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BAYER heizt den Erdball auf

CO2-Ausstoß: 5,45 Millionen Tonnen

BAYER heizt den Erdball auf

Es war ein heißer Herbst, im wörtlichen und deshalb auch im übertragenden Sinn: Die sich immer deutlicher abzeichnenden Folgen der Erderwärmung und die Weigerung von Politik & Wirtschaft, diese zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu handeln, trieben überall auf der Welt die Menschen in Scharen auf die Straße. Und natürlich auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, denn der BAYER-Konzern ist ein Klima-Sünder vor dem Herrn.

Von Jan Pehrke

Die neuesten Zahlen schreckten wieder einmal auf: Abermals stiegen die globalen Treibhausgas-Emissionen. Von 53,5 auf 55,3 Gigatonnen legten sie zu. Dementsprechend wartete auch der Klimabericht der Bundesregierung mit alarmierenden Befunden auf. So erhöhte sich die Luft-Temperatur in Deutschland von 1881 bis 2018 um 1,5 Grad. Und in den besonders warmen Jahren sorgte dies sogar schon für unzählige Sterbefälle. 2003 fielen dem Report zufolge hierzulande 7.500 Menschen der Hitze zum Opfer. Überdies sinken durch den Klimawandel die Grundwasserspiegel, was in einigen Gemeinden bereits die Trinkwasser-Versorgung gefährdet. Parallel dazu dörren die Flüsse und Seen in den Sommern zunehmend aus und heizen sich auf – mit massiven Folgen für die aquatischen Lebewesen. Auch die Landwirtschaft leidet unter der Häufung der Trockenheitsperioden. Für 2018 beziffert der Klimamonitoring-Bericht die Schäden auf 700 Millionen Euro.

Zu all dem hat der BAYER-Konzern sein Scherflein beigetragen. Im Geschäftsjahr 2018 nahmen die Kohlendioxid-Emissionen des Unternehmens um 50 Prozent zu. Von 3,63 Millionen auf 5,45 Millionen Tonnen schwoll der CO2-Ausstoß an. Mit der Energie-Effizienz ging es ebenfalls bergab. Verbrauchte der Leverkusener Multi im Jahr 2016 208,62 Kilowatt-Stunden pro 1.000 Euro Umsatz und 2017 204,93, so waren es 2018 schon 278 Kilowatt-Stunden. Überdies schafft der Agro-Riese es nicht, von der Kohle runterzukommen. Beim eigen-erzeugten Strom – den zugekauften schlüsselt er traditionell nicht näher auf – betrug ihr Anteil am Energie-Mix 24,1 Prozent; mit 59,5 Prozent nimmt Erdgas hier die Spitzen-Position ein. Den größten Zuwachs verzeichneten die Flüssigbrennstoffe. Sie rückten mit 7,9 Prozent an die dritte Stelle vor. Statt 230 kamen nun 3.491 Terrajoule zum Einsatz.

Klima-Killer Glyphosat

Als Grund für die Steigerung der Kohlendioxid-Werte führt das Unternehmen den MONSANTO-Deal an. „Mit der Übernahme von MONSANTO hat BAYER neben Standorten für die Saatgut-Produktion auch eine Rohstoff-Gewinnung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten übernommen, mit der eine energie-intensive Aufbereitung und Weiterverarbeitung verbunden sind“, heißt es im Geschäftsbericht. Auf der Hauptversammlung wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dann genauer wissen, um was für eine Rohstoff-Gewinnung es sich dabei handelt. „Eine Anlage zur Gewinnung von Phosphor in Soda Springs im Bundesstaat Idaho“, bekam sie zur Antwort. Phosphor – das ist ein Vorprodukt von Glyphosat. Das Herbizid löst also nicht nur Krankheiten wie Krebs aus und trägt Mitverantwortung für das Artensterben, es ist zu allem Übel auch noch ein veritabler Klima-Killer. Seine Herstellung verschlingt so enorm viel Energie, weil das Phosphor in einem Sediment-Gestein steckt. Und dieses Phosphorit, das der Global Player – mit schlimmen Folgen für die Umwelt – im Tagebau aus Minen in der Nähe von Soda Springs fördert, gibt das Phosphor nicht so einfach her. Auf eine Betriebstemperatur von 1500° muss der Ofen kommen, damit das Phosphorit das Phosphor preisgibt, und das verschlingt Energie.

