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Ticker 02/2022

AKTION & KRITIK

CBG bei Corona-Demo
In Sachen „Corona“ sind bislang zumeist nur rechtsoffene WutbürgerInnen, QuerdenkerInnen und RechtsextremistInnen auf die Straße gegangen. Dabei wollte es das antifaschistische Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“ nicht bewenden lassen. Es rief unter dem Motto „Gemeinsam durch die Pandemie – solidarische Lösungen statt autoritäre Maßnahmen und Verschwörungswahn“ zu einer Demonstration in der Stadt auf. Rund 1.600 Menschen folgten am 5. Februar dem Appell, darunter auch Mitglieder der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Die Redner-Innen übten Kritik an den QuerdenkerInnen und prangerten die unhaltbare Situation in den gnadenlos auf Effizienz und Profit getrimmten Krankenhäusern an. Andere forderten eine Freigabe der Impfstoff-Patente, attackierten die Profit-Gier von Big Pharma oder mahnten, die Schwächsten der Gesellschaft in der Pandemie nicht allein zu lassen. Jan Pehrke von der CBG nahm in seiner Rede viele dieser Aspekte auf und schloss mit den Worten: „Die Auseinandersetzung sollte nicht zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften verlaufen, sondern zwischen den Konzernen, die nur auf ihren Profit aus sind, und den Menschen, die unter diesem Kapital-Regime leiden. Und in Zeiten der Pandemie mehr denn je darunter leiden, denn diese treibt die Schere zwischen arm und reich noch weiter auseinander.“

Proteste in Lyon
Am 5. März 2022 fand in Lyon, wo sich die französische BAYER-Zentrale befindet, eine große Demonstration gegen den Agro-Riesen statt. Zu den Organisatoren zählten Gruppen wie LES SOULÈVEMENTS DE LA TERRE, LE CONFÉDÉRATION PAYSANNE, EXTINCTION REBELLION, ALER-TE PESTICIDES HAUTE GIRONDE und YOUTH FOR CLIMATE LYON. „Die Folgen der Geschäftstätigkeit des von BAYER aufgekauften Unternehmens MONSANTO sind katastrophal: Wasser- und Bodenverschmutzung, Krebs, Geburtsfehler oder Zerstörung der Artenvielfalt, Verschwinden, Prekarisierung und zunehmende Abhängigkeit von Bauern und Bäuerinnen auf der ganzen Welt“, stand in dem Aufruf, dem rund 2.000 Menschen folgten. Auch an anderen Standorten des Leverkusener Multis wie in Villefranche-sur-Saône, wo der Konzern vorsorglich die Produktion stoppte, und bei BASF in Genay kam es zu Protest-Aktionen.

CBG bei Industrieclub-Kundgebung
Am 26. Januar vor 90 Jahren besiegelte Adolf Hitler im Düsseldorfer Industrieclub seinen Pakt mit den Konzernen. Um an diesen fatalen Schulterschluss zu erinnern, hielt die VEREINIGUNG DER VERFOLGTEN DES NAZIREGIMES – BUND DER ANTIFASCHISTINNEN (VVN-BdA) vor dem geschichtsträchtigen Gebäude an der Elberfelder Straße eine Kundgebung ab. Zudem brachte die Organisation an dem Gebäude eine provisorische Mahntafel an, auf der zu lesen war: „26. Januar 1932. Hier bekam Adolf Hitler Beifall und Geld. Hier wurden die Weichen zum Krieg gestellt.“ Eine solche – allerdings offizielle und dauerhafte – hatte sich die Widerstandskämpferin Maria Wachter an diesem historischen Ort immer gewünscht. Aus gegebenem Anlass nahm auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) an der Aktion teil. Zwar waren am 26. Januar 1932 keine VertreterInnen der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN unter den 650 Industriellen, die dem NSDAP-Vorsitzenden lauschten, aber der Konzern knüpfte ebenfalls schon früh Verbindungen zu den Nazis. Bereits 1931 dekretierte der damalige IG-Aufsichtsratschef Carl Duisberg in seiner Funktion als Vorsitzender des „Reichsverbands der deutschen Industrie“: „Fortwährend ruft das deutsche Volk nach einem Führer, der es aus seiner unerträglichen Lage befreit. Kommt nun ein Mann, der bewiesen hat, dass er keine Hemmungen hat und der gesonnen ist, den Geist der Frontgeneration in friedlicher Befreiungsarbeit einzusetzen und zu verwirklichen, so muss diesem Mann unbedingt Folge geleistet werden.“ Und nach der Machtergreifung der FaschistInnen kam Duisberg noch einmal auf seine Worte von damals zurück. „Meine auf der ersten großen Tagung des Reichsverbandes unter meinem Vorsitz dargelegte Meinung hat sich heute noch nicht geändert: Das Wichtigste für die Industrie ist ein starker Staat, eine machtvolle und energische Regierung“, so der IG-Manager im September 1933.

ESSURE-Geschädigte protestieren
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Sterilisationsmittel, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Schmerzen im Unterleib oder anderen Körper-Regionen, Depressionen oder Angstzustände, Kopfschmerzen, Übelkeit, Allergien, Hautausschläge und Haarausfall zählen zu den Nebenwirkungen. In den USA führte das zu 39.000 Klagen, in deren Folge der Leverkusener Multi 1,6 Milliarden Dollar Schadensersatz zahlen musste. Daraufhin entschloss er sich zu einem weltweiten Verkaufssstopp. Drei französische Geschädigten-Verbände nahmen den Tag des Auslaufens der Vermarktung zum Anlass, um vor dem BAYER-Standort Lyon zu protestieren. Unter anderem forderten die Organisationen die Einrichtung eines Fonds für die betroffenden Frauen.

Agrar-Plattformen: zuwenig Kontrolle
Die Digitale Landwirtschaft sammelt mit Hilfe von Drohnen, Sensoren und Satelliten-Bildern Informationen über das Wetter, die Bodenbeschaffenheit, Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten. Der Leverkusener Multi gehört mit der Plattform „FieldView“ zu den größten Anbietern in diesem Bereich. Auf rund 72 Millionen Hektar kommt dieses Erzeugnis der Digital-Tochter CLIMATE LLC bereits zum Einsatz. Und im Zuge der Kooperation mit MICROSOFT (Ticker 1/22) will der Agro-Riese seine Position noch ausbauen. Wegen der dominierenden Stellung einiger weniger Player wie BAYER in diesem Bereich fordert eine Reihe von Initiativen wie die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, der BUND, FIAN und INKOTA Regulierungsmaßnahmen. „Zur Begrenzung der Macht von Agrar- und Digitalkonzernen braucht es dringend eine Verschärfung des Wettbewerbsrechts in Deutschland sowie in der Europäischen Union“, heißt es in dem „Positionspapier Landwirtschaft 4.0.“ Ohne solche politischen Maßnahmen droht den Organisationen zufolge nämlich in Zukunft ein Big Brother über die Äcker zu wachen: „Wenn die landwirtschaftlichen Daten über wenige, übergreifende Plattformen verwaltet werden, muss zudem sichergestellt werden, dass die Daten sowie die Plattformen nicht von einigen wenigen Großkonzernen wie BAYER oder JOHN DEERE kontrolliert werden.“

Digital ist schlechter
Eine ForscherInnen-Gruppe um Sarah Rotz von der kanadischen „University of Guelph“ hat die wissenschaftliche Literatur zu Wohl und Wehe der digitalen Landwirtschaft gesichtet und viele Problem-Felder ausgemacht. „Viele der so genannten technologischen Lösungen werden in einer Weise entwickelt, welche die Konzerne stärkt, statt die unabhängigen Landwirte dabei zu unterstützen, fundierte Entscheidungen über das von ihnen bewirtschaftete agrarökologische System zu treffen“, schreiben Rotz & Co. in „The Politics of Digital Agricultural Technologies“. Und da die Algorithmen der Tools auf die Bedürfnisse der industriellen Landwirtschaft zugeschnitten sind, haben Kleinbauern und -bäuerinnen das Nachsehen, halten sie fest. Aus demselben Grund geben BAYERs FieldView und andere Plattformen den AutorInnen zufolge auch gar keine digitalen Anreize zu einer ökologischen Nahrungsmittel-Produktion. Die Daten-Sicherheit sehen sie bei Big Agro ebenfalls nicht in guten Händen.

Initiative will Pestizid-Petition
Die französische Initiative SECRETS TOXIQUES, mit der die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kooperiert, kritisiert seit Langem die unzureichenden Vorschriften für Pestizid-Zulassungen. So müssen BAYER & Co. keine Studien über Langzeit-Wirkungen der Ackergifte vorlegen. Auch fordert die EU keine Untersuchungen über etwaige Risiken der gesamten Formulierung des Produkts ein. Ihr genügen Daten zu den jeweiligen Hauptwirkstoffen. Das führt zu einer Unterschätzung der Gefahren, z. B. bei Glyphosat. Das weiß auch BAYERs Tochter-Gesellschaft MONSANTO. So hielt ein Firmen-Toxikologe einst fest: „Glyphosat ist OK, aber das formulierte Produkt verursacht den Schaden.“ SECRETS TOXIQUES will nun gemeinsam mit anderen Organisationen über eine europäische Petition eine Reform der Genehmigungsverfahren erreichen.

