Service-Gesellschaft blutet aus
BAYER rationalisiert weiter
Nach der Chemie-Sparte hat BAYER eine neue Baustelle aufgetan: die BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS).
Von Jan Pehrke
„Wir wollen ein neues BAYER schaffen“, so umriss im Jahr 2002 der damalige BAYER-Chef Manfred Schneider das mit der Bildung einer Holding verknüpfte Ziel. Der Vorstand spaltete den Konzern in sieben Teile auf. Es entstanden eine Pharma-, eine Kunstoff-, eine Chemie- und eine Agro-Gesellschaft auf der einen und die Dienstleistler BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS), BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS), BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) auf der anderen Seite. Die formal eigenständigen Sparten sollten so mehr „unternehmerische Eigenverantwortung“ übernehmen. Nach Ansicht des Holding-Mastermindes und Schneider-Nachfolgers Werner Wenning könnten mit der veränderten Struktur Geschäftsfelder, die BAYER Wettbewerbsvorteile brächten, noch besser gefördert werden. Außerdem könne man schneller reagieren, wenn bestimmte Bereiche den Erwartungen und Vorgaben nicht entsprächen. Die Stärken stärken und die Schwächen schonungslos offen legen – „Survival of the Fittest“ war bei „New BAYER“ also angesagt, und für das Überleben der Sparten bestanden von Beginn an unterschiedliche Vorraussetzungen. In die BIS hat der Leverkusener Multi nach Ansicht eines Beschäftigten nämlich wie in einen „Mülleimer“ alles gesteckt, was Kosten verursacht: der Unterhalt der Chemieparks, Handwerksdienste, Werkschutz- und Umweltschutzaufgaben.
So ging es dem „Mülleimer“ schon bald dreckig. Verschärfend kam hinzu, dass unter „New BAYER“ das „Jeder gegen jeden“-Prinzip gilt. Die ebenfalls einem verschärften Profit-Diktat unterworfenen anderen Holding-Bestandteile fragten bestimmte Dienstleistungen nicht mehr automatisch bei der BIS nach, die wegen der Geltung der Chemie-Tarife nicht gerade ein „billiger Jakob“ war, sondern bedienten sich „immer öfter“ außer Haus. Fast zwangsläufig folgte anno 2003 das erste Kostensenkungsprogramm, das vorsah, bis Ende 2005 1.300 Arbeitsplätze zu vernichten. Trotzdem entleerte der Konzern zuerst einen anderen Mülleimer, in den er die zu wenig Rendite versprechenden chemischen Massenwaren gesteckt hatte. Im Jahr 2005 trat das Geschäft unter dem neuen Namen LANXESS offiziell den schweren Schritt in die Selbstständigkeit an. Da LANXESS aber eine 40-prozentige Beteiligung an der BIS erhielt, hatte die Trennung vom Chemie-Bereich auch Auswirkungen auf die Dienstleistungsgesellschaft. „BAYER hat die Chemie abgespalten, weil sie dafür ein anderes, erfolgreiches Geschäftsmodell brauchte. Wir haben hier tatsächlich ein anderes, erfolgreiches Geschäftsmodell. Und wenn diese beiden Anteilseigner von BIS aufeinander treffen, dann gibt es sicherlich in einzelnen Fragen auch unterschiedliche Meinungen (…) Die BIS ist mit Personalressourcen ausgestattet, die dem derzeitigen Bedarf nicht entsprechen“, sagte der LANXESS-Arbeitsdirektor Martin Wienkenhöver in einem Gespräch mit dem Kölner Stadtanzeiger.
Wenn die Personalressourcen denn wirklich dem derzeitigen Bedarf nicht mehr entsprechen, so hat LANXESS selber daran einen gehörigen Anteil. Von Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit an bis heute macht die Gesellschaft nämlich vor allem mit Arbeitsplatzvernichtung, Standortschließungen und Rationalisierungsprogrammen von sich reden, was in Bezug auf die BIS Kaufzurückhaltung bedeutete. Die Gewerkschaft hatte das kommen sehen und drang auf einen entsprechenden Passus im „Scheidungsvertrag“, der LANXESS verpflichtete, noch mindestens drei Jahre BIS-Leistungen zu BAYER-Konditionen abzunehmen.
Das half der Servicegesellschaft aber nicht viel. Die Geschäftsleitung gab im letzten Herbst einen 20-prozentigen Umsatzrückgang und ein Minus von 40 Mio. Euro bekannt. Prompt meldete sich LANXESS zu Wort. „Da muss eigentlich jedes Modell, das zur Beseitigung dieser Lage beiträgt, erlaubt sein“, gerierte sich Wienkenhöver als Krisenmanager. Die BIS-Geschäftsleitung kannte dann auch wirklich kaum Zumutbarkeitsgrenzen. Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich, Ausgliederung von Werkschutz und anderen Bereichen, Streichung von Sonderzahlungen und ein eigener, aus dem BAYER-Personalverbund herausgelöster Betriebsrat umfasste ihr Horrorkatalog. 3.500 Beschäftigte – so viel wie seit Jahrzehnten nicht beim Agromulti – veranlasste das im Dezember zu einer Protestaktion. Als der BIS-Vize Heinz Bahnmüller vor die Menge trat und schulterzuckend erkärte, die schlechten Zahlen ließen nun mal keine andere Wahl, da schallt ihm ein „Das ist doch so gewollt“ entgegen. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE unterfütterte diese Ansicht später mit einem Gutachten, das Bilanztricks offenbarte. Die BIS hatte sich mutwillig schlechtgerechnet, um ohne Rücksicht auf Verluste rationalisieren zu können.
Ob diese Strategie aufgeht, wird sich bei den weiteren Verhandlungen mit der Gewerkschaft nach den Betriebsratswahlen im April zeigen. Für die BISler brechen aber auf jeden Fall harte Zeiten an. Für die Zeit nach der 2007 auslaufenden „Standortsicherungsvereinbarung“, betriebsbedingte Kündigungen ausschloss, bildet die BIS nach Informationen des Betriebsrats Klaus Hebert-Okon schon jetzt Rückstellungen. Ein Beschäftigter machte seiner Wut in einem Leserbrief Luft: „Eine schlimme Zeit, in der es kein Limit mehr gibt, in der nur noch mehr, mehr und noch mehr Profitgier gilt. Sozial handelt das Management nicht mehr, es handelt antisozial, also asozial“, schrieb er.