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Indien

gemeinsame Pressemitteilung vom 11. Oktober 2004

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Germanwatch
Global March against Child Labour (deutsche Sektion)

OECD-Beschwerde gegen Bayer wegen Kinderarbeit in Indien

Aktuelle Untersuchung: Kinder sterben auf indischen Baumwollfeldern an Pestizidvergiftungen

Berlin/Köln, 11.10.2004: Zulieferer des Leverkusener Bayer-Konzerns beschäftigen bei der Produktion von Baumwollsaatgut im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh gegenwärtig rund 1.500 Kinder unter 15 Jahren. Bei drei weiteren internationalen Unternehmen - Advanta, Emergent Genetics und Monsanto - werden weitere 10.725 Fälle von Kinderarbeit gezählt. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die von den Nichtregierungsorganisationen Germanwatch, Coordination gegen Bayer-Gefahren und Global March Against Child Labour (deutsche Sektion) heute in Deutschland veröffentlicht wurde. Die Organisationen reichen heute im Bundeswirtschaftsministerium eine Beschwerde gegen Bayer wegen Verstoßes gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein.

Die von einem indischen Wissenschaftler durchgeführte Untersuchung beschreibt detailliert, dass es sich in Andhra Pradesh um Kinderarbeit der schlimmsten Form handelt: Die Kinder gehen nicht zur Schule, arbeiten bis zu 14 Stunden täglich, verdienen weniger als 50 Cent am Tag und tragen schwerste Gesundheitsschäden davon. Mindestens drei Kinder im Alter von 8, 12 und 13 Jahren sind in den letzten Monaten an Pestizidvergiftungen auf den Feldern gestorben. Siebzig Prozent der Kinder werden in sogenannter Schuldknechtschaft beschäftigt. Die Eltern bekommen im Voraus einen Kredit, den die Kinder dann inklusive Wucherzinsen abarbeiten müssen - in vielen Fällen mehrere Jahre lang. Andere Kinder werden von den Baumwollfarmern in den umliegenden Dörfern gekauft und von ihren Familien getrennt; sie müssen in ärmlichen Hütten bei den Feldern leben.

"Schon seit letztem Jahr versuchen wir, im Dialog mit der indischen Bayer-Tochter ProAgro das Problem der Kinderarbeit bei ihren Zulieferern zu lösen, leider ohne Erfolg. Deshalb wollen wir jetzt mit der OECD-Beschwerde den Druck auf das Unternehmen erhöhen und auch die staatliche Ebene in Deutschland einbeziehen", so Cornelia Heydenreich von Germanwatch. Rainer Kruse von der deutschen Sektion des Global March Against Child Labour drängt auf unverzügliches Handeln: "Die Gesundheit und das Leben der Kinder darf nicht länger aufs Spiel gesetzt werden. Und sie müssen wieder in die Schule gehen können. Jede weitere Arbeitssaison schädigt eine neue Generation von Kindern."

Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren betont: "Dem Unternehmen sind die Zustände bei seinen Zulieferern seit Jahren bekannt. Es wäre für Bayer ein Leichtes gewesen, mit Hilfe höherer Abnahmepreise und strikter Kontrollen das Problem Kinderarbeit bei seinen Zulieferern zu lösen. Doch trotz öffentlicher Ankündigungen hat sich kaum etwas getan."

Insgesamt sind in der indischen Baumwollproduktion mehr als Hunderttausend Kinder tätig. Shanta Sinha, die Generalsekretärin der indischen MV-Stiftung, die vor Ort gegen Kinderarbeit kämpft, nennt als deren Hauptursache die unfairen Vertragsbedingungen, die Konzerne wie Bayer den Baumwollfarmern aufzwängen. Die Preise, die ihnen von den Konzernen gezahlt werden, seien so niedrig, dass sie billige Kinderarbeiter in Schuldknechtschaft anstellen müssten. "Deshalb ist eine unserer Hauptforderungen, dass faire Verträge mit den Farmern geschlossen und bessere Preise gezahlt werden, damit die Ausbeutung der Kinder endlich aufhört!"

Die sechs Forderungen von Germanwatch, der Coordination gegen Bayer-Gefahren, der deutschen Sektion des Global March against Child Labour, der indischen MV-Stiftung, des Indien Komitees der Niederlande, des International Labor Rights Fund (USA), von Amnesty International Niederlande, von FNV Mondiaal (Niederlande), Hivos (Niederlande) und Novib/Oxfam Niederlande lauten:

1. Sofortige Umsetzung eines Aktionsplans, um Kinderarbeit in der indischen Baumwollindustrie abzuschaffen und um zu garantieren, dass jedes Kind zur Schule geht. Dies sollte in enger Kooperation mit Organisationen der Zivilgesellschaft und der Regierung erfolgen;
2. Zahlung fairer Preise an die Baumwollfarmer, damit sie erwachsene Arbeiter anstellen und diesen wenigstens den offiziellen Mindestlohn zahlen können, sowie gleiche Löhne für Männer und Frauen;
3. Abschaffung aller Formen von Schuldknechtschaft in der Baumwollsaatgutproduktion in Indien,
4. Schutzanzüge und -ausrüstung für die Arbeit mit Pestiziden sowie Trainingskurse für Farmer zur sicheren Handhabe von Pestiziden;
5. Die Rechte der Arbeiter zur Bildung von Gewerkschaften und zu gemeinsamen Tarifverhandlungen müssen respektiert werden;
6. Die Umsetzung dieser Forderungen muss öffentlich dargelegt und von unabhängigen Beobachtern überprüft werden.

Der neue Bericht "Kinderarbeit in der Baumwollsaatgutproduktion in Andhra Pradesh: Neueste Entwicklungen" sowie ein zweiter ebenso aktueller Bericht zur Situation in den Nachbarstaaten Gujarat und Karnataka kann auf Englisch im Internet unter www.germanwatch.org runtergeladen werden. Hier finden Sie auch eine ins Deutsche übersetzte Stellungnahme der indischen MV-Stiftung zur Rolle der multinationalen Konzerne in Andhra Pradesh und weitere Dokumente zum Thema. Die OECD-Beschwerde und alle weiteren Materialien senden wir gerne zu.

Weitere Informationen und Interviews: