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STICHWORT BAYER 03/2014

Kein Dialog mit der CBG

BAYERs Rückzieher

Ein für den 14. Mai geplantes Treffen zwischen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und dem Leiter der Kommunikationsabteilung von BAYER ist nicht zustande gekommen. Knackpunkt war, dass der Konzern einer Teilnahme von Journalisten zunächst zustimmte, die Zusage später jedoch wieder zurücknahm. Die CBG ist weiter an Gesprächen interessiert, besteht dabei aber auf Transparenz. Entsprechende Grundsätze hat der Verein schon in den 80er Jahren beschlossen.

„Mein Name ist Herbert Heitmann, und ich bin seit dem 1. September 2013 für die weltweite Kommunikation, die Beziehungen zu Regierungen und Nicht-Regierungsorganisationen der BAYER AG zuständig. Mit Interesse habe ich ihre Webseiten und Publikationen gelesen und würde mich gerne mit Ihnen austauschen. Dabei ist mir besonders daran gelegen, zu erfahren, was ihre Ziele sind, und ob bzw. wie wir gegebenenfalls zusammenarbeiten können.“ So lautete kurz und knapp das erste Gesprächsangebot des Konzerns, das die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN seit ihrer Gründung im Jahr 1978 erhalten hat.
Der Vereinsvorstand antwortete, dass die CBG für ernst gemeinte Gespräche natürlich zu Verfügung stünde. Das Treffen solle der Lösung aktueller Probleme dienen, zum Beispiel in Hinblick auf gefährliche Medikamente oder den Ausstoß von Treibhausgasen. Auch sei Transparenz unabdingbar: Da die Geschäftstätigkeit von BAYER von großer Bedeutung für die Allgemeinheit ist, kämen vertrauliche „Kamingespräche“ nicht in Frage. Die CBG machte eine Aufzeichnung des Gesprächs, eine Teilnahme von Journalisten und einen neutralen Gesprächsort zur Bedingung. Alternativ sei auch eine Podiumsdiskussion möglich.
Herbert Heitmann antwortete: „Da ich zu dem stehe, was ich sage, gibt es keinen Grund, dies im Stillen oder Geheimen zu tun, weshalb Sie zu einem solchen ersten Kennenlernen gerne andere hinzuladen können“. Auch die Aufzeichnung des Gesprächs stelle kein Problem dar. Die Coordination schlug einen Termin vor und buchte einen geeigneten Raum.
Kurz darauf rückte der PR-Chef von seiner vorherigen Zusage wieder ab („möchte ich bei unserem ersten Gespräch auf die Begleitung durch Journalisten auf Ihrer wie meiner Seite verzichten“). Das lang vorbereitete Treffen platzte. Damit der Vorgang für die Öffentlichkeit nachvollziehbar ist, stellte die CBG den vollständigen Briefwechsel unter CBGnetwork.org online.

