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[30 Jahre] STICHWORT BAYER 04/2008

CBG Redaktion

Yes we can!

30 Jahre Coordination gegen BAYER-Gefahren

Einem mächtigen multinationalen Konzern die Stirn bieten? Die Coordination gegen BAYER-Gefahren tut dies seit 30 Jahren. Mit Erfolg. Gegen die Einschüchterungsversuche der Konzernmacht setzt sie ihr ihr entschlossendes „Yes we can!“
Von Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura

Alles begann mit zwei Großunfällen im Wuppertaler BAYER-Werk im Mai und im Juni 1978. Im Rahmen der auf diese Beinahe-Katastrophen folgenden AnwohnerInnen-Proteste gründete sich eine BürgerInneninitiative. Arbeitete diese Gruppe zunächst nur lokal in Wuppertal, so vernetzte sie sich bereits 1979 mit Menschen und Organisationen an anderen BAYER-Standorten. Und ab 1980 auch international. Die „Wuppertaler Bürgerinitiative gegen BAYER-Umweltgefährdung“ entwickelte sich zur „Coordination gegen BAYER-Gefahren“ (CBG). Das weltumspannende Selbsthilfe-Netzwerk der CBG war geboren – trotz ähnlicher Versuche andernorts einzigartig bis heute.

> Erstmals stellte sich eine Gruppe von Menschen einem Konzern über alle Problemfelder hinweg entgegen; üblicherweise beschränkt sich Konzernkritik auf ein einzelne Themen. Die CBG aber bezieht von Abwasser über Nanotechnologie und Tarifbedingungen bis Zyklon B alles gleichermaßen ein, egal ob es sich um ökologische, politische, soziale, technologische oder noch andere Probleme handelt.

> Ebenso erstmals hatte eine zu einem multinationalen Konzern arbeitende Gruppe sich konsequent international vernetzt; üblicherweise arbeiten die Organisationen regional oder national begrenzt. Zwar gibt es eine Vielzahl international arbeitender „Dachverbände“, international aktive Netzwerke sind selbst heute noch ausgesprochen selten. Die CBG arbeitet über alle Ländergrenzen hinweg, unabhängig von Sprache und staatlicher Verfassung.

> Erstmals begann eine Gruppe, sich kontinuierlich und auch historisch systematisch mit einem multinationalen Unternehmen auseinanderzusetzen; üblicherweise wird zwar immer wieder Kritik an den Konzernen geübt, auch an BAYER, aber diese bricht immer wieder ab und es sind auch immer wieder andere Gruppen und Personen, die Kritik üben. Die CBG arbeitet seit 30 Jahren kontinuierlich, bezieht so systematisch wie möglich sämtliche weltweit auftauchende Kritik in ihre Arbeit ein und stellt sie zudem möglichst umfassend in den historischen Kontext beginnend mit der Gründung des BAYER-Konzerns im Jahr 1863.

> Erstmals versuchte eine konzernkritisch arbeitende Gruppe bzw. ein Netzwerk konsequent und umfassend die innerbetrieblichen Interessen mit den außerbetrieblichen zu verbinden; üblicherweise geschieht dies nicht, weil sich die Belegschaften und die AnwohnerInnen bzw. andere Interessengruppen wie Tier- und Umweltschützer, Patienten-Selbsthilfegruppen etc. fremd gegenüberstehen und vom Kapital und seinen Medien auseinanderdividiert werden. Die CBG hat dies von Anfang an zu überwinden versucht und die betrieblichen und außerbetrieblichen Interessen der Menschen zusammengeführt.

Die Entstehung der Wuppertaler BürgerInneninitiative und später dann des eigentlichen Netzwerkes der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fiel in eine politisch sehr aktive Zeit. Zwar waren die großen Revolten der sechziger Jahre in USA, Japan und Europa vorüber, aber nicht zuletzt in deren Schatten hatte sich in der westlichen Welt ein mehr oder weniger großer antikapitalistischer Grundkonsens etabliert. In vielen Ländern führte er zu einem politischen Linksruck, gar zu Revolutionen oder sozialistischen/kommunistischen Regierungen, aber auch in den Hauptländern des Kapitalismus zum Erstarken linker antikapitalistischer Positionen. Parallel dazu traten die ökologischen Probleme verstärkt auf die politische Bühne und es entwickelte sich eine starke Ökologiebewegung.

