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Störfälle

07. Juni 2006, Neues Deutschland

Krebsfälle ums Chemiewerk

Lanxess-Fabrik im US-Bundesstaat Ohio nach Studie in der Kritik

Unmittelbar neben einem Chemie-Werk des deutschen Konzerns Lanxess im US-Bundesstaat Ohio ist eine deutlich erhöhte Krebsrate festgestellt worden. Die zuständigen Behörden schreiten zwar in diesem Fall ein, doch die US-Umweltbehörde unter Präsident George W. Bush kämpft weiter für Deregulierung bei den Richtlinien für den Schadstoffausstoß.

In der vergangenen Woche berichtete die Gesundheitsbehörde des US-Bundesstaates Ohio von einer um 76 Prozent erhöhten Krebsrate in der Kleinstadt Addyston. Der Bericht sieht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den vermehrten Fällen von Lungen-, Darm- und Nierenkrebs sowie dem unmittelbar in der Nähe befindlichen Lanxess-Chemiewerk. In einer weiteren Studie soll bis zum Herbst ermittelt werden, wie viele Krebsfälle direkt von Emissionen der Fabrik ausgelöst wurden.

Das Anfang 2005 vom Bayer-Konzern ausgegründete, börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Leverkusen produziert in Addyston eine Reihe von Chemikalien, die für die Herstellung von Kunststoff benötigt werden. Jährlich stößt das Werk Hunderte von Tonnen Schwefeldioxid, Stickoxide, Kohlenmonoxid und Feinstäube aus, so Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren.

Besonders nach einer Reihe von Unfällen, bei denen große Mengen der giftigen Chemikalien Acrylnitril und Butadien freigesetzt wurden, hat nun sogar die Umweltschutzbehörde (EPA) von Ohio ein um 50 Prozent erhöhtes Krebsrisiko rund um das Werk berechnet. Die Bewohner der etwa 1000 Menschen zählenden Gemeinde scheinen keineswegs überrascht über den Befund der Behörden. Von einem immerwährenden süßlichen Geruch in der Luft und verschiedenfarbigen Staubschichten berichtet ein langjähriger Einwohner in der Lokalpresse.

Obwohl die Werksleitung einen direkten Zusammenhang zwischen der erhöhten Krebsrate und der Chemie-Fabrik zurückweist, gab sie bereits in den vergangenen Monaten dem Druck der örtlichen EPA teilweise nach. So wurden rund vier Millionen Dollar in Umweltschutzmaßnahmen investiert. Zwar merken die Behörden eine Besserung in den letzten Wochen an, doch viele Einwohner machen sich Sorgen über die langfristigen Auswirkungen des jahrelangen Ausstoßes von Schadstoffen, insbesondere die Eltern der Schulkinder, die eine nahe dem Werk gelegene Grundschule besuchen.

Die Lanxess-Werke finden sich nicht auf der Liste des „Political Economy Research Institute“ mit den 100 Unternehmen, die die meisten Schadstoffe ausstoßen. Der Fall ist vor allem wegen des Drucks bemerkenswert, den die Ohioer EPA ausübt. Hunderte vergleichbare Fälle wurden aufgrund des laxen Umgangs der Umweltbehörden seit dem Amtsantritt von Präsident George W. Bush weitgehend ignoriert. In Fällen, in denen die EPA doch einmal einschreitet, kommt es oft nur zu einem verordneten Werksumbau und seltener zu Straf- oder gar Entschädigungszahlungen gegenüber den Betroffenen. Zudem versucht die EPA, die Berichtspflicht der Konzerne im Rahmen des bestehenden „Toxic Release Inventory“ (Schadstoff-emissionsregisters) auszuhöhlen. Unter anderem soll der US-Kongress nach dem Willen der Behörde eine zehnfache Erhöhung der berichtpflichtigen Menge von Schadstoffausstößen und einen zwei- statt einjährigen Berichtszeitraum durchsetzen. Obwohl kürzlich mit ihrem Vorhaben im Abgeordnetenhaus des Kongresses am überparteilichen Widerstand gescheitert, hält die EPA weiterhin an ihren Plänen fest. Sie plant, so ein Sprecher der Behörde, nun im Senat für die geplante Deregulierung zu kämpfen.
Von William Hiscott

Lesen Sie hierzu auch die Presse-Info der Coordination gegen BAYER-Gefahren