Umweltbundesamt schlägt Alarm
Das Umweltbundesamt (UBA) zeigt sich angesichts der hierzulande auf den Feldern ausgebrachten Pestizid-Mengen alarmiert. „Seit über 40 Jahren ist der Absatz von Pflanzenschutzmitteln in der deutschen Landwirtschaft mehr oder weniger unverändert. Sorge bereitet uns jetzt, dass der Verkauf problematischer Wirkstoffe steigt“, erklärte UBA-Präsident Dirk Messner. Im Einzelnen nannte das Umweltbundesamt neben bestimmten Insektiziden, welche die wegen ihrer Bienengefährlichkeit seit einigen Jahren verbotenen Neonicotinoide ersetzt haben, die Herbizide Terbuthylazin, S-Metolachlor sowie Flufenacet. Allein der Umsatz mit dieser Substanz, die unter anderem in dem BAYER-Ackergift LIBERATOR PRO enthalten ist, legte 2020 um 32 Prozent zu, was die Umwelt massiv gefährdet. „Flufenacet bildet das persistente Abbauprodukt Trifluoracetat (TFA), das weiträumig in Gewässern und im Trinkwasser gefunden wird und kaum aus dem Wasser entfernt werden kann“, warnt die Behörde. Die Substanz steht schon seit 2004 auf der EU-Liste mit denjenigen Stoffen, die wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen eigentlich ersetzt gehören. Aber „eine Reduzierung des Einsatzes gelingt in Deutschland bislang nicht“, konstatiert das UBA. Messner sieht angesichts der Entwicklung dringenden Handlungsbedarf: „Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft muss der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln insgesamt deutlich reduziert werden.“

Überdosis Chemie #1
Im Januar 2022 schlugen WissenschaftlerInnen des „Stockholm Resilence Centers“ Alarm. „Das Tempo, in dem die Gesellschaften neue Chemikalien produzieren und in die Umwelt freisetzen, ist für Menschheit kein sicherer Operationsmodus“, konstatiert Sarah Cornell. Durch die Zunahme der Herstellung von Pestiziden, Kunststoffen und anderen Substanzen um den Faktor 50 seit 1950 sehen die ForscherInnen sogar die „planetare Tragfähigkeit“ gefährdet. Darum fordern sie eine strengere Regulierung der Erzeugnisse von BAYER & Co.

Überdosis Chemie #2
Nach einer Studie des UN-Sonderbeauftragten für Menschenrechte und Umwelt, David Boyd, sterben durch die Freisetzung gefährlicher Stoffe in Wasser, Boden & Luft pro Jahr neun Millionen Menschen einen vorzeitigen Tod. „Die derzeitigen Ansätze zur Bewältigung der von Umweltverschmutzung und toxischen Substanzen ausgehenden Risiken versagen eindeutig, was zu weitverbreiteten Verstößen gegen das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt führt“, konstatiert Boyd deshalb.

KAPITAL & ARBEIT

Keine Corona-Prämie
Etliche Unternehmen zahlen ihren Angestellten Corona-Prämien. Bis zu 1.500 Euro reichen die Summen. Bei BAYER & Co. gehen die Belegschaftsangehörigen dagegen leer aus. „[D]ie Chemie-Branche will keine internen und externen Debatten, welcher steuerfreie Bonus nun angemessen ist“, zitiert die Rheinische Post einen Insider. Der Leverkusener Multi erklärte sich lediglich bei Beschäftigten bestimmter Geschäftsbereiche zu Ausgleichszahlungen bereit.

ERSTE & DRITTE WELT

Doppelte Pestizid-Standards
Das Pestizid-Angebot BAYERs besteht zu 36,7 Prozent aus Mitteln, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Welternährungsorganisation FAO als hochgefährlich einstufen. Allerdings macht der Konzern ebenso wie seine Mitbewerber feine Unterschiede bei der Vermarktung dieser „highly hazardous pesticides“ (HHPs). Während der Anteil der HHPs am Umsatz der Branche in Deutschland „nur“ zwölf Prozent beträgt, liegt er in Brasilien bei 49 und in Indien bei 59 Prozent. So vertreibt der Leverkusener Multi in Brasilien mehr als ein dutzend Agro-Chemikalien, die in der EU wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen keine Zulassung (mehr) haben (siehe auch SWB 1/22).

Immer mehr Pestizide
Der globale Pestizid-Absatz nimmt jährlich um rund vier Prozent zu. Aber trotz der vier Millionen Tonnen, die per anno auf den Feldern landen, ist offenbar noch Luft nach oben: Markt-Be-obachterInnen prognostizieren eine Zuwachs-Rate von 11,5 Prozent bis 2023. Dazu trägt nicht zuletzt der Klimawandel bei, denn die Erderwärmung begünstigt die Vermehrung von Schadinsekten und reduziert gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen. Zu allem Übel verteilt sich der Anstieg nicht gleichmäßig über die Welt. Während die Ausbringung der Ackergifte in Europa von 1999 bis 2019 nur um drei Prozent und in den USA um 3,6 Prozent zulegte, waren es in Asien 28,9 Prozent, in Zentralamerika 38,4 Prozent, in Afrika 71,1 Prozent und in Südamerika 143,5 Prozent.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER verhindert „Build Back Better“
Mit einem billionen-schweren Gesetzes-Paket wollte die Biden-Administration Sozialreformen auf den Weg bringen und die Wirtschaft klima-freundlicher gestalten. Nicht weniger als 3,5 Billionen Dollar sah der „Build Back Better“-Act für bessere Krankenversicherungsleistungen, mehr Kinderbetreuungsangebote, bezahlte Elternzeit, Steuerentlastungen für Familien, erleichterte Hochschul-Zugänge und eine Stärkung der Altenpflege vor. Die 2. Säule umfasste Investitionsanreize für die Industrie zur Umsetzung von Klimaschutz-Maßnahmen in Höhe von 555 Milliarden Dollar. Zur Gegenfinanzierung planten Biden & Co. unter anderem, die von Donald Trump veranlasste drastische Unternehmenssteuer-Senkung wieder etwas zurückzufahren und die Arzneimittel-Preise zu senken. Das passte BAYER natürlich gar nicht (siehe auch SWB 1/22). Auch die anderen Multis zeigten sich „not amused“. Also starteten die Firmen eine Kampagne. Dabei konzentrierten sie sich darauf, die hauchdünne Mehrheit der Demokraten zu unterminieren und Abgeordnete mittels üppiger „Wahlkampf-Hilfe“ aus der Fraktion herauszulösen. Allein der Leverkusener Multi bedachte im laufenden Jahr Josh Gottheimer, Stephanie Murphy und Kurt Schrader mit je 2.500 Dollar und Jim Costa mit 1.000 Dollar. Die konservativen Demokraten-Zirkel „Moderate Democrats“ und „Blue Dog Coalition“ erhielten noch mal je 5.000 Dollar vom Global Player. Das alles zeitigte Erfolge. Dem innerparteilichen Druck geschuldet, musste Joe Biden den „Build Back Better“-Etat von 3,5 Billionen Dollar auf 1,75 Billionen reduzieren. Ein 150 Milliarden Dollar umfassendes Anreiz-Programm zum Umstieg auf erneuerbare Energien fiel ebenso Streichungen zum Opfer wie eine Methan-Abgabe, bezahlte Elternzeit und ein besserer Krankenversicherungsschutz für Angestellte. Aber trotz alledem gelang es nicht, den innerparteilichen Widerstand zu brechen. So gab Biden Anfang 2022 auf. Er will das Maßnahmen-Bündel jetzt wieder aufschnüren, um wenigstens Teile davon zu retten. „Ich glaube, wir können das Paket aufspalten, so viel wie möglich jetzt verabschieden und später für den Rest kämpfen“, sagte er am 19. Januar bei der Pressekonferenz zu seinem einjährigen Amtsjubiläum.

