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Uni-Kooperationen der BAYER AG

Kölner Stadt-Anzeiger, 30. Oktober 2012

Drittmittel

Zweischneidige Kooperationen

Zwischen der Universität zu Köln und der Bayer AG existieren Verträge. Was genau die besagen, ist nicht klar. Zurzeit läuft deswegen eine Klage zur Offenlegung dieser Verträge, Anfang Dezember kommt es zur Verhandlung vor dem Kölner Verwaltungsgericht. Von Kirsten Boldt

Wie zweischneidig eingeworbene Drittmittel für Deutschlands Hochschulen sind, lässt sich derzeit anhand eines Streits in Köln erahnen. Als möglichen „Präzedenzfall“ für alle Kooperationsverträge, die zwischen Hochschulen und Wirtschaftsunternehmen geschlossen werden, sieht Patrick Honecker, Pressesprecher der Universität zu Köln, die kommenden Verhandlungen Anfang Dezember vor dem Kölner Verwaltungsgericht. „Uns geht es darum zu klären, ob wirklich jedermann das Recht hat, in solche Verträge einzusehen, und dabei geht es eben auch grundsätzlich um die Freiheit der Forschung.“
Mit der Klärung könne durchaus auch das Bundesverfassungsgericht beauftragt werden, sagt der Kölner Rechtsanwalt Harro Schultze. Er vertritt Philipp Mimkes, Mitglied des Bündnisses „Coordination gegen Bayer-Gefahren“. Der klagt auf Offenlegung eines Kooperationsvertrages, den die Medizinische Fakultät der Universität Köln, und damit die Universität, 2008 mit dem Pharmakonzern Bayer HeathCare AG geschlossen hat. Es geht darin um die Schaffung eines Regelgerüsts für künftige Forschungsprojekte auf den Gebieten der Kardiologie, der Onkologie, der Augenheilkunde, der Neurologie, der Psychiatrie sowie der Kinderheilkunde.

Universität lehnt Auskünfte ab
Zur Umsetzung soll jährlich Geld von Bayer an die Universität fließen. Auskünfte über Inhalte des Vertrages sowie über die Höhe der Summe lehnt die Universität bislang strikt ab. Sie ist der Überzeugung, dass eine solche Pflicht nicht besteht und zudem verfassungswidrig wäre, weil der Abschluss solcher Verträge Ausdruck der Forschungsfreiheit sei.
Rechtsanwalt Schultze findet dagegen: „Wenn eine demokratische Institution wie die Universität das Recht verweigert, Einsicht in das zu geben, was und wie sie etwas macht, dann bedroht das die Freiheit von Forschung und Lehre. In diesem Fall sieht es so aus, als wäre die Universität die Marionette von Bayer.“
Die „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ hatte 2010 auch den Landesdatenschutzbeauftragten hinzugezogen. Der erhielt Einblick in den Vertrag und empfahl daraufhin der Universität die Offenlegung der Rahmenvereinbarungen. Doch die bleibt bei ihrer Verweigerung. Folgen für die Hochschule hat das keine. Der Landesdatenschutzbeauftragte hat keinerlei rechtliche Möglichkeiten, eine Offenlegung zu erzwingen. „Die Universität ist in ihrer Rechtsstellung selber Trägerin eigener Grundrechte“, sagt Universitäts-Pressesprecher Honecker.