Vor diesem Hintergrund war es nur konsequent, dass ein Netzwerk wie die Coordination gegen BAYER-Gefahren entstand. Ein konzernkritisches Netzwerk, das am Beispiel eines der großen multinationalen Konzerne konkrete Probleme mit allgemeinen politischen Forderungen und Handlungsansätzen verbindet, das Probleme, egal ob sozial, ökologisch, politisch oder sonst wie geartet, übergreifend dem polit-ökonomischen Problem kapitalistischer Konzernmacht und der Profitwirtschaft zuordnet. Allerdings ist erstaunlich, dass ein solches Netzwerk nur im Fall der CBG dauerhaft erfolgreich Bestand hat, dass es international nur wenige andere Versuche gab und dass diese nur kurze Zeit überdauerten. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass in der CBG sich bereits sehr früh eine Reihe grundlegender Prinzipien herausbildeten und diese gründlich verankert wurden. Dazu gehören:

> Solidarität
Über allem steht das Prinzip der Solidarität. Gegen die Macht des BAYER-Konzerns setzt die Coordination gegen BAYER-Gefahren die Solidarität der Menschen. Dabei wird weder nach Hautfarbe, nach Religion noch nach Weltanschauung gefragt. Über alle Länder- und weltanschaulichen Grenzen hinweg wird praktische und aktive Solidarität mit allen geübt, die – direkt oder indirekt – durch BAYER Schaden an Besitz, Leib und Leben nehmen, an der Entfaltung ihres Lebens gehindert werden oder in ihren Rechten beeinträchtigt sind. Nicht das Trennende, sondern das Verbindende, die gemeinsame Betroffenheit durch die Macht bzw. den Machtmissbrauch des BAYER-Konzerns, steht im Vordergrund. Das erfordert Toleranz, nicht jede Gruppe, nicht jeder Netzwerkpartner hat gleiche Sichtweisen, dennoch gibt es ein solidarisches Miteinander. Das bereits schließt übrigens auch jedweden Rassismus aus.

> Gegen Rechtsradikale und faschistische Ideologien
Zu diesem Prinzip gehört untrennbar, dass Solidarität und Toleranz ihre Grenze finden bei rechtsradikalen und faschistischen Kräften. Nicht nur, weil diese rassistisch ausgerichtet sind, sondern weil sie eine verbrecherische Ideologie vertreten. Zudem war der BAYER-Konzern maßgeblich mit verantwortlich an Installation und Durchführung des Terror-Regimes des Hitler-Faschismus. Entsprechend werden faschistische, rechtsradikale Kräfte nicht nur aus dem Netzwerk ausgegrenzt, sondern die CBG kritisiert diese Ideologie auch aktiv.

> Netzwerk
Als andere den Begriff „Netzwerk“, der erst seit Beginn der 90er Jahre in aller Munde ist, noch nicht einmal kannten, machte sich die CBG bereits daran, ein solches zu errichten. Kein kleines lokales oder regionales, nein gleich ein mächtiges internationales. Wichtig dabei ist, dass die CBG selbst nicht ein Netzwerk ist, sondern dass sie Bestandteil eines – wenn auch entscheidend von ihr aufgebauten und geschaffenen – Netzwerkes ist. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) ist Gleiche unter Gleichen. Sie handelt ebenso wie alle anderen im Netzwerk kooperierenden Partner eigenverantwortlich und in eigenem Namen. Alle Gruppen und Personen im Netzwerk, auch die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), entscheiden über ihre Aktivitäten, über die Zusammenarbeit mit anderen wie auch über den Charakter, das Ausmaß und den Zeitraum der Kooperation selbst und unabhängig. Zugleich findet innerhalb des Netzwerkes eine rege und sehr umfassende nationale und internationale Kommunikation statt. Auch wächst das Netzwerk, es wird von allen gemeinsam kontinuierlich quantitativ und qualitativ ausgebaut.