CEFIC vs. Chemikalien-Strategie
Mit immer mehr Chemikalien suchen BAYER & Co. die Welt heim (siehe AKTION & KRITIK). Aus diesen Gründen entschloss sich die Europäische Union zu handeln und brachte im Oktober 2020 eine Chemikalien-Strategie auf den Weg. Diese versteht sich als Teil des „Green Deals“ und beabsichtigt, „den Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien zu erhöhen“. „Wenn wir nichts unternehmen, wird sich die Gesamtzahl der Krebsfälle in der EU bis 2035 voraussichtlich verdoppeln“, mahnte die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Bei den Konzernen läuteten sogleich die Alarm-Glocken. „Für die Chemie- und Pharmabranche und ihre Kunden in nachgeschalteten industriellen Wertschöpfungsketten wird die EU-Chemikalienstrategie massive Auswirkungen haben, wenn sie unverändert umgesetzt werden sollte“, warnte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Der „Handlungspakt“, den der VCI mit dem Bundeswirtschaftsministerium und der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) geschlossen hatte, drang dann darauf, keinesfalls das Vorsorge-Prinzip zur Grundlage der Chemikalien-Strategie zu machen. Zudem müsse alles „primär im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung erreicht werden“, hieß es. In Brüssel steuert der europäische Chemie-Verband CEFIC die Aktivitäten. „In der Darstellung der Vorteile und der negativen Auswirkungen von Chemikalien gibt es immer noch ein erhebliches Missverhältnis“, schrieb er an die Generaldirektion Umwelt der EU. Und im Dezember 2021 forderte die Lobby-Organisation – gestützt auf eine „Studie“ – einen „soliden Übergangsrahmen“ sowie „Anreize“ für die Industrie bei der Suche nach weniger gesundheitsschädlichen Substanzen.

Für immer Online-HVs
Schon lange vor Corona hatten die Konzerne mit Online-Hauptversammlungen geliebäugelt, um sich kritische AktionärInnen besser vom Leib halten zu können. Die Pandemie gab ihnen dann die passende Gelegenheit dazu, was BAYER als erstes DAX-Unternehmen nutzte. Im letzten Herbst erteilten CDU und SPD den Multis die Erlaubnis, auch 2022 wieder ins Internet flüchten zu können. Und die Ampel-Koalition beabsichtigt nun, ihnen diese Option dauerhaft einzuräumen und bereitet eine entsprechende Überarbeitung des Aktiengesetzes vor. Laut Justizministerium „besteht eine erhebliche Erwartung der Praxis, auch weiterhin vom Instrument der virtuellen Hauptversammlung Gebrauch machen zu können“. Per Satzungsänderung, der die AktionärInnen zustimmen müssen, will der ReferentInnen-Entwurf BAYER & Co. den Weg zur Abhaltung virtueller HVs erschließen, erst einmal für die Dauer von fünf Jahren. Ein Hybrid-Modell sehen die Pläne nicht vor – die Ampelkoalition hält es für zu kompliziert. Mit diesem Vorstoß geht eine massive Einschränkung von AktionärInnen-Rechten einher. Zwar heißt es in dem Schriftstück: „Den Aktionären ist in der Versammlung eine Rede-Möglichkeit im Wege der Video-Kommunikation zu gewähren“, allerdings gestatten SPD, Grüne und FDP den Aktien-Gesellschaften, nach Lust und Laune bzw. dem „Prioritätsprinzip“ über Anzahl und Länge der Beiträge zu befinden. „[E]in Anspruch auf Zulassung von Rede-Beiträgen über die festgelegte Anzahl hinaus besteht nicht“, hält der Entwurf fest. Also bleiben den Konzern-KritikerInnen nur Fragen, bei den Nachfragen wird es dann schon schwierig: „Nachfragen, die in keinem sachlichen Zusammenhang zu der vorab eingereichten Frage und zu der Antwort des Vorstands stehen, werden nicht beantwortet.“ Sogar über die Gesamtlänge der Veranstaltung darf der Versammlungsleiter eigenständig befinden. Eine Dauer von vier bis sechs Stunden bringt das Paragrafen-Werk dabei ins Spiel. Nach Einschätzung der Bundesregierung trägt das auch der angeblich geringeren Bedeutung der Hauptversammlung Rechnung. „In der Praxis lässt sich eine zunehmende Verlagerung der Informations- und Entscheidungsprozesse der Hauptversammlung in das Versammlungsvorfeld beobachten“, konstatiert sie: „Das Vorfeld wird das Hauptfeld.“ „Aktionäre erhalten Informationen auch dann, wenn diese aufgrund des Kapitalmarkt-Rechts erfolgen oder darüber hinaus unabhängig vom Versammlungstermin zur Verfügung gestellt werden. Hier können auch die sogenannten ‚Investorengespräche’ eine Rolle spielen“, heißt es in dem Dokument aus dem Hause von Justizminister Marco Buschmann (FDP). Der Politik denkt dabei also hauptsächlich an BLACKROCK & Co. und nicht an die KleinanlegerInnen. Und diese Entwicklung weg von der traditionellen HV will das Gesetz noch beschleunigen, indem es ein Recht schafft, „Stellungnahmen in Textform vor der Versammlung an die Gesellschaft zu übermitteln, die dann allen anderen Aktionären zugänglich zu machen sind. Auch diese Vorschrift dient der Entzerrung der Versammlung, da das Rederecht so teilweise in das Vorfeld der Versammlung verlagert wird.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wird alles in ihren Kräften stehende tun, um gegen diese Beschneidung der Rechte von Konzern-KritikerInnen vorzugehen.

DRUGS & PILLS

XARELTO: risikoreicher als ELIQUIS
PatientInnen, die BAYER-Gerinnungshemmer XARELTO einnehmen, setzen sich mehr Gesundheitsgefährdungen aus als solche, die das Vergleichspräparat ELIQUIS nutzen. Das ergab eine Studie der „Vanderbilt University School of Medicine“. Das Blutungsrisiko liegt bei XARELTO um 41 Prozent höher, das Risiko eines von Blutungen ausgelösten Herzschlages um 26 Prozent und das eines Herzschlages, der auf ein Gerinnsel zurückzuführen ist, um zwölf Prozent. 123.142 Meldungen über Nebenwirkungen des Mittels verzeichnet die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ EMA mittlerweile (Stand: 19.3.22).

Mehr Herz-Erkrankungen durch ASPIRIN
Unermüdlich preist der BAYER-Konzern ASPIRIN als Mittel zur Vorbeugung von Herz-Leiden an. Dabei erhöht das Mittel das Gefährdungspotential für solche Gesundheitsstörungen. Menschen, die den Tausendsassa zur Prophylaxe einnehmen, haben gegenüber denjenigen, die das nicht tun, ein um 26 Prozent höheres Risiko für Herz-Erkrankungen. Das ergab eine Studie der Universität Leiden, die Gesundheitsdaten von 30.827 Menschen aus zwölf Ländern analysiert hatte.

BITS & BYTES

Verkaufsförderung durch FIELDVIEW
Die Digitale Landwirtschaft sammelt mit Hilfe von Drohnen, Sensoren und Satelliten-Bildern Informationen über das Wetter, die Bodenbeschaffenheit, Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten. BAYER gehört mit „FieldView“ zu den größten Anbietern in diesem Bereich. Dem Konzern zufolge hilft das Tool den LandwirtInnen, „Betriebsabläufe und Erträge zu optimieren“. Aber nicht nur das. „Die FIELDVIEWTM -Plattform liefert ihnen wertvolle Erkenntnisse und erhöht zugleich den Absatz von BAYER-Produkten, da die LandwirtInnen die Leistung der Produkte über die digitale Benutzer-Oberfläche erfassen und vergleichen können“, konstatiert der Agro-Riese. Ganz wie KritikerInnen befürchtet haben, tut es die Aktien-Gesellschaft also APPLE & Co. nach und nutzt die „Errungenschaften“ des digitalen Kapitalismus, um bevorzugt die eigenen Erzeugnisse loszuschlagen. Sie liefert sogar gleich die Zahlen dazu: „So hat BAYER in den USA fünf Prozent mehr Maissaatgut an Kunden verkauft, die FIELDVIEWTM Plus nutzen, als an solche, die das System nicht nutzen.“

Vertiefte Kooperation mit HORSCH
BAYERs Digital-Tochter CLIMATE CORPORATION arbeitet bereits seit Längerem mit dem Landwirtschaftstechnik-Hersteller HORSCH zusammen. So ist auf dessen Maschinen der Zugriff auf BAYERs Agrar-Plattform FIELDVIEW vorinstalliert. Diese bietet den Bauern und Bäuerinnen dem Leverkusener Multi zufolge „ein tieferes Verständnis für ihre Felder, damit sie fundiertere Betriebsentscheidungen treffen können, um ihre Erträge zu optimieren, die Effizienz zu optimieren und Risiken zu reduzieren“. Wer dann die Bauernweisheiten 2.0 nutzen will und mit dem Leverkusener Multi ins Geschäft kommt, erhält über eine Apparatur namens FIELDVIEW DRIVE Zugang zu der Plattform. Jetzt vertieften die beiden Partner ihre Zusammenarbeit noch einmal, damit auch Dritte – der Global Player spricht datensicherheitshalber von „einem vertrauenswürdigen agronomischen Partner“ – imstande sind, in den Genuss der Errungenschaften der digitalen Landwirtschaft zu kommen. „Durch diese neue Vereinbarung haben gemeinsame Kunden die Möglichkeit, sich auf neue Weise digital mit ihrem Betrieb zu verbinden. Sie können von ihren HORSCH-Geräten generierte Daten über das Dateneingangstool direkt in ihr FIELDVIEW-Konto hochladen, ohne das FIELDVIEW DRIVE dafür erforderlich ist“, erklärte der Agro-Riese.

