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BAYERs neuer Gen-GAU

Winterraps mit dem Labor-Konstrukt GT73 verunreinigt

Immer wieder werden BAYERs Gen-Pflanzen übergriffig und verunreinigen konventionelle Sorten. Besonders der Labor-Raps des Konzerns zeigt sich aktiv. Im Jahr 2016 fanden sich Spuren des Gen-Konstrukts NAVIGATOR in konventionellen Pflanzen, und 2014 kontamierte INVIGOR kanadischen Weizen. Auch in den Jahren 2002, 2005 und 2007 kam es zu Auskreuzungen. Und jetzt gesellt sich ein neuer Fall dazu: Französische Behörden wiesen das Produkt GT73 in nicht genverändertem Winterraps nach.

Von Annemarie Volling (ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT)

Bis Ende März 2019 mussten in Deutschland ca. 2.150 Hektar konventioneller Winterraps unterpflügt und mit Pestiziden behandelt werden, weil er mit einem Gentechnik-Raps-Konstrukt GT73 der Firma BAYER verunreinigt war. Betroffen sind 84 landwirtschaftliche Betriebe in zehn Bundesländern, die unwissentlich gentechnisch verunreinigten Winterraps der Sorte „DK Exception“ von DEKALB aussäten. GT73 hat in Europa keine Anbau-, sondern nur eine Import-Zulassung, deshalb gilt Nulltoleranz. Die Firma DEKALB wurde 1998 von MONSANTO gekauft, heute gehören die Marke und das Zuchtmaterial BAYER CROPSCIENCE. Aufgefallen waren die Verunreinigungen mit GT73 bereits am 25. Oktober 2018 bei staatlichen Saatgut-Untersuchungen in Frankreich. Erst am 21. Dezember informierte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Öffentlichkeit. Auch die Ministerien auf Landesebene wurden dann erst informiert.

Der GT73-Gentechnik-Raps hat eine Resistenz gegen Glyphosat. Angebaut werden darf er in Kanada, USA, Australien und Japan. Soweit aktuell bekannt, kommt die verunreinigte Ausgangspartie aus Argentinien. Laut BAYER/Frankreich wurde sie in einem Gebiet ohne gentechnischen Anbau erzeugt. Das Anpflanzen von GT73 ist in Argentinien verboten. Wie es genau zu den Verunreinigungen kam, ist noch nicht geklärt. Das verunreinigte Saatgut wurde sowohl in Frankreich und Deutschland als auch in der Tschechischen Republik und in Rumänien verkauft.

Die zuständigen Behörden der betroffenen Bundesländer haben die betroffenen Landwirt*innen informiert. Hessen hat beispielsweise angeordnet, „den aus dem verunreinigten Saatgut entstandenen Rapsaufwuchs durch mechanische Bearbeitung (grubbern oder pflügen) rechtzeitig vor der Rapsblüte zu vernichten (…) Auflaufende Rapspflanzen sind in der Folgekultur durch Herbizid-Anwendung zu vernichten. Die Flächen sind regelmäßig zu kontrollieren und alle auf der Fläche befindlichen Rapspflanzen zu entfernen. Bis Juli 2020 darf auf den betroffenen Flächen kein Raps ausgesät werden“. Diese Maßnahmen nannte das „Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz“ der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL) auf Anfrage.

„Raps kommt immer“, so die Aussage eines Bauern aus Mecklenburg-Vorpommern. Deshalb sei diese zweijährige Anbaupause völlig unzureichend. „Jeder Bauer und auch das BVL weiß, dass Rapssaatgut mindestens 20 Jahre keimfähig im Boden überdauern kann“, schreibt die AbL in einer Pressemeldung. „Raps hat ein enormes Auskreuzungspotenzial, deshalb darf auf diesen Flächen in den nächsten zehn bis 15 Jahren kein Raps angebaut werden und auflaufender Raps muss sehr sorgfältig vor der Blüte entfernt werden. Nur so gibt es eine Chance, weitere Gentechnik-Verunreinigungen zu verhindern.“ Deshalb fordert die AbL die Bundesländer auf, die Anbaupause entsprechend zu verlängern.

Verursacher muss zahlen
Diese Anbaupausen-Forderung klingt hart für die betroffenen Bäuerinnen und Bauern, auch deshalb, weil die Verunreinigung mit ca. 0,1 Prozent gering ist. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass Raps aufgrund seiner hohen Vermehrungsrate, der hohen Pollenproduktion und weiten Streuung durch Wind und Insekten, der starken Samenbildung und leichten Streuung sowie seiner langen „Haltbarkeit“ ein sehr hohes Auskreuzungspotenzial hat und unter Wissenschaftler*innen als „nicht koexistenzfähig“ gilt.

