Rheinischer Anzeiger, 7. März 2007
HCB-Verbrennung: „Coordination gegen BAYER-Gefahren“ kritisiert Landtagsabgeordneten
Ist die Genehmigung nun doch fraglich?
Dormagen – Ob das Landesumweltministerium die Genehmigung für die Verbrennung von 11.000 Tonnen Hexachlorbenzol (HCB) in Nordrhein-Westfalen (NRW) – davon 1.500 Tonnen in der Sondermüll-Verbrennungsanlage im Chemiepark Dormagen – erteilt, erscheint nach der vergangenen Woche wieder fraglich. Landesumweltminister Eckhart Uhlenberg (CDU) hatte sich zwar gegen den Import der Sonderabfälle aus Australien ausgesprochen. Gleichzeitig erklärte er aber auch, dass es keine rechtliche Möglichkeit gebe, die Einfuhr zu verhindern, da die Genehmigungsvoraussetzungen vorlägen. So geschehen Mitte Januar im Umweltausschuss des NRW-Landtags. Rechtliche Grundlage im Genehmigungsverfahren ist die europäische „Abfallverbrinnungsverordnung“.
Die Bündnisgrünen, die die Ansicht Uhlenbergs kritisierten, erhielten jetzt Rückendeckung aus Brüssel: Die EU-Kommission sieht offenbar keine rechtliche Verpflichtung des Landes NRW zur Annahme des Abfalls, der über 16.000 Kilometer per Schiff, Bahn und Lkw nach Herten, Leverkusen und Dormagen gebracht werden soll. Das gelte selbst dann, wird die Sprecherin des EU-Umweltkommissars Stavros Dimas in der Neuß Grevenbroicher-Zeitung zitiert, wenn Australien nicht über geeignete Verbrennungsanlagen verfüge. Eine der drei Genehmigungsvoraussetzungen ist, dass der Sondermüll von der verursachenden Firma Orica nicht möglichst nah am Entstehungsort in Australien entsorgt werden kann.
Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist seit vergangener Woche offenbar ebenfalls unklar. Der Verein „Coordination gegen BAYER-Gefahren“ (CBG) verwies auf eine entsprechende Äußerung von Sabine Raddatz, Sprecherin des Landesumweltministeriums, aus der Woche davor. „Unternehmen in Australien reklamierten sogar öffentlich, sie seien in der Lage, den Giftmüll selbst zu entsorgen“, so CBG in einer Pressemitteilung. Die Ministeriums-Sprecherin wird dort wie folgt zitiert: „Wir warten auf eine Bestätigung der australischen Behörden.“ Deshalb ruhe derzeit das Verfahren bei den zuständigen Bezirksregierungen.
Starker Kritik sieht sich auch der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Kress ausgesetzt. Der hatte einen Tag nach der Pressemitteilung von CBG selbst eine Presseinformation herausgegeben. Darin erklärte der Zonser, es sei zwar grundsätzlich wünschenswert, Abfälle jedweder Art dort zu vernichten, wo sie entstünden. In vielen Staaten aber fehlten die Voraussetzungen, um Sonderabfälle umweltverträglich und sicher zu vernichten. In NRW gebe es die leistungsfähigsten und besten Hochtemperaturverbrennungsanlagen der Welt. Es sei deshalb sinnvoll, den australischen Sondermüll trotz „aller Magenschmerzen über die Transportwege“ vor Ort zu entsorgen. „Ich halte es für absolut richtig, dass wir diese Schadstoffe vernichten“, erklärte Kress.
Der Verein „Cooperation gegen BAYER-Gefahren“ titulierte den Landtagsabgeordneten daraufhin als „U-Boot der Firma Bayer“. Kress gehöre zu den wenigen Befürwortern der HCB-Verbrennung in Bayer-Anlagen in NRW. Er habe sich nicht den Interessen des Allgemeinwohls, sondern denen seines ehemaligen Arbeitgebers verpflichtet. Der Zonser war bis zum Eintritt in den (vorzeitigen) Ruhestand bei der Bayer Faser GmbH beschäftigt.
Auch bei anderen umstrittenen Projekten der Bayer AG wie dem Bau einer Kohlenmonoxid-Pipeline von Dormagen nach Uerdingen vertrete Kress, so CBG in der Pressemitteilung, die Interessen des Unternehmens. Während der Kreis Mettmann gegen die Pipeline klage wolle und der Monheimer Bürgermeister das Projekt als unverantwortlich bezeichnet habe, habe Kress den Bau der Pipeline als eine gute Nachricht für beide Standorte bezeichnet.