Kooperation mit HUTCHINSON
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen HUTCHINSON vereinbart. Die beiden Konzerne beschlossen, ihre beiden Plattformen für die digitale Landwirtschaft – FIELDVIEW und OMNIA – kompatibel zu machen, um einen Daten-Austausch zwischen den beiden Systemen zu ermöglichen.

Das digitale Treibhaus
Die digitale Landwirtschaft sucht nicht nur die Äcker heim, sie macht auch vor den Treibhäusern nicht halt. So sicherte sich der BAYER-Konzern die Dienste des Datenanalyse-Unternehmens PROSPERA, um seine Aktivitäten auf diesen Bereich auszudehnen. Die Tools der israelischen Firma vermögen es nach eigenen Angaben, die Befindlichkeiten der innen gezüchteten Pflanzen datentechnisch zu erfassen und etwa beim Paprika-Anbau „präzise Wassermengen an bestimmten Stellen im Gewächshaus auszubringen“. Zunächst wollen die Partner die Kooperation in Mexiko erproben, das PROSPERA als „einen wichtigen Markt für disruptive Innovationen und die globale Gemüse-Produktion“ bezeichnet.

BAYER kauft BOSCH-Sensoren
BAYERs Geschäftsbereich „Digitale Landwirtschaft“ setzt in Sachen „Gewächshäuser“ nicht mehr nur auf Kooperationen (s. o.), sondern baut auch eine eigene Abteilung dafür auf. Dazu erwarb der Leverkusener Multi von dem Unternehmen BOSCH dessen japanisches Geschäft mit Sensoren für den Gemüseanbau in Treibhäusern. Das PLANTECT-System, das der Hersteller auch als „Greenhouse Guardian“ bezeichnet, erfasst unter anderem die Temperatur, Feuchtigkeit und Licht-Verhältnisse und liefert so Daten zur Steuerung der Zucht.

Mit XAG nach Südost-Asien
Seit Ende 2018 kooperiert BAYER in Sachen „Digitaler Landwirtschaft“ mit dem chinesischen Konzern XAG. So entwickeln beide Multis etwa Drohnen zum Ausbringen von Pestiziden. Mit dieser Technologie wollen die Konzerne nun auch Kleinbauern und -bäuerinnen in Südostasien beglücken. Bereits seit Anfang 2020 unternehmen sie entsprechende Anstrengungen.

Drohnen-Versuche in Indien
Der BAYER-Konzern hat in einem indischen Saatgut-Zentrum nahe Hyderabad Versuche mit der Nutzung von Drohnen zum Ausbringen von Pestiziden gestartet. Er kooperiert dabei mit dem Agrar-Ministerium, Universitäten, Forschungseinrichtungen und GENERAL AERONAUTICS, einem einheimischen Start-Up für Drohnen-Technologie.

Digitale Apfelschorf-Vorhersage
In Indien hat BAYER ein digitales Tool zur Apfelschorf-Vorhersage entwickelt. Anhand weniger Parameter wie der geographischen Lage der Felder, der nächsten Wetterstation sowie Art und Alter der Bäume will der Leverkusener Multi das Risiko für den Befall mit dieser Pilz-Krankheit ermitteln und daraus Empfehlungen zu einem angeblich passgenauen Pestizid-Gebrauch ableiten.

Tests mit BIOME MAKERS
Das Unternehmen BIOME MAKERS hat ein digitales Tool entwickelt, das Daten über die Beschaffenheit des Boden-Mikrobioms und andere für das Pflanzen-Wachstum wichtige Parameter erhebt und auf dieser Basis Empfehlungen zur Zucht gibt. Der BAYER-Konzern ging eine Kooperation mit der Firma ein, um die Wirkungsweise der KI-Apparatur in Abstimmung mit seinem Bio-Fungizid MINUET zu untersuchen. Und siehe da: Bei Feld-Versuchen in Idaho hat die Kombination die Kartoffel-Ernte angeblich um 40 Prozent steigern können.

Vereinbarung mit CLAAS
BAYER hat mit dem Landmaschinen-Hersteller CLAAS eine Kooperation im Bereich der digitalen Landwirtschaft vereinbart. Landwirt

AGRO & CHEMIE

EPA überprüft Dicamba
Das Pestizid Dicamba, das BAYER & Co. hauptsächlich in Kombination mit ihren gen-manipulierten Pflanzen vermarkten, hinterlässt in den USA eine Spur der Verwüstung. Zahlreiche Landwirt

71 Notfall-Zulassungen
„Wenn eine Gefahr anders nicht abzuwehren ist, kann das ‚Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit’ kurzfristig das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung und für maximal 120 Tage zulassen“, heißt es auf der Webpage der Behörde. 71 dieser Notfall-Zulassungen gewährte das BVL im Jahr 2021. Zumeist handelt es sich dabei um die Erlaubnis, die Pestizide in weiteren Kulturen gegen Schadinsekten oder Wildpflanzen nutzen zu können. So verhielt es sich auch bei dem BAYER-Insektizid MOVENTO SC 100. Gleich vier Mal genehmigte das Bundesamt eine Ausweitung der Anwendungszone. So durften die bundesdeutschen LandwirtInnen das Mittel mit dem Wirkstoff Spirotetramat zusätzlich gegen die Maulbeer-Schildlaus, die Hopfen-Blattlaus, den Birnenblatt-Sauger, die Napfschildlaus und zahlreiche weitere Tiere einsetzen. Des Weiteren erhielt LUNA SENSATION (Wirkstoffe: Trifloxystrobin und Fluopyram) eine Sondergenehmigung zum Einsatz gegen Echten Mehltau in Hopfen und SENIC GOLD (Fluopicolide, Fluoxastrobin) eine gegen Auslauf-Krankheiten im Winterraps.

Kaum Pestizid-Forschung
BAYER & Co. konzentrieren ihre Forschungsausgaben im Landwirtschaftssegment auf Saatgut und Gentech, den Pestizid-Bereich vernachlässigen sie hingegen. Waren im Jahr 2000 noch 70 Prozent der Agro-Chemikalien auf dem Markt jüngeren Datums und darum patentgeschützt, so schrumpfte die Zahl bis heute auf 15 Prozent. Die Konzerne scheuen den Aufwand für die strenger gewordenen Zulassungsauflagen. Sie stützen sich lieber auf ihre Uralt-Gifte, obwohl ein großer Bedarf an ungefährlicheren Mitteln besteht.

Notfall-Zulassungen in der EU
Auch andere europäische Länder erteilen Pestiziden Notfall-Genehmigungen. Dabei schrecken einige nicht einmal davor zurück, bereits auf den Index gesetzte Agro-Chemikalien wie etwa BAYERs Saatgut-Beizmittel GAUCHO aus der Gruppe der Neonicotinoide kurzzeitig wieder zuzulassen. Dänemark und Frankreich haben dem Mittel mit dem Wirkstoff Imidacloprid, das die Europäische Union wegen seiner Bienengefährlichkeit im Jahr 2018 aus dem Verkehr gezogen hatte, bereits 2022 wieder Notfall-Zulassungen erteilt. Weitere „emergency autorisations“ erhielten heuer neben MOVENTO (s. o.) SERENADE und PROPULSE.

Krebs-Gefahr durch Glyphosat
im Jahr 2015 hat die Weltgesundheitsorganisation Glyphosat nach Auswertung der relevanten Studien als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Eigentlich könnten die WissenschaftlerInnen also auf neue Untersuchungen verzichten und den Versuchstieren so viel Leid ersparen. Das aber geschieht nicht. So veröffentlichte das Londoner King’s College eine weitere Expertise, welche abermals die karzinogene Wirkung des Herbizids belegt. So löst das Mittel in den Zellen einen das Tumor-Risiko erhöhenden oxidativen Stress aus. Allein in der Leber beeinflusst Glyphosat 20 Gene, die verkaufsfertige Formulierung ROUNDUP sogar 100. Konkret greifen Wirksubstanz und Endprodukt in die Arbeit der miRNA-Botenstoffe ein, die eine wichtige Steuerungsfunktion erfüllen. „Die miRNAs, deren Spiegel in Leber-Proben durch Glyphosat und ROUNDUP MON52276 verändert wurden, sind nachweislich an der Entstehung von Krebs beteiligt“, konstatieren die ForscherInnen.