> Koordinationsaufgabe
Die CBG selbst versteht sich als koordinierende Kraft im Netzwerk. Freiwillig, aber durchaus auch neben bzw. mit anderen Netzwerkpartnern, übernimmt sie den Austausch im Rahmen des Netzwerkes, die Kontinuität der Aktivitäten und den qualitativen und quantitativen Ausbau der Kooperation zu fördern und zu entwickeln. Darüber hinaus entwickelt die CBG aber auch zahlreiche eigenständige BAYER- und konzernkritische Aktivitäten und Kampagnen.

> Benennung der kapitalistischen Ursachen
Von Anfang an war die CBG radikal im Sinne dieses Wortes: Sie blieb nicht an der Oberfläche der Probleme stehen, sondern drang zu den Wurzeln durch. Das genau bedeutet nämlich radikal. Im Fall von BAYER – wie auch bei den meisten anderen Problemen – ist die Wurzel im Diktat des Profits zu finden. Der sich aus der kapitalistischen Verfasstheit ergebende Zwang zum Profit ist die tiefere Ursache für soziale, ökologische und politische Probleme – bei BAYER und anderswo. Verantwortlich für das Profit-Prinzip sind die hinter BAYER stehenden großen Kapitalgeber, die Großaktionäre, die Kapitalisten halt. Sie verlangen Dividende, die ökologischen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen und Konsequenzen sind ihnen egal. Diese Benennung der Ursachen hat einen wichtigen Nebeneffekt: Bei aller Verschiedenheit der Themen wird das zu Grunde liegende gemeinsam Problem für die auf verschiedenen – ökologischen, sozialen und politischen – Feldern aktiven Gruppen und Personen deutlich und eint sie dadurch.

> Vision
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) verfügt aber auch über eine Vision. Es ist die Vision von einer umweltgerechten und menschenfreundlichen Produktion bei BAYER (und überall). Möglich wird dies nur über die Abschaffung des Profitprinzips und die Schaffung einer auf Solidarität ausgerichteten Organisation des Konzerns (und der gesamten Gesellschaft). BAYER steht dann zum Wohle der Menschheit und der Umwelt selbstverständlich unter gesellschaftlicher Kontrolle und folgt Prinzipien des Friedens, des Umweltschutzes, der Gerechtigkeit und der sozialen Sicherheit.

> Öffentlichkeit
Die Herstellung maximaler Öffentlichkeit ist für die CBG von zentraler Bedeutung. Es war schon zu Zeiten der Wuppertaler BürgerInneninitiative klar, dass die Konfrontation mit einem Konzern nur unbeschadet und erfolgreich Bestand hat, wenn sie auf breite öffentliche Unterstützung baut. „Alleine bist Du verloren, gemeinsam sind wir stark!“ – diese uralte Erfahrung aller Bewegungen gegen Unterdrückung und Ausbeutung macht sich die CBG immer wieder neu zu eigen. Unermüdlich baut die CBG diese Öffentlichkeit aus. Dazu gehört übrigens auch, dass den Verlockungen von vertraulichen Dialogen, von Vieraugen-, Kamin- und anderen Gesprächen mit dem Konzern nicht nachgegeben wird. Alle Auseinandersetzungen, Diskussionen und Gespräche müssen grundsätzlich öffentlich stattfinden.

> Konsequent
Klar ist für die CBG auch, dass die Auseinandersetzungen mit dem Konzern konsequent geführt werden müssen, sollen sie von der breiten Öffentlichkeit verstanden und getragen werden. Taktieren und falsche Kompromissbereitschaft erübrigen sich, direkte Aktionen, das unumwundene Benennen der Zusammenhänge sind zwingend. Die Verantwortlichen – nämlich nicht „der Konzern“, sondern die verantwortlichen Manager und die verantwortlichen Großaktionäre – müssen beim Namen genannt werden. Entsprechend nutzt die CBG regelmäßig die AktionärInnenhauptversammlungen des BAYER-Konzerns als Tribüne der Auseinandersetzung und legt dort Jahr für Jahr eine Bilanz der sozialen, ökologischen, technologischen, politischen und anderen Folgen der Profitgier der AktionärInnen und des Managements ab.