Strategiepapier des BDI
Gespräche von NGOs mit Unternehmen sind in mehrfacher Hinsicht problematisch. Auch wenn die Treffen noch so harmlos daherkommen („Runder Tisch“, „Meinungsaustausch“ etc.), begegnen sich niemals gleichberechtigte Partner. Die Unternehmen sitzen mit ihren Strukturen und Ressourcen stets am längeren Hebel.
Grundsätzlich muss bedacht werden, dass Konzerne den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten folgen müssen. Bereits im ersten Semester eines BWL-Studiums wird das Grundgesetz betrieblicher Zweckverfolgung gelehrt: Gewinn-Maximierung. Alles andere ist nur Mittel zum Zweck. Umweltschutz und sozialer Fortschritt müssen immer gegen den betrieblichen Gewinn-Zwang verteidigt und durchgesetzt werden. Entsprechend sind die Motive von Unternehmensvertretern zu werten. Sie nehmen an Gesprächen nicht teil, um tatsächlich den Umweltschutz oder soziale Rechte zu befördern, sondern um den Gewinnerwirtschaftungsprozess zu optimieren, den sie durch NGO-Arbeit gestört sehen.
Gespräche können daher im Einzelfall Chancen bieten, sie bergen jedoch auch eine Reihe von Risiken. So kann der Konzern mit seiner „Dialogbereitschaft“ punkten und damit öffentlichen Druck verringern – selbst wenn er sich inhaltlich gar nicht bewegt. Das Unternehmen erhält Einblick in die Funktionsweise kritischer Gruppen und kann sich leichter auf deren Kampagnen einstellen. Im schlimmsten Fall lassen sich konzernkritische Organisationen auseinanderdividieren in „vernünftige“, mit denen ein Dialog möglich ist, und „radikale“, deren Forderungen angeblich indiskutabel sind.
Dass solche Bedenken gerechtfertigt sind, zeigt ein internes Strategiepapier des „Bundesverbands der Deutschen Industrie“ (BDI), das der CBG vor einigen Jahren zugespielt wurde. In dem Diskussionspapier „Nichtregierungsorganisationen - Herausforderung für die Wirtschaftsverbände” beklagt der BDI den großen Einfluss unabhängiger Organisationen auf die öffentliche Meinung. Sorge bereitet den Industrielobbyist/innen, dass NGOs nicht nur die klassischen Problemfelder Umwelt und Menschenrechte beackern, sondern auch zu wirtschaftsrelevanten Themen wie Internationaler Handel, Produktionsbedingungen oder Auslandsinvestitionen Stellung beziehen.
Der BDI bildete daher eine Arbeitsgruppe, die Informationen über Mitgliedschaft, Finanzierung und innere Struktur der wichtigsten NGOs sammelt und Strategien im Umgang mit den unliebsamen KritikerInnen erstellt. Im Konfliktfall empfiehlt der BDI die Strategie des Dialogs. Hiermit könne „Expertise abgeschöpft” und den KritikerInnen der Wind aus den Segeln genommen werden. Auch wäre es auf diese Weise „ohne Aufgabe des eigenen Standpunktes“ möglich, das Potenzial des Gegners abzuschätzen und Konfliktsituationen zu vermeiden. Es biete sich „die Chance für verbesserte Interessen-Durchsetzung gegenüber der Politik und Image-Gewinn in der Öffentlichkeit”.
Die Sorge, als Feigenblatt missbraucht zu werden, ist also berechtigt und muss bei möglichen Gesprächen mitbedacht werden.

Dialogkriterien
Bereits in den 80er Jahren hat die Mitgliederversammlung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Kriterien für etwaige Gespräche mit BAYER beschlossen. Hierin heißt es, dass die CBG „Gespräche mit BAYER als wesentliches Instrument zur Durchsetzung ihrer Ziele“ betrachtet und daher Treffen mit dem Konzern auf allen Ebenen anstrebt. Um Unabhängigkeit und Transparenz zu gewährleisten, wurden hierfür eine Reihe von Bedingungen beschlossen, unter anderem:
1. an einem Treffen nehmen mindestens zwei VertreterInnen des Vereins teil; die CBG legt ihre Teilnehmer in eigener Verantwortung fest. Eine Negativ-Auslese durch BAYER findet nicht statt.
2. die CBG nimmt kein Geld von der Gegenseite an, auch nicht für Reisekosten.
3. Öffentlichkeit muss stets gewährleistet sein. Die VertreterInnen der Coordination haben daher das Recht der Weitergabe von Gesprächsinformationen. Ebenso können sie Dritte zu den Gesprächen hinzuziehen, insbesondere Journalisten.