Immer mehr Glyphosat-Resistenzen
Immer mehr Wildpflanzen haben sich mit der Zeit auf die Glyphosat-Sprühungen eingestellt und Resistenzen ausgebildet. Mittlerweile beläuft sich die Zahl dieser Gewächse auf 53. Unter anderem trotzen das Kanadische Berufkraut und bestimmte Amaranth-Arten dem Mittel.

Glyphosat-Marktvolumen: 7,8 Mrd.
Nach Angaben des Pestizid-Atlas’ belief sich 2020 der weltweite Umsatz der Konzerne mit Glyphosat auf 7,8 Milliarden Dollar. Einen nicht ganz kleinen Anteil daran dürfte BAYER haben. Die Agro-Chemikalie findet nämlich hauptsächlich in Kombination mit Gentech-Pflanzen, die auf das Produkt abgestimmt sind, Verwendung, und zu deren Hauptlieferanten zählt der Leverkusener Multi. Im Geschäftsjahr 2021 setzte er mit Glyphosat als Top-Seller und anderen Antiunkrautmitteln 5,3 Milliarden Euro um. „Positiv bemerkbar machten sich bei den Herbiziden vor allem Preis-Steigerungen bei den glyphosat-haltigen Produkten“, vermeldete der Agro-Riese bei der Vorstellung der Bilanz-Zahlen.

SNCF verzichtet auf Glyphosat
Die Eisenbahn-Unternehmen zählten lange zu den Hauptabnehmern von Glyphosat. Seit einiger Zeit denken sie jedoch um. Die DEUTSCHE BAHN entwickelte im Jahr 2019 einen Ausstiegsplan und will bis 2023 ganz auf das Mittel verzichten. Und am 30. Dezember 2021 verkündete ihr französisches Pendant, die SNCF, einen sofortigen Glyphosat-Bann. Bisher hatte die Gesellschaft auf ihren Gleisanlagen alljährlich bis zu 38 Tonnen des Herbizids versprüht, so viel wie kein anderer Großkunde in dem Land. Dem Webportal Sustainable Pulse zufolge hat diese Entscheidung bei BAYER & Co. Schockwellen ausgelöst.

Erneuter Glyphosat-Lieferengpass
Im letzten Sommer konnte der BAYER-Konzern die Glyphosat-Nachfrage nicht bedienen, weil der Hurrikan Ida die Produktion am US-amerikanischen Standort Luling lahmlegte. Im Februar 2022 nun gibt es wieder Probleme. „Kürzlich kam es bei einem Lieferanten eines Rohstoffs, der für die Herstellung von Glyphosat benötigt wird, zu einem technischen Problem, der sich kurzfristig auf unsere Produktion des aktiven Wirkstoffs von Glyphosat auswirken könnte“, gab der Agro-Riese bekannt. China stellt ebenfalls weniger von dem Herbizid her. Da die Gewinnung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor die Umwelt extrem belastet, hatte das Land im letzten Jahr eine Drosselung der Fabrikation beschlossen. Auch bei anderen Pestiziden treten Lieferengpässe auf, weshalb die Preise drastisch anziehen.

Seekühe mit Glyphosat belastet
In den Gewässern Floridas finden sich Rückstände von Glyphosat und dessen Abbau-Produkt AMPA, wie eine ForscherInnen-Gruppe um Maite De Maria herausgefunden hat. Unter anderem fanden die WissenschaftlerInnen Spuren des Herbizids im Organismus von Seekühen. Zusammen mit anderen Umwelt-Belastungen könnte dies das Immunsystem der Meeressäuger schädigen, warnen De Maria & Co. Darum fordern sie regelmäßige Glyphosat-Messungen in Seen und Flüssen.

GENE & KLONE

Indien: neue Gentech-Baumwolle
Indien erlaubt es nicht, Saaten, Pflanzen oder Tiere zum geistigen Eigentum von Personen oder Unternehmen zu erklären. Deshalb sah sich die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO dort in Sachen „Genpflanzen“ mit langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzungen über Patente und Lizenz-Gebühren konfrontiert. Als Konsequenz daraus erklärte das Unternehmen Ende 2016, in dem Land keine neuen Laborfrüchte mehr zu vermarkten. Andere Agro-Riesen schlossen sich dem Boykott an. Im Frühjahr 2021 jedoch endete ein Rechtsstreit des Unternehmens, das seit 2018 zum Leverkusener Multi gehört, mit einer indischen Firma jedoch in gütlichem Einvernehmen. Und siehe da: Schon im Winter des Jahres stellte der Global Player einen Antrag auf Zulassung einer neuen gen-manipulierten Baumwoll-Sorte.

WASSER, BODEN & LUFT

3,17 Millionen Tonnen CO2
Im Geschäftsjahr 2021 stieß der BAYER-Konzern 3,17 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus. Gegenüber 2020 sank der Wert um 410.000 Tonnen. „Dazu trug bei, dass der Konzern im Jahr 2021 Verträge über rund 600.000 Megawatt-Stunden Strom aus Erneuerbaren Energien abschloss und damit den Anteil im Strom-Mix auf etwa ein Viertel erhöhte“, erklärt der Global Player. Beim selbst erzeugten Strom tat sich hingegen wenig. Die direkten Treibhausgas-Emissionen, für die vor allem die Agrar-Sparte verantwortlich zeichnet, sanken lediglich von 2,01 Millionen Tonnen auf 1,93 Millionen Tonnen. Vor allem der Produktionsprozess von Glyphosat erweist sich als sehr klima-schädlich. Der Leverkusener Multi drückt das etwas verklausuliert so aus: „Besonders energie-intensiv ist unsere Rohstoff-Gewinnung einschließlich Aufbereitung und Weiterverarbeitung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten von Crop Science.“ Dementsprechend ging auch der Primärenergie-Einsatz nicht zurück. Und zu allem Übel stieg dabei auch noch der Kohle-Anteil um 7,4 Prozent auf 608 Terrajoule.

BAYERs Stromrechnung
In der Investoren-Konferenz zur Veröffentlichung der BAYER-Geschäftszahlen für das Jahr 2021 gab der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann auch an, wie hoch die Energie-Kosten des Leverkusener Multis sind. Sie belaufen sich auf rund 500 Millionen Euro.

Ein bisschen Emissionshandel
„Ein wirtschaftliches Instrument, mit dem man Umweltziele erreichen will“ – so beschrieb die FAZ einmal den 2005 EU-weit eingeführten Handel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten. Nach dessen Bestimmungen dürfen die Multis nur bis zu einer bestimmten Obergrenze Kohlendioxid ausstoßen, für darüber hinausgehende Kontingente müssen sie Verschmutzungsrechte hinzukaufen. Das sollte sie dazu animieren, sauberere Modelle der Energie-Versorgung zu etablieren. Die Lenkungswirkung hält sich dank des Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. aber arg in Grenzen. So bekamen die Konzerne jahrelang viel zu viele Zertifikate umsonst zugeteilt. Überdies fallen nur Kraft- und Heizwerke unter die Regelung, Fertigungsstätten bleiben indessen verschont. Darum braucht der Leverkusener Agro-Riese kaum Emssionshandel zu betreiben. Mit lediglich fünf Anlagen, die für noch nicht einmal für zehn Prozent seines jährlichen CO2-Ausstoßes von 3,17 Millionen Tonnen sorgen, war er im Geschäftsjahr 2021 dabei.

CO2-Kompensation statt -Reduktion
Eigentlich gibt es nur einen Weg, den Klimawandel einzudämmen: die Reduktion des Stromverbrauchs und den Umstieg auf erneuerbare Energie-Träger. BAYER & Co. ist aber noch etwas anderes eingefallen. Sie wollen ihre CO2-Emissionen nicht nur reduzieren, sondern auch kompensieren, also das, was ihre Produktionsanlagen so absondern, an anderer Stelle wieder ausgleichen. Der Leverkusener Multi hat sich zwar vorgenommen, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden, die Senkung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase soll dazu aber nur zu 42 Prozent beitragen. Den Rest sollen andere Maßnahmen erbringen wie z. B. Investitionen in Wiederaufforstungsvorhaben. Um 300.000 Tonnen CO2 hat der Global Player seine Klima-Bilanz auf diese Weise im Geschäftsjahr 2021 durch entsprechende Projekte in Brasilien, Nicaragua, Indonesien und Uganda schon aufhübschen können; 2020 kamen 200.000 Tonnen dabei rum. Bis der Effekt sich allerdings auch anderswo als nur auf dem Papier einstellt und die Bäumchen, die BAYER pflanzt, sich wirklich positiv auf das Klima auswirken, dürften jedoch noch so einige Jahrzehnte ins Land ziehen. Und Menschen, die in der Nähe der Dreckschleudern leben müssen und dadurch ihre Gesundheit ruinieren, nützen Wälder in anderen Ländern herzlich wenig.