Folgerichtig hat die CBG ihre Presseerklärung zum von FRIDAYS FOR FUTURE für den 20. September ausgerufenen Klima-Streik mit „Klima-Killer Glyphosat“ überschrieben. Die Coordination schloss sich an dem Freitag den Protesten in Düsseldorf an, und auf der Abschluss-Kundgebung vor dem nordrhein-westfälischen Landtag legte Geschäftsführer Marius Stelzmann noch einmal dar, was in der Diskussion um das Klima-Paket, das die Bundesregierung an diesem Tag verabschiedete, sträflich vernachlässigt blieb: Wie groß der Anteil von BAYER und anderen großen Firmen an der Klima-Krise ist.

Dementsprechend kamen die Multis auch ungeschoren davon. Nach Ansicht von CDU und SPD greift bei der Groß-Industrie nämlich schon der europäische Emissionshandel (EU-ETS). Den haben die Parteien sich sogar zum Vorbild für ihre Klima-Politik genommen, obwohl das Instrument bisher nicht dazu geeignet war, den Leverkusener Multi zu einer spürbaren Verringerung seines CO2-Fußabdrucks zu veranlassen. Für die Felder „Wohnen“ und „Verkehr“ will die Große Koalition ein solches Modell zunächst auf nationaler Ebene einführen, um beide Bereiche dann später einmal in das europäische System zu integrieren. Erwartungsgemäß zeigten sich die Davongekommenen zufrieden mit den Beschlüssen. „Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) begrüßt, dass Sektoren, die schon dem EU-Emissionshandel unterliegen, vom neuen nationalen Emissionshandel ausgenommen werden und keine zusätzliche Belastung erfahren sollen“, erklärte die Lobby-Organisation. Allerdings hat sie Vorbehalte gegen die später vorgesehene Einbeziehung von „Wohnen“ und „Verkehr“ in das EU-Handelssystem. Das droht nämlich zu einer Verteuerung der Zertifikate für BAYER & Co. zu führen. „Ein gemeinsames System hält der VCI für nicht zielführend, weil die Vermeidungskosten der Sektoren zu unterschiedlich ausfallen“, lies der Verband verlautbaren.

Den nächsten Klima-Streik, der am 29. November 2019 im Vorfeld der Madrider Weltklima-Konferenz stattfand, nutzte die Coordination zu einem Lokaltermin. Sie demonstrierte am BAYER-Stammsitz Leverkusen. Und welchen kapitalen Klima-Killer die BürgerInnen mit dem Multi vor der Haustür haben, machte CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann in seiner Kundgebungsrede deutlich. Darum entschloss die Coordination sich im Anschluss an den Protestzug auch, den Konzern direkt mit der Kritik zu konfrontieren. Sie zog zur Unternehmenszentrale und übergab einen Offenen Brief. „Wir sind heute im Rahmen des weltweiten Klima-Streiks zusammen mit der „FRIDAYS FOR FUTURE“-Bewegung auf die Straße gegangen, um auf den immensen Anteil BAYERs an der Klima-Katastrophe hinzuweisen“, hieß es darin unter anderem. Der Brief schloss mit konkreten Forderungen (siehe Kasten). Unter anderem verlangte die CBG einen sofortigen Stopp der Braunkohle-Verstromung sowie das Ende der Glyphosat-Produktion in Soda Springs. Der Agro-Riese zeigte sich auf den Besuch vorbereitet und überreichte ebenfalls ein Schreiben. „Klimaschutz hat für BAYER hohe Priorität“, bekundete die Aktien-Gesellschaft darin. Sie behauptete, „in den vergangenen Jahren schon vieles erreicht“ zu haben und verwies dazu auf die verbesserte Energie-Effizienz sowie auf eine Senkung des Ausstoßes von Treibhaus-Gasen (THG) bis 2015. Was danach geschah, verschwieg der Leverkusener Multi wohlweislich. Dafür kündigte er Großes für die Zukunft an: „Am 10. Dezember stellt BAYER seine neue Nachhaltigkeitsstrategie und damit auch neue, noch ambitioniertere Ziele zur THG-Reduzierung vor.“

