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[National Geographic] Greenwashing

Telepolis, 08.07.2005

Bayer wirbt mit Süßwasserschutz

Billige Werbenummer mit „National Geographic“

„Bayer forscht für den Umweltschutz“ – an diesen alten Werbespruch des Leverkusener Chemiemultis fühlt sich mancher Leser des „National Geographic Deutschland“ (NGD) erinnert. Die Zeitschrift bietet ausgerechnet einem der weltweit wichtigsten Pestizidproduzenten eine preiswerte Werbeplattform für eine Süßwasser-Kampagne. Jetzt bekam die Zeitschrift Post von Umweltverbänden.

In dem von Prof. Dr. Jürgen Rochlitz (Mitglied der Störfallkommission) sowie Vertretern der Coordination gegen Bayer-Gefahren des Vereins zum Schutz des Rheins und seiner Nebenflüsse, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland NRW, dem Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN Germany), der Aktionskonferenz Nordsee, dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) sowie dem Dachverband Kritischer Aktionärinnen und Aktionäre unterzeichneten Brief heißt es:

Mit Verärgerung haben wir die Kooperation zwischen National Geographic Deutschland und der Bayer AG bei der Gründung des Global Exploration Fund „Süßwasser“ zur Kenntnis genommen. Wir sind der Meinung, dass das sinnvolle Anliegen, Forschung zum Schutz des Trinkwassers zu befördern, durch die Zusammenarbeit mit einem der größten Wasserverschmutzer Deutschlands diskreditiert wird. Fabriken und Produkte des Bayer-Konzerns belasten Grund- und Oberflächenwässer in aller Welt. Sie sollten dem Unternehmen nicht gestatten, dies durch einen Griff in die Portokasse zu kaschieren.

Bayer gehöre – so heißt es weiter in dem Brief – zu den zehn größten Direkteinleitern von Schadstoffen in Deutschland. Das Unternehmen emittiere über das Abwasser jährlich rund 600 Tonnen Phosphor, 3.400 Tonnen Stickstoff, 1,5 Mio. Tonnen anorganischer Salze, 73 Tonnen Chlororganika und 29 Tonnen Schwermetalle (Werte für 2002 bzw. 2003). Das Grundwasser rund um Bayer-Werke sei häufig stark belastet – so seien kürzlich in der Nachbarschaft der Bayer-Fabrik in Durban/Südafrika bis zu 4800 mg Chrom pro Liter Grundwasser gefunden worden.
Bayer sei der weltweit größte Pestizid-Hersteller. Agrogifte belasteten in aller Welt Böden und Grundwasser. Allein in Deutschland würden jährlich mehr als 30.000 Tonnen Pestizide versprüht, rund 30% des Grundwassers seien dadurch belastet. Die Wasserwerke müssen jährlich dreistellige Millionenbeträge ausgeben, um das Trinkwasser frei von Pestiziden zu halten.
Schließlich verbrauche der Bayer-Konzern rund 2,1 Millionen Kubikmeter Wasser. Allein das Werk Leverkusen erzeuge doppelt so viel Abwasser wie die benachbarte Millionenstadt Köln. Die meisten Werke des Unternehmens entnähmen dem Boden hochqualitatives Grundwasser und leisteten hierfür aufgrund „alter Wasserrechte“ nicht einmal Abgaben.

