Richter, habe „ein über vier Meter großes Gerippe gestaltet, das ein Giftfass transportiert. Die Arbeit des weltweit mit seinen großformatigen Arbeiten gegen Ausbeutung und Krieg aktiven Künstlers ist Teil des Protests gegen die geplante Verbrennung von hochgiftigem Hexachlorbenzol aus Australien in Anlagen des Bayer-Konzerns“, informiert die „Coordination“, die sich 1978 gründete.
Die Aktionäre Walter Verwey aus Duisburg und Klaus-Dieter Dohm aus Haltern haben Gegenanträge eingereicht, die in der Hauptversammlung diskutiert werden müssen. Beide wollen den nun nicht mehr lange amtierenden Siemens-Vorstandschef Klaus Kleinfeld nicht im Bayer-Aufsichtsrat sehen. Der Manager stehe „mit seinen Vorstandskollegen im Zentrum des Verdachts von Schmiergeldzahlungen und Korruptionsvorwürfen. Es ist für mich unvorstellbar, dass jemand mit diesem Hintergrund in den bisher als äußerst seriös geltenden Aufsichtsrat der Bayer AG für die Anteilseigner gewählt wird“, schreibt Dohm zur Begründung. Verwey hingegen sah Kleinfeld bisher als latent überlastet an.
Außer mit provokativer Kunst wartet auch die Coordination wieder mit diversen Gegenanträgen auf. Neben der geplanten Verbrennung australischen Abfalls prangern die Kritiker alle möglichen Vorfälle an: die Ehrung für den früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Fritz ter Meer, dem die Verantwortung für den Bau des IG-Farben-Werks Auschwitz zugeschrieben wird, in dem rund 30 000 Zwangsarbeiter umkamen. Oder die „nicht aussagekräftige Klimabilanz“, diverse Arbeitsunfälle, die Entwicklung von genetisch manipuliertem Reis und nicht zuletzt den Sparkurs bei Bayer Industry Services: Der Konzern sei „hochprofitabel“ (siehe „Frische Zahlen für die Aktionäre“) – „es ist nicht hinzunehmen, dass sich der Konzern derart der Verantwortung für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entzieht“. VON THOMAS KÄDING