ODS-Ausstoß sinkt
Im Geschäftsjahr 2021 haben die BAYER-Werke weniger ozon-abbauende Stoffe (ODS) ausgestoßen als 2020. Der Wert für die ODS sank von 4,3 Tonnen auf 3,9 Tonnen. Bisher sorgten immer die Uralt-Dreckschleudern des Konzerns im indischen Vapi für den Großteil des Ausstoßes. Er doktert zwar schon seit über 15 Jahren an den Anlagen herum, aber neuerliche Sanierungsmaßnahmen scheinen jetzt erst zu greifen. „Emissionsreduktionsmaßnahmen am Standort Vapi“ gibt der Leverkusener Multi in seinem Nachhaltigkeitsbericht als Grund für die ODS-Reduktion an.

Enormer Wasserverbrauch
BAYERs Wasser-Verbrauch ging im Geschäftsjahr 2021 kaum zurück. Er belief sich auf 55 Millionen Kubikmeter (2020: 57 Millionen Kubikmeter). Zu allem Übel erstreckt sich der enorme Durst des Agro-Riesen auch noch auf Gebiete, die unter Wasser-Mangel leiden. „Etwa 5,8 % unseres Gesamtwasser-Einsatzes entstammt wasserarmen bzw. von Wasser-Knappheit bedrohten Regionen“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht. Und Verbesserungen gibt es da nicht. Wie 2020 nutzte das Unternehmen in diesen Territorien drei Millionen Kubikmeter.

Zahlenspiele bei der Luftverschmutzung
Die Beurteilung von BAYERs Angaben zur Verschmutzung der Luft fällt schwer, da sich die Methoden zur Bestimmung des Ausmaßes geändert haben. Die Berechnung „mit aktualisierten Faktoren“ führte zumeist zu besseren Werten. So sank der Ausstoß von Stickoxiden von 4.160 Tonnen auf 3.570 Tonnen, der von Schwefeloxiden von 1.320 Tonnen auf 1.280 Tonnen, der von Staub von 2.290 Tonnen auf 2.050 Tonnen und der von flüchtigen organischen Substanzen (VOC) von 690 Tonnen auf 430 Tonnen. Aber wenn die staatlichen Behörden andere Vorgaben zur Ermittlung der Luft-Verpestungen machen, wie z. B. bei der Herstellung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor, ändert sich das Bild. Da steigt dann der Kohlenmonoxid-Ausstoß schnell mal um 1.500 Tonnen auf nunmehr 2.660 Tonnen. „Die Kohlenmonoxid-Emissionen aus einem Brennofen in Soda Springs, USA mussten aufgrund lokaler regulatorischer Vorgaben mit einem höheren Emissionsfaktor berechnet werden“, heißt es dazu im Nachhaltigkeitsbericht lapidar.

25 Millionen Liter Abwasser
Trotz des etwas gesunkenen Wasser-Bedarfs des Leverkusener Multis im Jahr 2021 kam am Ende genauso viel aus den Abfluss-Rohren heraus wie 2020. Die Einleitungen in die Gewässer summierten sich auf 25 Millionen Kubikmeter.

Höhere Phosphor-Einleitungen
Im Jahr 2021 leitete BAYER mehr Phosphor in die Gewässer ein als 2020. Von 380 auf 510 Tonnen stieg der Wert. „[E]ine höhere Produktionsauslastung am Standort Carmacari, Brasilien“ gibt der Leverkusener Multi als Grund dafür an.

Mehr Anorganische Salze im Wasser
Im Jahr 2021 trug der BAYER-Konzern mehr Anorganische Salze in die Gewässer ein als 2020. Von 151.000 Tonnen auf 172.000 Tonnen erhöhte sich die Menge.

Mehr Schwermetalle im Wasser
Im Geschäftsjahr 2021 leitete BAYER mehr Schwermetalle in die Gewässer ein als 2020. Von 2,6 Tonnen auf 3,2 Tonnen stieg der Wert.

Weniger Stickstoff im Wasser
2021 sanken BAYERs Stickstoff-Einträge in die Gewässer gegenüber dem Vorjahr um 120 Tonnen auf 360 Tonnen. Der Grund dafür ist allerdings profan. „Der Stillstand einer Anlage am Standort Dormagen, Deutschland, führte zu einer um 24,5 % gesunkenen Einleitung von Stickstoff“, vermeldet der Nachhaltigkeitsbericht.

Weniger TOCs im Wasser
Im Jahr 2021 leitete BAYER weniger gebundene organische Kohlenstoffe (TOCs) in die Gewässer ein als 2020. Von 1.540 auf 1.280 Tonnen reduzierten sich die Abwasser-Frachten. „[E]ine verbesserte Abwasser-Analytik am Standort Camacari, Brasilien“ macht der Konzern in seinem Nachhaltigkeitsbericht dafür verantwortlich.

Glyphosat verunreinigt Gewässer
BAYERs Total-Herbizid Glyphosat kontaminiert spanische Gewässer. Zu diesem Ergebnis kam die Studie „Contamination by glyphosate in the aquatic environment“, welche die ECOLOGISTAS EN ACCIÓN in Auftrag gegeben hatten. Die WissenschaftlerInnen wiesen das Pestizid in 31 Prozent der Flüsse und Seen nach. Auf das Glyphosat-Abbauprodukt AMPA stießen sie sogar in 42 Prozent der Proben. Die Konzentrationen der Substanzen überstiegen die Grenzwerte um 22 bzw. 17 Prozent. Sogar im Grundwasser fanden die ForscherInnen noch Spuren der Agro-Chemikalie. Die Ecologistas forderten die Politik auf, aus den Ergebnissen der Untersuchung Konsequenzen zu ziehen und Glyphosat zu verbieten.

Mehr Abfall
Im Geschäftsjahr 2021 produzierte BAYER mehr Abfall als 2020. Von 940.000 Tonnen auf 998.000 Tonnen stieg die Zahl. „Dies lag insbesondere daran, dass an mehreren Standorten in Lateinamerika die Saatgut-Produktion erhöht wurde und so größere Mengen an pflanzlichen Nebenprodukten entsorgt wurden“, gibt der Konzern zur Begründung an. Zu allem Übel fiel beim Leverkusener Multi auch mehr gefährlicher Müll an. Das Aufkommen wuchs „durch Bau- und Sanierungstätigkeiten am Standort Berlin“ von 305.000 Tonnen auf 313.000 Tonnen an.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Tödlicher Arbeitsunfall in Dormagen
Am 09.12.2021 kam es am BAYER-Standort Dormagen zu einem tödlichen Arbeitsunfall. Bei Reinigungsarbeiten an ausgebauten Anlage-Teilen verwechselte ein Angestellter einer Fremdfirma einen Anschluss-Stutzen, so dass er statt Wasser Natronlauge freisetzte und eine tödliche Verätzung erlitt. Zwei seiner Kollegen sowie drei Rettungskräfte kamen ebenfalls mit dem Stoff in Berührung und mussten im Krankenhaus behandelt werden.

Schwefelsäure tritt aus
Am 03.07.21 kam es am US-amerikanischen BAYER-Standort Luling, wo der Konzern Glyphosat produziert, zu einer Freisetzung von Schwefelsäure. Die Substanz geriet durch eine Leckage am Tank ins Freie.

Freisetzung von Erdgas
Am 15.12.21 geriet am US-amerikanischen BAYER-Standort Muscatine Erdgas in die Umwelt, „als eine Verbrennungsfackel nicht ordnungsgemäß zündete“, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.

ÖKONOMIE & PROFIT

44 Milliarden Euro Umsatz
Im Geschäftsjahr 2021 stieg der Umsatz von BAYER um 8,9 Prozent auf 44 Milliarden Euro. Übrig blieb davon allerdings etwas weniger als im letzten Jahr. Der Gewinn sank um 2,5 Prozent auf 11,12 Milliarden Euro. „Höhere Herstellungskosten und erhebliche negative Währungseffekte“ machte das Unternehmen dafür verantwortlich.