Moderner Ablasshandel
Mit gerade mal 250.000 Euro erkauft sich der Bayer-Konzern eine Art Ablass für seine zahllosen Umweltsünden. Eine klassische und vergleichbar wirksame Werbekampagne wäre wahrscheinlich wesentlich teurer geworden.
„Viele Tropfen gegen den Durst – National Geographic und die Bayer AG fördern Forschung zum Thema Süß- und Trinkwasser“ – so steht es auf der Homepage der Zeitschrift, die weltweit zahlreiche Naturschutz und Forschungsprojekte unterstützt.
Die amerikanische Muttergesellschaft gilt als die größte gemeinnützige Wissenschaftsorganisation der Welt. Seit ihrer Gründung 1888 hat sie, eigenen Angaben zufolge, weltweit knapp 8.000 Projekte zur Erforschung und zum Schutz des Lebensraums auf der Erde gefördert. Darunter die Arbeiten von Jane Goodall und Dian Fossey zum Schutz der Schimpansen und Gorillas in Afrika und die Unterwasserforschungen von Jacques-Yves Cousteau.
Wer auf „Partner“ klickt, findet unter der Überschrift „Innovationen aus Leverkusen“ folgende, angesichts der bekannten Umweltschädigung durch Bayer-Produkte, erstaunliche Auskunft über den Konzern: „Gesundheit, Landwirtschaft, Materialforschung – drei Forschungsfelder, in denen sich die Bayer AG als ‚Erfinder-Unternehmen‘ profiliert. Soziales Engagement und Einsatz für die Umwelt inklusive.“

Gesundheit
Dabei fände die Zeitschrift mit den schönen Fotos im internationalen Engagement der Bayer AG und ihrer Töchter bestimmt viele lohnende Themen mit eindrucksvollen Bildern. Beispielsweise in Indien, wo in der Produktion von hybridem Baumwollsaatgut heute mehr Kinder beschäftigt sind als in der Teppichherstellung oder der Verarbeitung von Edelsteinen. Kinderhilfswerke wie etwa Terre des Hommes beklagen, dass die verantwortlichen Konzernleitungen bisher nur verständnisvolle Worte für sie hätten. Während die Kinder weiterhin schuften müssen. Die Vertragslandwirte der Agro-Multis stellen Kinder ein, vor allem Mädchen, weil diese für wesentlich weniger Geld pro Stunde arbeiten als Erwachsene. Das Saatgut wird über Zwischenhändler an große Agrarmultis verkauft.
Eine Studie des indischen Instituts „Global Research and Consultancy Service“ hat diese Zusammenhänge aufgezeigt und die Verantwortung von multinationalen Saatgutunternehmen, wie etwa der Bayer-Tochter Pro Agro hervorgehoben. Kinderbilder werden doch immer wieder gerne genommen – also ein gutes Thema für ein Heft wie National Geographic.
Herzzerreißende Geschichten ließen sich auch aus Bolivien erzählen, mit ebensolchen Bildern. Denn in der bolivianischen Stadt Achacachi starben Ende Februar dieses Jahres sieben Menschen an einer Vergiftung mit dem Pestizid Asuntol Fuerte, in der Mehrzahl Kinder. Zwölf weitere Personen erlitten schwere Vergiftungen und mussten notärztlich behandelt werden. Das Agrogift hatte sich in einer Suppe befunden, die bei einem Trauermahl gegessen wurde. Wie die in La Paz erscheinende Tageszeitung La Prensa berichtet, haben die Polizei-Ermittlungen noch nicht ergeben, ob es sich um einen Unglücksfall oder um vorsätzliche Vergiftung handelt. Fest steht, das Zeug ist frei im Handel. Der in Asuntol Fuerte enthaltene Wirkstoff Coumaphos gehört zur Klasse der Organophosphate. Von der Weltgesundheitsorganisation WHO wird Coumaphos in der Gefahrenklasse Ib (hoch gefährlich) eingestuft. Hersteller des Insektizids ist die deutsche Firma Bayer-Cropscience. Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren fordert einen Verkaufsstopp aller Organophosphate:

Es ist unerheblich, ob es sich im vorliegenden Fall um einen Unglücksfall oder um ein Verbrechen handelt. Organophosphate sind tödliche Gifte. Wo immer diese in den freien Handel kommen, treten Vergiftungen und Todesfälle auf – gerade in Ländern mit hoher Analphabetenrate. Das Lamento der Produzenten, für die Folgen des Pestizideinsatzes wären allein die Anwender verantwortlich, erinnert an die zynischen Ausflüchte der Waffen-Industrie.