> Unabhängigkeit
Wichtig ist, dass die CBG sich stets nur auf die eigenen Kräfte verlässt. Sie leistet nur, was sie selbst schaffen und finanzieren kann. Weitestgehende Ehrenamtlichkeit ist ebenso selbstverständlich wie höchstmögliche Qualität der Arbeit und maximale Effizienz. Inhaltliche Unabhängigkeit gibt nicht nur Spielraum, sondern auch Selbstvertrauen. Es gibt keine finanziellen Abhängigkeiten von irgendwelchen Fördertöpfen (die bleiben der CBG aufgrund ihrer als Radikalität interpretierten konsequenten konzernkritischen Haltung sowieso verschlossen), sondern entscheidend sind die vielen tausend 5-Euro-Spenden, die „GarantInnen“, die mit größeren Spenden helfen und die vielen Fördermitglieder, die mit regelmäßigen Förderbeiträgen die Arbeit sichern.

> Beispielcharakter
Und schließlich ist es ein Prinzip der Coordination gegen BAYER-.Gefahren (CBG), dass sie sich zwar auf BAYER konzentriert, aber ihre Arbeit zugleich lediglich als Beispiel versteht. Die CBG unterstützt aktiv und umfangreich konzernkritische Arbeit ganz allgemein. Zwar ist BAYER ein großer Chemiehersteller, aber als solcher steht er nicht nur stellvertretend für die gesamte chemische Industrie, sondern für die gesamte Konzern-Riege in aller Welt. Auch wenn sich die Konzerne in der Tat untereinander feindlich gegenüberstehen, so funktionieren sie doch nach dem gleichen Prinzip, dem Profit-Prinzip, und gleichen sich entsprechend. Ein Problem mit und bei BAYER lässt sich also nicht nur auf andere Konzerne der gleichen Branche übertragen, sondern auch auf jeden beliebigen anderen Konzern.

Auch wenn die verschiedenen im Rahmen der CBG kooperierenden Gruppen und Personen – immerhin heute 85.000 weltweit – eigenständig und eigenverantwortlich handeln, haben sie durch die Zusammenarbeit im Rahmen des Netzwerkes doch einige entscheidende Vorteile:

> Schneller KnowHow-/Wissenstransfer
Die Gruppen im Netzwerk profitieren von den Erfahrungen der jeweils anderen. Betroffene, die anfangen sich mit dem Konzern auseinanderzusetzen, müssen sich nicht immer wieder neu mühsam Wissen und Erfahrungen aneignen, sie können auf den Erkenntnissen anderer aufbauen, die sich ebenfalls mit BAYER auseinandersetzen oder aber in der Vergangenheit auseinandergesetzt haben. Und das vor allem sehr schnell und unkompliziert.

> Größere Wirkung
Der Widerstand und die Kritik erhalten durch die Bündelungen und Kooperationen im Rahmen des Netzwerkes größere Wirkung, weil nicht nur verschiedene AkteurInnen mit gleichen Themen gemeinsam handeln können, sondern weil die CBG ihrerseits die Kritik aufgreift und in geeigneter Weise die Konzernzentrale in Leverkusen/Deutschland damit konfrontiert.

> Größere Öffentlichkeit
Kritik und Widerstand erlangen eine deutlich breitere Öffentlichkeit. Hing vorher die öffentliche Resonanz einzig von der Kraft der jeweiligen Akteure ab, blieben vorher die Probleme in Ländern der Dritten Welt oder an abgelegenen Standorten sogar gänzlich unbeachtet, so sorgt jetzt die Zusammenarbeit im Netzwerk für weltumspannende Beachtung in der interessierten Öffentlichkeit und in der internationalen Medienlandschaft.