Aufspaltungsgerüchte
Die MONSANTO-Übernahme hat sich für BAYER wegen der millionenschweren Schadensersatz-Prozesse in Sachen „Glyphosat“ als ein Desaster erwiesen. Dementsprechend schlecht stehen die Aktien. Deshalb fordern viele InvestorInnen die Aufspaltung des Konzerns, und es scheint sich in der Sache auch etwas zu tun. In der zweiten Februar-Woche vermeldete die Rheinische Post „Unruhe in Leverkusener Konzern“ und schrieb: „Denn in der Gerüchte-Küche der Stadt, speziell in Richtung BAYER-Zentrale im Chem‚park’, brodelt es. Kernsatz: ‚BAYER spaltet sich auf’. Es habe hinter verschlossenen Türen Gespräche diesbezüglich gegeben. Die Stimmung sei schlecht, heißt es aus dem Umfeld.“ Ehe der Leverkusener Multi nicht zu einer Einigung mit den Glyphosat-Geschädigten gekommen ist, dürfte es allerdings ruhig bleiben. Dann aber könnte es losgehen. „Nach Abschluss der gerichtlichen Auseinandersetzungen um Glyphosat gibt es keinen besonderen Grund mehr, das Gesundheits- und Agrargeschäft als ein Gesamt-Unternehmen weiterzuführen. Eine Aufspaltung wäre aus Sicht vieler Aktionäre sinnvoll“, so das Fazit der 70-seitigen Studie des Finanz-Analysten Christian Faitz. Wie sinnvoll, hat die Investmentbank GOLDMAN SACHS ausgerechnet. Auf 26 Milliarden Dollar beziffert sie den Mehrwert einer Zerschlagung. Auch intern gehen nach Informationen des Manager-Magazins nicht wenige von einer Trennung beider Bereiche aus. „Viele hoffen, dass sie sich in die Frühverrentung retten können, bevor der Konzern zerschlagen und sie samt Arbeitsplatz verkauft werden“, zitiert die Zeitschrift einen BAYER-Manager: „Und das Schlimmste ist, dass es für diese No-Future-Stimmung nur allzu gute Gründe gibt.“ Der Global Player allerdings dementiert entsprechende Gerüchte stets. Aktuell verweist er dabei auf das gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsrat beschlossene Zukunftskonzept. „Das Zukunftskonzept enthält ein klares Bekenntnis zu einem integrierten Unternehmen mit seinen drei Divisionen Cropscience, Pharmaceuticals und Consumer Health“, erklärte der Konzern. Allerdings liegt heutzutage die Zukunft von Firmen nicht in den eigenen Händen, sondern in denen von BLACKROCK & Co.

IMPERIUM & WELTMARKT

Verkauf von „Environmental Science“
Die Risiken und Nebenwirkungen des MONSANTO-Deals mit seiner Klage-Flut in Sachen „Glyhosat“ ließ die BAYER-Aktie 2018 dauerhaft abstürzen, was die Finanzmärkte nervös machte. BLACKROCK & Co. mahnten Handlungsbedarf an – und der Global Player lieferte. Er gab die Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen bekannt. Zudem verkaufte das Unternehmen in der Folge die „Animal Health“-Sparte, seine Anteile an dem Chem„park“-Betreiber CURRENTA sowie die Sonnenschutz-Mittel der COPPERTONE-Reihe und die Fußpflege-Präparate der Marke DR. SCHOLL’S. Aber das reichte nicht. Ende September 2020 kündigte der Leverkusener Multi ein weiteres, 1,5 Milliarden Euro schweres Spar-Paket an, das auch zusätzliche Veräußerungen von Unternehmensteilen nicht ausgeschloss. Im Februar 2021 gab BAYER dann bekannt, sich von der Sektion „Environmental Science“ mit den Pestiziden für nicht-landwirtschaftliche Bereiche wie Forstwirtschaft, öffentliche Grünanlagen, Golfplätze und Gleis-Anlagen trennen zu wollen. Und rund ein Jahr später verscherbelte der Agro-Riese die Abteilung für 2,6 Milliarden Dollar an den Finanzinvestor CINVEN, um seine Schuldenlast (Ende 2021: 33 Milliarden Euro) etwas abzutragen. Rund 800 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns vernichtete er damit.

RECHT & UNBILLIG

Supreme Court entscheidet nicht
Ende Mai 2021 ließ der BAYER-Konzern die Glyphosat-Vergleichsverhandlungen platzen (siehe SWB 3/21). Nach der Ablehnung seines Vorschlages zur Beendigung der juristischen Auseinandersetzungen durch den zuständigen Richter Vince Chhabria mochte der Agro-Riese keinen weiteren mit Nachbesserungen – vor allem im Umgang mit Klagen von neuen Geschädigten – mehr vorlegen. Stattdessen setzte der Global Player jetzt vor allem darauf, ein Grundsatz-Urteil des Obersten Gerichtshof der USA zu seinen Gunsten in der Sache zu erzwingen, „wodurch die Rechtsstreitigkeiten zu Glyphosat in den USA weitgehend beendet würden“. Dafür sieht er gute Chancen, denn in dem Gremium sitzen keine Geschworenen, die sich seiner Meinung nach nur von ihren Gefühlen leiten ließen, sondern BerufsrichterInnen, noch dazu mehrheitlich von den Republikanern ernannt. Der Leverkusener Multi hält die juristische Auseinandersetzung für eine Bundesangelegenheit, die in die Zuständigkeit des Supreme Courts fällt, weil die „Environment Protection Agency“ (EPA) als Bundesbehörde die Agro-Chemikalie bundesweit zugelassen und ihr Unbedenklichkeit bescheinigt habe. Darum ersuchte der Agro-Riese das Gericht im August 2021, ein von ihm als mangelhaft empfundenes Urteil zu überprüfen, das eine untere Instanz in dem Verfahren „Hardeman vs. MONSANTO“ gegen die BAYER-Tochter gefällt hatte. „Die Fehler des Ninth Circuit bedeuten, dass ein Unternehmen für die Vermarktung eines Produkts ohne Krebs-Warnung hart bestraft werden kann, obwohl es nahezu universellen wissenschaftlichen und regulatorischen Konsens darüber gibt, dass das Produkt nicht krebserregend ist und die verantwortliche Bundesbehörde eine solche Warnung sogar verboten hat“, heißt es in dem Antrag. Darüber hinaus hat der Ninth Circuit nach Ansicht der Aktien-Gesellschaft ExpertInnen zugelassen, die dieses Etikett nicht verdienen, was „zu unfundierten Aussagen geführt hat“. Doch der Supreme Court mochte in der Sache nicht entscheiden. Er bat stattdessen die US-Regierung um eine Rechtshilfe leistende Stellungnahme.

Noch 31.000 Glyphosat-Klagen
BAYER hat mit 107.000 der 138.000 Glyphosat-Geschädigten, die gerichtliche Schritte gegen das Unternehmen eingereicht hatten, eine Einigung erzielt bzw. deren Ansprüche zurückgewiesen (Stand 1. Februar 2022). 31.000 Verfahren sind noch offen. Derzeit kommen nach Angaben des Konzerns kaum noch neue Klagen hinzu, was er darauf zurückführt, dass die großen Kanzleien nicht mehr mit Werbe-Anzeigen nach Glyphosat-Betroffenen suchen. Eine nicht kleine Rolle bei der Entwicklung dürfte auch das Kleingedruckte der bisherigen Vereinbarungen spielen. Darin verpflichteten sich die Rechtsanwaltsbüros nämlich, keine neuen Fälle mehr anzunehmen. Neuerkrankte haben es deshalb inzwischen schwer, juristischen Beistand zu finden.

Musterklage von AktionärInnen
In Deutschland müssen sich die Gerichte bald mit einer Musterklage von 320 BAYER-AktionärInnen beschäftigten. Sie legen dem Leverkusener Multi zur Last, beim MONSANTO-Kauf die juristischen Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat nicht ausreichend in Erwägung gezogen und durch diese Verletzung der Sorgfaltspflichten für einen Absturz der Aktie des Unternehmens gesorgt zu haben. Verluste in Höhe von 2,2 Milliarden Euro machen die AnlegerInnen geltend. Mitte Dezember 2021 gab das Landgericht Köln einem Antrag der Kanzlei TILP statt, in dieser Sache ein Kapitalanleger-Musterverfahren einzuleiten. Der Global Player erkennt die Ansprüche selbstredend nicht an. „Wir halten die Klagen wegen angeblich fehlerhafter Kapitalmarkt-Kommunikation im Zusammenhang mit der MONSANTO-Akquisition für unbegründet“, erklärte ein Unternehmenssprecher. Eine zweite Musterklage gegen BAYER bereiten zurzeit die JuristInnen von HAUSFELD vor.

USA: AktionärInnen verlieren
Auch in den USA verklagten AktionärInnen den BAYER-Konzern, weil dieser bei der Prüfung des MONSANTO-Kaufs Prozess-Risiken in Sachen „Glyphosat“ nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hat (s. o.). Sie begründeten die Wahl des Gerichtstandes New York damit, dass der Leverkusener Multi die Durchsicht der MONSANTO-Bücher in dieser Stadt vorgenommen habe und so einige dort angesiedelte Banken und JuristInnen in die Abwicklung der Übernahme involviert waren. Überdies verwiesen die VertreterInnen der Aktien-HalterInnen darauf, dass das deutsche Rechtssystem es sehr schwer mache, juristische Auseinandersetzungen dieser Art zu führen. Der zuständige Richter ließ das jedoch nicht gelten und entschied zu Gunsten des Leverkusener Multis. „[E]in wichtiger Schlag für die Effizienz der Justiz und die internationale Verständigung“, jubilierte die Anwaltskanzlei des Agro-Riesen: „Es könnte die Totenglocke für die Kampagne der Klägeranwälte läuten, New York zum bevorzugten Forum für internationale Aktionärsklagen zu machen“.