Annick Dollacker von Bayer-Cropscience hatte kürzlich auf die Fragen einer TV-Journalistin bezüglich tödlicher Vergiftungen durch Bayer-Pestizide geäußert: „Tja, wie gesagt, irgendwo liegt die Verantwortung auch bei dem Anwender selbst“ und „Wenn Sie Bestände haben, dann müssen Sie die verkaufen“. Philipp Mimkes erinnert daran, dass Bayer bereits im Jahr 1995 versprochen hatte, alle Wirkstoffe der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen, doch diese Ankündigung bis heute nicht umgesetzt hat.

Landwirtschaft
Bayer ist nicht nur mit seinen bekannten Giften in der Landwirtschaft „engagiert“ Auch die Gentechnik steht auf dem Programm. Übrigens ein Bereich, für den National Geographic in redaktionellen Beiträgen wirbt. Kein Wunder, ist doch mit Prof. Dr. Ernst-Ludwig Winnacker einer der deutschen Gentechnik-Päpste wissenschaftlicher Berater des Magazins. Prof. Winnacker ist Mitglied des Aufsichtsrats der Bayer AG.
Bayer gehört zu den Firmen, die 2003 mit der Metro AG eine Kampagne für die Akzeptanz von Genfood verabredeten. Eine entsprechende Gesprächsnotiz gelangte zu Greenpeace und wurde von der Umweltorganisation veröffentlicht. Aus der Gesprächsnotiz geht hervor, dass das größte deutsche Handelsunternehmen gemeinsam mit den Gentechnik-Multis Monsanto und Bayer eine Kampagne für Gen-Nahrung plante. Bei dem Papier handelt es sich um das Protokoll eines Treffens zwischen Metro, Monsanto, Bayer, dem Lobbyverband Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) sowie zwei Werbeagenturen (Kampagne für Genfood).
Im vergangenen Jahr bekam Bayer Ärger mit den kanadischen Behörden. Die Chemie-Konzerne Bayer und Syngenta mussten in Kanada ihre „unlauteren Werbekampagnen für Pestizide“ einstellen. Die Verwendung von Begriffen wie „sicher“, „umweltfreundlich“ oder „staatlich geprüft“ wurde von den dortigen Behörden als irreführend gewertet, weil sie den falschen Eindruck vermittle, dass staatliche Stellen den Einsatz von Pestiziden empfehlen. Die Regulierungsbehörde „Pest Management Regulatory Agency“ (PMRA) folgt damit einem Antrag der Umweltorganisation Earth Action.
Betroffen ist u.a. das Bayer-Insektizid Admire (Wirkstoff Imidacloprid), das im Kartoffel- und Hopfenanbau extensiv eingesetzt wird. Neben der Einstellung der Werbekampagne verhängte die PMRA ein Bußgeld. Laut kanadischer Gesetzgebung darf Pestizidwerbung nicht den Eindruck vermitteln, dass der Einsatz von Agrochemikalien umweltfreundlich oder risikolos ist. Admire wurde in Anzeigen als „umweltfreundlich“ und „unschädlich für Mensch und Natur“ bezeichnet, obwohl das Pestizid selbst in den von Bayer herausgegebenen Sicherheitsdatenblättern als giftig für Vögel, Bienen und Wasserlebewesen bezeichnet wird.
Wie auch in Europa wird Imidacloprid in Kanada für das dramatische Bienensterben, dem in Deutschland mehr als ein Drittel aller Bienenvölker zum Opfer fiel, verantwortlich gemacht. In Frankreich wurde der von Bayer hergestellte Wirkstoff wegen der Gefährlichkeit für Bienen teilweise verboten. Von Bayer hergestellte Wirkstoffe wie Fenamiphos, Parathion, Fenthion und Monocrotophos sollen nach Auskunft von Umweltverbänden für Tausende Vergiftungsfälle in aller Welt verantwortlich sein.