Die neue Strategie

Das unter der Ägide des Leiters der Abteilung „Public Affairs & Sustainability“, dem ehemaligen Grünen-Politiker Matthias Berninger, entstandene Papier (siehe auch S. 14ff.) enthält dann in der Tat auch einiges zu dem Thema. „BAYER strebt an, bis 2030 ein klima-neutrales Unternehmen zu werden. Dafür wird BAYER Maßnahmen für Energie-Effizienz umsetzen, zu 100 Prozent auf Strom aus erneuerbaren Energien umsteigen und die verbliebenen Emissionen so kompensieren, dass CO2 im Boden gespeichert und Biodiversität gefördert wird“, ist da zu lesen. Einiges davon hört sich wirklich ganz gut an – allein, es fehlt der Glaube, zumal der Konzern nichts darüber verlauten lässt, wie er das alles zu erreichen gedenkt. Bei den Erneuerbaren etwa müsste er binnen zehn Jahren von Null auf 100 kommen, ist beim Leverkusener Multi momentan doch nur ein „niedriger einstelliger Prozent-Satz“ des Stroms made by Wind & Co. Auch die Rede vom „kompensieren“ macht skeptisch, denn da kommt das Glyphosat ins Spiel. Der Konzern versucht das Mittel ungeachtet seines übergroßen CO2-Fußabdrucks bei der Herstellung als Klima-Retter zu verkaufen, weil es den LandwirtInnen das Kohlendioxid freisetzende Pflügen erspare. Allerdings streiten die Agrar-ForscherInnen noch darüber, ob eine solche landwirtschaftliche Praxis wirklich das im Boden gebundene Kohlendioxid wieder entfesselt, und BAYERs Gewährsmann in dieser Frage, Professor P. Michael Schmitz, musste gerade seinen wissenschaftlichen Offenbarungseid leisten. Schmitz hat sich die Arbeit an solchen Sätzen wie „Mit einer angepassten Glyphosat-Strategie in der Fruchtfolge können ohne Ertragsreduzierung die Maschinen- und Arbeitskosten sowie der CO2-Ausstoß gesenkt werden“, nämlich von MONSANTO bezahlen lassen (siehe SWB-Dossier).

Also bleibt von BAYERs Nachhaltigkeitsstrategie in Sachen „Klima“ außer vagen Ankündigungen und dubiosen Kompensationsgeschäften nicht viel übrig. Der Leverkusener Multi kann sich deshalb von dem, was Greta Thunberg auf der Madrider Weltklima-Konferenz sagte, gut und gerne mitgemeint fühlen. „Ich glaube immer noch, dass die größte Gefahr nicht Tatenlosigkeit ist. Die wirkliche Gefahr ist, wenn Politiker und Unternehmenslenker so tun, als ob etwas passiert, wo in Wirklichkeit nichts passiert bis auf clevere Rechenkünste und PR“, hielt die 16-Jährige ihrer Rede fest.

Den Agro-Riesen holte die Realität dann auch schon bald wieder ein. Am selben Tag, an dem der Konzern sich als grüner Engel im Allgemeinen und Klima-Kümmerer im Besonderen inszenierte, gingen Meldungen über die Klage von Netzbetreibern gegen den Leverkusener Multi und andere Firmen wegen Betruges im Zusammenhang mit der „Erneuerbare Energien“-Umlage über den Ticker. Und das trübte das Bild sogleich wieder ein. So musste die Rheinische Post ihren LeserInnen nach der Berichterstattung über die Nachhaltigkeitspläne mitteilen: „Zugleich aber steht BAYER wegen eines möglichen grünen Etiketten-Schwindels am Pranger.“ Der Global Player hatte über ein kompliziertes Vertragskonstrukt versucht, sich von einem schnöden Strom-Kunden zu einem Pächter von Kraftwerk-Anteilen aufzuschwingen, um so seine EEG-Umlage senken zu können. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, konstatierte der Spiegel.

Und als die Bundesregierung Mitte Dezember 2019 Korrekturen am Klima-Paket vornahm und den CO2-Preis von zehn Euro auf 25 Euro hochsetzte, sprang in gewohnter Manier die Lobby-Maschinerie an. Dieses Mal saß sogar ein alter BAYER-Mann an den Hebeln. Der beim Leverkusener Multi lange für „Environment & Sustainability“ zuständige Wolfgang Große Entrup fungierte nämlich inzwischen als VCI-Geschäftsführer und schaltete angesichts des neuen Kohlendioxid-Preisschildes sofort auf Alarm. „Die Warnlampe blinkt rot“ verkündete er und forderte, schon am EU-Emissionshandel teilnehmende Konzerne von der Regelung auszunehmen. „Enttäuschend ist auch die Reaktion einiger Wirtschaftsverbände. Die Chemie, die doch sonst gerne Klimaschutz und Wettbewerb predigt, ruft gleich nach einer Art Pendler-Pauschale für ihre Branche“, befand die Rheinische Post. Also nichts Neues unter der Leverkusener Sonne.