Rentenkassen dürfen klagen
In den USA haben zwei Rentenkassen, die BAYER-Aktien halten, gerichtliche Schritte gegen den Leverkusener Multi eingeleitet. Das „City of Grand Rapids Police & Fire Retirement System“ und „City of Grand Rapids General Retirement System“ aus Michigan werfen dem Global Player vor, bei der Prüfung der MONSANTO-Übernahme möglichen Prozess-Risiken durch Glyphosat-Geschädigte nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Dabei beriefen sie sich auf den „Securities and Exchange Act“, ein Börsengesetz aus dem Jahr 1934, das AnlegerInnen vor Betrug schützen soll. Der Global Player stellte den Antrag, die Sammelklagen abzulehnen, kam damit aber nicht durch. Im November 2021 entschied der „U.S. District Court for the Northern District of California“ gegen BAYER und ließ die Klage zu Gericht gehen. Nach Ansicht des Richters Richard Seeborg hatten die beiden Versorgungseinrichtungen den Verdacht auf Verstöße gegen die Abschnitte 10(b) und 20(a) des „Securities and Exchange Acts“ in angemessener Weise begründet.

Einigung mit Glyphosat-Klägerin
Am 5. Oktober 2021 hatte der Leverkusener Multi erstinstanzlich einen Schadensersatz-Prozess in Sachen „Glyphosat“ gewonnen. Der „Superior Court of the State of California“ in Los Angeles wies die Klage von Destiny Clark ab, die das Herbizid für die Lungenkrebs-Erkrankung ihres 10-jährigen Sohnes Ezra verantwortlich gemacht hatte. Obwohl die Familie die Agro-Chemikalie über Jahre hinweg in ihrem Garten versprüht hatte, konnten die Geschworenen keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Ausbringung und Ezras „Non-Hodgkin-Lymphom“-Diagnose im Alter von vier Jahren erkennen. Deshalb kündigten die AnwältInnen dann auch an, das Urteil anfechten zu wollen. Zu einer Neuauflage des Prozesses kommt es jedoch nicht. BAYER bot eine außergerichtliche Einigung an, welche die Clarks akzeptierten. Über die genauen Konditionen wurde Stillschweigen vereinbart.

Wiederholungstäter BAYER
Die Inseln des US-Bundesstaates Hawaii haben sich zu einem riesigen Freiluft-Labor für die Agro-Riesen entwickelt. Auch die nunmehrige BAYER-Tochter MONSANTO unterhält dort eine Forschungsanlage. Im Jahr 2014 testete sie dort das wegen seiner extremen Giftigkeit verbotene Pestizid Penncap-M. Dabei setzte das Unternehmen auch die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel. Sie mussten nämlich schon eine Woche nach dem Sprüh-Einsatz auf den Feldern nachsehen, wie die Agro-Chemikalie gewirkt hat, obwohl die Vorschriften dafür die Frist von einem Monat setzen. Darum verurteilte ein Gericht in Honolulu den Leverkusener Multi im Jahr 2019 zu einer Strafe in Höhe von zehn Millionen Dollar. Abschreckend wirkte dies aber offenbar nicht. In weiteren 30 Fällen ließ der Leverkusener Multi ArbeiterInnen vorzeitig auf die Äcker. Zudem mochte er die Finger immer noch nicht von Penncap-M lassen und verstieß überdies gegen Vorschriften zur Pestizid-Lagerung. Darum verhängte ein Gericht jetzt eine Strafe von zwölf Millionen Dollar und legte eine Bewährungsfrist von drei Jahren fest, in welcher der Konzern sich nichts weiter zu Schulden kommen lassen darf. Zudem muss er das „Umwelt-Compliance-Programm“ weiterführen. „Das Unternehmen hat wiederholt gegen Gesetze im Zusammenhang mit stark regulierten Chemikalien verstoßen und die Menschen Pestiziden ausgesetzt, die schwere Gesundheitsprobleme verursachen können“, hielt Staatsanwältin Tracy L. Wilkison bei der Urteilsverkündung fest.

Entschädigung für Glyphosat-KundInnen
Wenn BAYER uns ordnungsgemäß über die Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat informiert hätte, wären wir nie auf die Idee gekommen, das Mittel zu kaufen – mit dieser Begründung forderten US-amerikanische SammelklägerInnen vom Leverkuser Multi ihr Geld zurück. Der Global Player sah keine Möglichkeit, den Rechtsstreit zu gewinnen und stimmte im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung der Zahlung von 23 bis 45 Millionen Dollar zu.

BAYER muss Steuern nachzahlen
Die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO hatte im Jahr 2004 die schweizer Stadt Morges als Standort für ihre Europa-Zentrale gewählt. Der zuständige Kanton Waadt hatte nämlich mit Steuererleichterungen gelockt, wenn das Unternehmen mindestens 20 Jahre bleibt. So zahlte der Agro-Riese dann bis 2014 weder Kantons- noch Gemeindesteuern und nur die Hälfte der sonst üblichen Bundessteuern. Die Gesellschaft hielt sich allerdings nicht an die Bedingungen. Sie verkleinerte den Standort immer mehr und verließ ihn 2020 – nun schon unter der Ägide von BAYER stehend – schließlich ganz. Deshalb erhob der Kanton Steuer-Nachforderungen. Der Leverkusener Multi klagte dagegen, erlitt jedoch eine Niederlage. Das Bundesgericht in Lausanne verurteilte ihn zu einer Nachzahlung von 34 Millionen Franken.

TESTBIOTECH verklagt die EU
Im Januar 2021 erteilte die EU-Kommission acht Import-Genehmigungen für Genpflanzen. Die Initiative TESTBIOTECH kritisierte das scharf. Nach Ansicht des „Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie“ nahm es die EU nämlich mit der Begutachtung nicht allzu genau. Darum forderte die Organisation unter anderem eine Überprüfung der Entscheidungen für zwei BAYER-Produkte: den Mais MON 87427 x MON 87460 x MON 89034 x MIR 162 x NK 603 und das Soja MON87751 x MON87701 x MON87708 x MON89788. Da die Kommission das ablehnte, reichte TESTBIOTECH eine Klage ein. Die Gentech-KritikerInnen ziehen etwa in Zweifel, ob die gegen Glyphosat resistente Mais-Pflanze wirklich – wie von BAYER behauptet – Trockenheit trotzt. „[W]ie eine detaillierte Prüfung der Antragsunterlagen zeigt, wurde der Mais nie unter den entsprechenden Bedingungen getestet. In den Freisetzungsversuchen wurden die Felder stattdessen bei Bedarf bewässert. Zudem wurden beim Anbau der Pflanzen nur rund 900 Gramm Glyphosat pro Hektar eingesetzt und nicht über drei Kilogramm, wie es in der Praxis die Regel ist“, konstatierte die Organisation. Die Risiken und Nebenwirkungen des mit den Bt-Giften Cry1A105 und Cry2Ab2 bestückten Sojas, das zudem gegen eine Berieselung mit den Pestiziden Dicamba und Glyphosat immun ist, entgingen TESTBIOTEST zufolge ebenfalls einer genaueren Analyse. Dabei können die beiden Toxine den Blutkreislauf stören und und bestimmte Hautzellen binden, was deren Schutzfunktion beeinträchtigt. Auch an den Fütterungsstudien übte die Initiative Kritik. So bekamen die Tiere immer die gleiche Menge Soja verabreicht, und das auch nicht in der Form, in welcher Menschen die Bohne am häufigsten zu sich nehmen: als Soja-Milch. Überdies verliefen die Untersuchungen nicht über einen längeren Zeitraum hinweg und nahmen mögliche Kombinationswirkungen nicht in den Blick. „Mit den Klagen will TESTBIOTECH jetzt nicht nur die einzelnen Zulassungen überprüfen lassen, sondern darüber hinaus verhindern, dass die Standards der EU-Risikoprüfung weiter ausgehöhlt werden“, erklärten die AktivistInnen.

Neue ESSURE-Klagen
In den USA musste BAYER wegen der Risiken und Nebenwirkungen seines Sterilisationsmittels ESSURE insgesamt 1,6 Milliarden Dollar an Schadensersatz zahlen. Aber auch außerhalb der Vereinigten Staaten beschäftigen sich die Gerichte zunehmend mit dem Medizin-Produkt. Nach Betroffenen aus Brasilien, England und Holland haben nun vier Frauen aus Frankreich Klage in der Sache gegen den Leverkusener Multi eingereicht.