Einschüchterung von KritikerInnen
Axel Köhler-Schnura, Gründungsmitglied der Coordination, nahm so zu der Absage Stellung: „Wir stehen weiterhin für ein Treffen zu Verfügung. Es ist sehr bedauerlich, dass BAYER zunächst unseren Vorschlägen folgte, dann die Zusage jedoch zurückzog - nur weil Journalisten an dem Gespräch teilnehmen sollten.“ Zugleich erinnert Köhler-Schnura daran, dass KritikerInnen des Konzerns in den vergangenen Jahrzehnten größter Repression ausgesetzt waren: „Seit wir uns im Jahr 1978 anlässlich der großen Unfälle in den BAYER-Werken Wuppertal und Dormagen als Bürgerinitiative gründeten, mussten wir durchgängig feststellen, dass Probleme nicht ausgeräumt, sondern mit Propaganda-Milliarden und Heerscharen von Anwälten schöngeredet wurden“.
So leitete der Konzern mehrfach juristische Schritte gegen die CBG ein. 1988 zwang er den Verein, wegen angeblicher Verwechslungsgefahr den ursprünglichen Namen „BAYER-Coordination“ aufzugeben. Angesichts sechsstelliger Streitwerte musste sich die CBG ebenso fügen wie im Jahr 2001, als das Unternehmen gerichtlich gegen die website www.BayerWatch.org vorging.

Drohung gegen BUND
Eine für die CBG existenzbedrohende Auseinandersetzung begann 1987: Wegen eines Flugblatts forderte BAYER unter Androhung „von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten bzw. einer Geldstrafe von bis zu DM 500.000“ eine Unterlassungserklärung. Die CBG ließ es auf einen Prozess ankommen - und der Mut zum Risiko zahlte sich aus: nach einem fünfjährigen Prozess-Marathon hob das Bundesverfassungsgericht unter dem damaligen Vorsitzenden Roman Herzog alle vorangegangenen Urteile auf und gab der CBG Recht. Der Erfolg wurde in den Medien und unter Juristen viel beachtet, dennoch blieb der Verein auf Kosten von über 150.000 Mark sitzen.
Dass es bei BAYER jedoch keinen neuen Umgang mit Kritik gibt, zeigt die jüngste Abmahnung gegen den BUND. Die Freiburger Gruppe des Umweltverbands hatte die Pestizide PONCHO und GAUCHO als „bienengefährlich“ bezeichnet. Obwohl die Wirkstoffe tatsächlich wegen ihrer Gefahr für Bienen jüngst verboten wurden, verlangte BAYER unter Androhung einer Vertragsstrafe von 10.000 Euro eine Löschung des Artikels. Der BUND machte den Vorgang öffentlich: „Unser kleiner Regionalverband muss mit jedem Cent rechnen, um seine Arbeit leisten zu können, und dennoch müssen wir der Macht der großen Konzerne standhalten und dürfen uns nicht verbiegen lassen“.

Gespräch weiter möglich
Ob das Treffen mit BAYER zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird, ist derzeit unklar. Doch auch wenn die CBG weiter an einem Austausch interessiert ist, wäre es unrealistisch, hiervon relevante Fortschritte zu erwarten. Entscheidend für den Konzern ist letztlich der Profit, und nicht der good will einzelner Beschäftigter (sofern dieser überhaupt vorhanden ist).
Auch würden die Investoren keine Änderung der Geschäftspolitik dulden, wenn diese zu verringerten Renditen führte. Belegt wird dies durch die jüngste Hauptversammlung, in der der Vorstand die geschilderten Probleme ausnahmslos leugnete. Der PR-Chef, der in der Hierarchie zwei Stufen unter dem Vorstand steht, kann sich über solche Vorgaben nicht hinwegsetzen. Zumal Herbert Heitmann selbst einräumt, dass es ihm nicht um die Behebung von Problemfällen, sondern um die Außendarstellung geht („mein Auftrag ist es, die Kommunikation von Bayer weiter zu verbessern“).
AktivistInnen können sich im Einzelfall auf Gespräche mit Unternehmen einlassen, sollten sich jedoch der damit verbundenen Risiken bewusst sein. Entscheidend für den Erfolg konzernkritischer Kampagnen ist letztlich der öffentliche Druck, den NGOs oder Bürgerinitiativen aufbauen können. Dieser darf durch eine Einbindung in Dialog-Programme nicht aufs Spiel gesetzt werden. Von Philipp Mimkes

siehe auch:
=> Hintergründe zum Gesprächsangebot von BAYER
=> der vollständige Briefwechsel zwischen Heitmann und CBG
=> Grundsätze der CBG für einen Dialog mit BAYER
=> die tageszeitung: „Glasnost beim Chemieriesen“