Wasser
Besonders Organisationen, die sich mit dem Trinkwasserschutz befassen, sehen die Kooperation zwischen National Geographic und Bayer AG höchst problematisch. Für Peter Willers, Sprecher der Aktionskonferenz Nordsee stellt sich die Frage, ob hier nicht „Schmutziges Geld für saubere Ziele“ verwandt werden soll. Er appellierte an die Wissenschaft, unter anderem den Bremer Meeresgeologen Professor Gerold Wefer, „Forschung nicht mit schmutzigem Geld aus der Portokasse von Bayer zu finanzieren und sich nicht zu nützlichen Idioten der Chemieindustrie machen zu lassen.“
Harald Gülzow vom Verein zum Schutze des Rheins und seiner Nebenflüsse verweist in einer Stellungnahme gegenüber Telepolis auf den direkten Zusammenhang zwischen der Bayer-Produktion und der Werbekampagne:

Der Forschungsfonds wird über die Gewinne von Bayer finanziert. Somit sind alle Produktionsbereiche für die Bewertung dieser Marketing-Aktion zu beachten. Gerade die Pestizidproduktion muss hierbei noch im Besonderen beachtet werden. Durch diesen Produktionszweig, oder genauer durch die Verwendung der Produkte, werden weiträumig die Grundwasservorkommen belastet. Nur durch hohen Kostenaufwand können die Wasserwerke die Belastung verringern – aber nie vollständig eliminieren. Der Verbraucher verlässt sich auf den Produzenten, dass seine Produkte in der Anwendung keine Gefahren für die Umwelt und den Bürger selbst darstellen. Gerade wenn sich dann der Produzent auch noch öffentlichkeitswirksam für sauberes Grundwasser einsetzt, sinkt das Gefährdungspotential seiner Produkte im Bild der Anwender noch weiter.

Die Darstellung des aufwendigen Klärprozesses und die Fahrten des Forschungsschiffes des Rheinschutz-Vereins wären sicherlich auch dankbare Themen für das bunte Fotoheft. Von der Redaktion des Hochglanzheftes war keine Stellungnahme zu erhalten. Der Sprecher der Bayer AG, Dirk Frenzel, erklärte, nicht etwa der vielseitige Professor Winnacker habe das Projekt zwischen National Geographic Deutschland und Bayer initiiert, sondern es entspreche der Bayer-Unternehmenspolitik, „in der wir Innovation mit dem Bekenntnis zu nachhaltiger Entwicklung und gesellschaftlicher Verantwortung verbinden.“ Zum sparsamen Umgang mit Wasserressourcen und zur Vermeidung von Wasserverschmutzungen habe Bayer in den vergangenen Jahren weit reichende Maßnahmen ergriffen.

So konnte der Wasserbedarf der Werke trotz gestiegener Produktion zwischen 1992 und 2002 um mehr als 16 % auf 2,0 Millionen Kubikmeter pro Tag gesenkt werden. Der größte Teil davon (85 %) wird als Kühlwasser verwendet. Nur 15 % des eingesetzten Wassers benötigten wir für die Produktionsprozesse und den Sanitärbereich Die verschmutzten Prozess- und Sanitärabwässer werden in Kläranlagen behandelt und gereinigt in die Umwelt zurückgeführt.

So sei zum Beispiel das Wasser, das die deutschen Niederrhein-Werke der Bayer AG dem Rhein entnehmen, „nach der Klärung bisweilen in einzelnen Parametern weniger belastet als bei der Entnahme.“ Auf die Fragen von Telepolis, ob es denn nach Beginn des Süßwasserprojekts nun auch eine Änderung etwa hinsichtlich der Pestizidproduktion gebe, antwortete der Bayer-Sprecher Frenzel:

Das Forschungsprojekt mit NGD steht nicht in Zusammenhang mit der Pestizidproduktion von Bayer. Na dann ist es ja gut, und der Konzern kann sich ganz auf die Werbenummer konzentrieren…
(von Helmut Lorscheid)