Partnerschaft zwischen Uni und Bayer
Inzwischen geht es nicht mehr nur um das Aushandeln des Regelwerks, an den Kliniken laufen mittlerweile anvisierte Forschungsprojekte. „Die Universität und Bayer haben im Jahr ein sogenanntes Preferred-Partnership-Agreement unterzeichnet. Die beiden Partner arbeiten im Bereich der medizinischen Forschung zusammen und führen vermehrt gemeinsame klinische Studien durch“, so Honecker. Zudem solle die Exzellenz des wissenschaftlichen Nachwuchses durch diese Kooperation verstärkt werden. Dies geschieht durch Einrichtung eines Graduiertenkollegs. Dort werden Doktoranden im Rahmen der Zusammenarbeit gefördert.
Eine Kooperation wie diese bedeutet, dass ein wirtschaftliches Unternehmen einen wesentlich geringeren Teil als die Steuerzahler sowohl in das Forschungspersonal als auch in die örtlichen Gegebenheiten investiert. „Uns geht es zum einen um Transparenz, wie da mit öffentlichen Geldern, also mit unseren Steuermitteln, umgegangen wird“, sagt Mimkes. Zum anderen müsse deutlich werden, wie in diesen Studien Erkenntnisse über Erkrankungen gewonnen werden, ob beispielsweise auch an Patienten geforscht wird. Er fragt: „Und was ist mit den Studienergebnissen? Gehören die Bayer? Können Professoren alles veröffentlichen, oder verschwinden für Bayer unliebsame Erkenntnisse in Schubladen? Und wer profitiert von Patenten?“
Unterstützung in diesen Ansichten erhält das Bündnis von weiteren Initiativen, unter anderem von Transparency International, den Ärzten gegen Atomkrieg, dem Verein demokratischer Ärzte, Medico International, dem Bund demokratischer Wissenschaftler.

Studenten fordern Transparenz
Auch vonseiten der Kölner Studenten gibt es Zuspruch. Ob die wissenschaftliche Unabhängigkeit der gemeinsam erzielten Forschungsergebnisse gewährleistet ist und wer die Verantwortung für die durchgeführten Studien hat, diese Fragen treiben die Kritischen Mediziner um. Ebenso wünscht der Kölner Asta Aufklärung: „Die Studieninhalte sind völlig unklar, auch wer die Verwertungsrechte hat“, sagt Thomas Heise, Ökologie-Referat des Asta.
Drittmittel, die von Wirtschaftsunternehmen kommen, spielen angesichts knapper öffentlicher Kassen eine immer stärkere Rolle an den Universitäten. Zumal die Hochschullehrer mit Inkrafttreten des sogenannten Hochschul-Freiheitsgesetzes diese selbst eintreiben müssen. Rund 22 Prozent machen die Drittmittel an der Gesamtfinanzierung der Hochschulen im Durchschnitt in Deutschland aus. Von diesen 5,9 Milliarden Euro Drittmitteln kommen 20 Prozent von Unternehmen.
„Die Zahlen sprechen nicht dafür, dass von einer Übernahme der Universitäten durch Wirtschaftsunternehmen gesprochen werden kann“, sagt Andrea Franke vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Die Möglichkeit einer unangemessenen Einflussnahme von Unternehmen auf Hochschulen sieht der Stifterverband aber auch.

Empfehlung zur Offenheit
Im November 2011 sprach er in einem „Code of Conduct“ Empfehlungen für die Einrichtung von Stiftungsprofessuren durch private Förderer aus. Darin wird Transparenz gefordert. „Zweck und Inhalt der Förderung muss für die Öffentlichkeit erkennbar und nachvollziehbar sein.“
Eine solche Leitlinie gibt es an der Universität Köln noch nicht. Aber wohl bald, wie Honecker ankündigt. „Sie soll zeitnah verabschiedet werden.“ Vor einem halben Jahr sei eine Kommission gegründet worden, die sich mit den Drittmitteln beschäftige, so Honecker. „Dazu gehören auch Vertreter der Studierenden.“
Als besondere Crux in der Auseinandersetzung sieht Rechtsanwalt Schultze die Ausnahmeregelung im Informationsfreiheitsgesetz NRW an, die unter CDU/FDP-Regierung eingeführt wurde und den Hochschulen seitdem erlaubt, Dokumente, die Forschung und Lehre betreffen, nicht zugänglich machen zu müssen.
Außer in Sachsen-Anhalt gibt es vergleichbare Ausnahmeregelungen für Hochschulen in anderen Bundesländern nicht. „Das ist eine Einschränkung der Informationsfreiheit, die Wirtschaftsunternehmen enormen Zugang gewährt. Auch eine ministerielle Kontrolle ist nicht möglich. Diese Einschränkung ist vielleicht sogar verfassungswidrig. Wenn das so ist, dann muss das gekippt werden.“