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Neues Deutschland, 23.09.03

Massenbesuch beim Konzern

»Tag der offenen Tür« bei Bayer in Leverkusen

(...) Tausende Bayer-Besucher nutzten den »Tag der offenen Tür« und wollten rein ins Werk. Ein Werk, das ihre Stadt prägt wie kein anderes Unternehmen. Es war überhaupt erst der Anstoß zur Gründung des Ortes Leverkusen bei Köln. Leiter der Rundfahrt ist der sehr eloquente Phillip Strösser.

Vermutlich gehören Entschuldigungen sonst nicht zum Repertoire des jungen Mannes. Aber heute entschuldigt er sich fortwährend: Dass man nicht anhalten könne, dass man keine Zeit für einen Besuch in den Gebäuden hat, dass die Handies ausgeschaltet und die Fotoapparate eingepackt bleiben müssen. Mit dem Bild des bösen Terroristen im Hinterkopf ist das für niemanden ein Problem.

Kein Ausflugsteilnehmer fragt, was ein solcher Terrorist im Leverkusener Bayerwerk so alles anstellen könnte: Tabletten in die Luft jagen? Rote Farbe über das Stadtgebiet verteilen? Dass es sensible Bereiche wie die Phosgen-Produktion bei Bayer in Uerdingen gibt, wissen die Leute meist nicht. Wohlwollend werden stattdessen Selbstverständlichkeiten zur Kenntnis genommen, so dass Bayer Leverkusen das Gefahrstofflager nach der Sandoz-Katastrophe, als verseuchtes Löschwasser den Rhein vergiftete, mit einer doppelten Betonwanne absicherte. Mit dem Hinweis, das beliebte Bayer-Schwimmbad sei geschlossen worden, um Arbeitsplätze zu erhalten - nicht die im Schwimmbad, sondern nicht näher bezeichnete im Konzern - endet die Rundfahrt. Was die beim Schwimmbad eingesparte Million für einen Konzern bedeutet, der allein 2002 rund eine Milliarde Euro Gewinn machte, müssen die Bayer-Gäste sich selbst zusammenreimen.

Damit das Image des Konzerns nicht immer nur strahlend erscheint, müht sich die »Coordination gegen Bayer-Gefahren« (www.CBGnetwork.de) seit 25 Jahren um Gegeninformationen. Immer wieder können die Ehrenamtlichen um das CBG-Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura dem Konzern Schlampereien, Vertuschungen und den Vorrang der Konzerninteressen nachweisen.

»Leider ist unsere Arbeit im Jubiläumsjahr gefährdet. Auf Grund unserer konsequenten Tätigkeit erhalten wir keine offizielle Förderung und durch sinkende Beiträge und Spenden sind wir in akuter Gefahr geraten. Eine erste Sonderspendenwelle hat etwa die Hälfte des fehlenden Betrags erbracht - um zurück in gesicherte Verhältnisse zu kommen, benötigen wir weitere dreißigtausend Euro«, bittet Köhler-Schnura.

Das ist viel Geld für die kleine Initiative. Beim »Tag der offenen Tür« der Bayer AG waren das schätzungsweise die Kosten für die schönen blauen Luftballons.

Von Jochen Bülow