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STICHWORT BAYER 2/2016

Drugs & Pills

Trotz Unregelmäßigkeiten bei den Arznei-Tests

Grünes Licht für XARELTO

BAYER hat bei den Zulassungstests mit dem umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO ein nicht ordnungsgemäß arbeitendes Gerät verwandt. Aber die Behörden stört das nicht weiter.

Von Jan Pehrke

Die klinischen Prüfungen, die zur Zulassung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO geführt haben, standen von Beginn an in der Kritik. So verschwieg der Leverkusener Multi drei Todesfälle und lieferte nur unzureichende Informationen über den Gesundheitszustand der TeilnehmerInnen nach Ende der Erprobungen. Auch wählte der Konzern für die Gruppe, die XARELTO testete, jüngere und ergo gesündere KandidatInnen aus als für diejenige, die das Vergleichspräparat Marcumar schlucken mussten.

Überdies setzte der Global Player die ProbandInnen einer Ungleichbehandlung aus: Die Marcumar-PatientInnen bekamen ihr Medikament nicht dem Bedarf entsprechend verabreicht, was sie höheren Gesundheitsrisiken aussetzte. Nach den Dokumenten, die der Pharma-Riese den Genehmigungsbehörden vorlegte, waren bloß 55 Prozent von ihnen richtig, also ihren Gerinnungswerten gemäß, eingestellt. Das entspräche nicht dem Standard, monierte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA sogleich, und das industrie-unabhängige arznei-telegramm bezeichnete die Arznei-Erprobungen wegen dieses Tatbestandes als nur „wenig aussagekräftig“.

Damit nicht genug, sollten die Tests Anfang Dezember 2015 zusätzlich noch einmal an Aussagekraft verlieren. Da meldete das Handelsblatt nämlich Überprüfungen der für die Zulassung maßgeblichen Rocket-Studie durch die Arzneimittel-Behörden. Die AufseherInnen untersuchten, welche Auswirkungen der Gebrauch eines nicht korrekt funktionierenden Gerätes, das bei der Bestimmung der Blutgerinnungswerte der Marcumar-PatientInnen zum Einsatz kam, auf die Resultate hatte. Diese Apparatur stand bereits seit 2002 in der Kritik. 2005 und 2006 zwang die FDA den Hersteller zur Veröffentlichung von Warnhinweisen. 2014 schließlich veranlasste sie den Rückruf – 18.000 Beschwerden hatte sie bis dahin erhalten.

Nach dem Erscheinen des Artikels brach die BAYER-Aktie an der Frankfurter Börse umgehend ein und verlor an diesem Tag so viel wie kein anderes Papier. Der Pharma-Riese ging deshalb sogleich an die Öffentlichkeit und betrieb Krisen-Management. Er sah wie zu erwarten keinen Grund, an den Rocket-Resultaten des „Duke Clinical Research Institutes“ zu zweifeln. Andere Untersuchungen hätten die Befunde bestätigt, erklärte der Konzern und beteuerte scheinheilig, von der Diskussion um die Mängel der INRATIO-Geräte nichts gewusst zu haben.
Die vom Global Player beim Duke-Institut in Auftrag gegebene Nach-Untersuchung bestätigte natürlich prompt auch noch mal die Ergebnisse, und die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA gab Anfang Februar 2016 ebenfalls Entwarnung.

Lediglich vier Monate brauchte sie für ihre Arbeit, während die FDA immer noch die Unterlagen wälzt. Umgehend geriet das Vorgehen der EMA deshalb in die Kritik. Als eine „überraschend schnelle Analyse“ bezeichnete der Vorsitzende der Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig, die Expertise. Der US-Mediziner Thomas Marciniak trat unterdessen für eine unabhängige Untersuchung ein. Just zu diesem Behufe forderte sein Kollege Harlan Krumholz von der Yale-Universität BAYER auf, ihm die Studien-Daten zugänglich zu machen. Das lehnte der Leverkusener Multi jedoch ab, was für sich spricht.