Klar ist, dass die betroffenen Bäuerinnen und Bauern keine Schuld trifft. Sie haben das Saatgut unwissentlich verwendet. Deshalb fordert die AbL, dass der Verursacher BAYER CROPSCIENCE für alle anfallenden Kosten aufkommen muss, sowohl für die bereits entstandenen Ausgaben und den Ernteausfall als auch für die noch zu erwartenden Aufwendungen z. B. für das Entfernen der auflaufenden Rapspflanzen sowie für mögliche Vermarktungsschwierigkeiten. In Frankreich sind 18.000 Hektar betroffen und inzwischen unterpflügt. Laut Nachrichtenagentur Reuters hat BAYER/Frankreich den französischen Landwirt*innen eine Entschädigung von 2.000 Euro pro Hektar für den Verlust der Ernte in diesem Jahr angeboten unter der Verpflichtung, im nächsten Jahr keinen Raps anzubauen. In Deutschland sind den Bauern und Bäuerinnen laut Information der Unabhängigen Bauernstimme Vergleiche angeboten worden. Die AbL warnt die Landwirt*innen allerdings davor, allzu schnell darauf einzugehen und damit auf alle weiteren Ansprüche zu verzichten, da die Folge-Kosten noch gar nicht abschätzbar seien.

Auch Versuche betroffen
Ende März 2019 wurde bekannt, dass auch Sortenversuche betroffen sind – in sieben Bundesländern. So hat EURALIS mehrere Prüfsorten von Wettbewerbern, darunter auch eine DEKALB-Sorte, eingekauft, um diese mit einer eigenen Neu-Kreation zu vergleichen. Erst Ende Januar, so EURALIS-Geschäftsführer Peter Fleck, habe er von BAYER erfahren, dass die betreffende DEKALB-Sorte ebenfalls von den Verunreinigungen mit GT73 betroffen ist. Daraufhin ordnete das Unternehmen an, die Parzellen zu unterpflügen und auf den Flächen gemäß den unterschiedlichen Anordnungen der Behörden bis Juni 2019 bzw. Juni 2020 keinen Raps mehr anzubauen.
Auf die Frage, ob EURALIS darüber hinausgehende Sicherheitsmaßnahmen anweisen würde, antwortete Peter Fleck, die Firma werde sich an die Vorgaben der Bundesländer halten.
Auch in Schleswig-Holstein haben solche Sortenversuche stattgefunden – laut Pressemeldung des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums betrifft es „eine Fläche von rund 120 Quadratmetern an einem Standort im Kreis Schleswig-Flensburg“. Züchterin Barbara Maria Rudolf aus diesem Kreis, die mit Kreuzblütlern Sortenentwicklung macht, ist deshalb sehr beunruhigt. Bei der Züchtung versuche sie alles, um die Pflanzen vor der Einkreuzung bzw. Fremdbestäubung zu schützen. Das sei aber im Zuchtgarten oder später auf dem Feld nie zu 100 Prozent möglich. Umso wichtiger sei es für sie als Blumenkohl-, Brokkoli- und Rettich-Züchterin zu wissen, ob sie gegebenenfalls betroffen sein könnte. Bei ihrem Anruf im zuständigen schleswig-holsteinischen Ministerium habe sie bislang keine Auskunft darüber erhalten, wo die betroffenen Sortenversuche stattfanden. Für sie mache es aber „einen enormen Unterschied, zu wissen, ob die potenzielle Verunreinigungsquelle in acht oder 50 Kilometer Entfernung liegt“, so Rudolf.

Forderungen
Der letzte Raps-Verunreinigungsfall in Deutschland ist gerade drei Jahre her. Deshalb fordern die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL), die INTERESSENGEMEINSCHAFT FÜR GENTECHNIKFREIE SAATGUTARBEIT (IG SAATGUT) und das GEN-ETHISCHE NETZWERK (GeN) Nachbesserungen beim Saatgutmonitoring, also der Untersuchung der Ackerböden auf eventuelle Gentech-Kontaminationen hin, insbesondere bei Kulturarten, die wie Raps einem hohen Verunreinigungsrisiko ausgesetzt sind. Zudem sei es nicht nur erforderlich, dass das Saatgutmonitoring rechtzeitig stattfinde, die Ergebnisse müssten auch sofort veröffentlicht werden. Nur so könne nämlich eine Aussaat verunreinigter Partien verhindert werden. AbL, IG SAATGUT und das GeN haben die betroffenen Bundesländer mit ihren Nachfragen und Forderungen konfrontiert. Sie werden weiter abfragen, was die Bundesländer tun, um die Gefahr von Kontamination durch gen-manipulierte Ackerfrüchte zu bannen.

Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL)
eMail: volling@abl-ev.de; www.abl-ev.de.
Der Text erschien im Mai 2019 in der Unabhängigen Bauernstimme und wurde leicht aktualisiert.