Die Entstehung eines solch konsequent konzernkritischen Netzwerkes blieb nicht ohne Reaktion von BAYER. Und wenn man BAYER sagt, meint man die Macht, die Politik, die gesellschaftlichen Eliten. Denn der Konzern, die hinter dem Konzern stehenden Großaktionäre und das Management, sind in vielfacher persönlicher und institutioneller Weise mit wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Macht verwoben. National und international. Die Reaktion auf die Gründung und das Wirken der CBG kam prompt und mit großer Gewalt. Und sie hält bis heute an. Dabei lassen sich mehrere wesentliche Methoden nennen:

> Antikommunismus
Bereits seit dem Tag, da sich die Wuppertaler Bürgerinitiative im August 1978 nicht bereit fand zu „vertraulichen Gesprächen“ mit BAYER, war für die Verantwortlichen im Konzern klar, dass es keine „freundliche Übernahme“ wie bei zahllosen anderen Organisationen und KritikerInnen gegen würde. Die BAYER-Öffentlichkeitsarbeit holte die schärfste Waffe aus dem Arsenal: Antikommunismus. Spätestens seit Thomas Mann wissen wir: „Die Grundtorheit des Jahrhunderts ist der Antikommunismus.“ Und seit Albert Schweitzer: „Kaum sagt man ein kluges Wort, schon ist man Kommunist.“ Und tatsächlich, noch immer ist der Antikommunismus ein Totschlagargument, das von der sachlichen Auseinandersetzung auf eine diffuse unsachliche Ebene ablenkt, das mit Argumenten nicht ausgeräumt werden kann und das maximal diffamiert. Um die antikommunistische Argumentation zu erhärten, ließ BAYER sogar einmal Werkschutzleute mit DKP-Fahnen aufmarschieren. So sollte der Eindruck erweckt werden, die CBG sei fest in DKP-Hand. Tatsächlich jedoch sind Kommunisten in der CBG ausgesprochen rar (der Autor dieses Beitrags ist eines der wenigen DKP-Mitglieder).

> Diffamierungen
Der Antikommunismus wird ergänzt durch eine endlose Palette von Diffamierungen. BAYER-Kritik kann noch so qualifiziert sein, die kritischen Fachleute können Doktoren- und Professorentitel haben, so viel sie wollen, stets ist alles, was sie sagen „unsubstanziiert“ und „unqualifiziert“; „falsch“, „unbegründet“ und „unsachlich“ ist es sowieso. Den Gipfel der Diffamierung bildet die nachgewiesenermaßen von einem BAYER-Werkschutz-Mann lancierte Meldung in einer Kölner Zeitung: „Coordination gegen BAYER-Gefahren plant Sprengstoffanschläge auf Chemie-Transporte.“

> Spaltung
Immer wieder versucht der Konzern zu spalten. In „gute“ Kritiker, mit denen man „sachlich“ und „vernünftig“ reden könne, und solchen, die „kommunistisch gesteuert“ seien, denen es lediglich um „Diffamierung und Krawall“ gehe, die „Argumenten nicht zugänglich“ seien. Um solche Spaltungen zu realisieren, lädt der Konzern gern zu (vertraulichen) „Kamingesprächen“ ein, spendet reichlich und unterhält große Förderprogramme für alles Mögliche. Darunter zynischerweise auch Projekte zur Bekämpfung der Armut oder zum Schutz der Umwelt. So gelang es dem Konzern beispielsweise auch einmal, einen Kampfstoff-Kritiker der „Wissenschaftler für den Frieden” als Chef-Genetiker einzukaufen.

> Mittelentzug
Bereits 1983 wurde aktenkundig wie systematisch dafür gesorgt wurde, das konsequenter BAYER-Kritik die finanziellen und organisatorischen Mittel entzogen werden sollen. Der Polizeipräsident von Wuppertal wirkte in ungesetzlicher Weise auf das Amtsgericht Solingen ein, um die Vereinszulassung und jede „Förderung zu unterbinden“. Dieses historisch wertvolle Dokument gelangte durch eine einstweilige Verfügung der CBG in unseren Besitz und wurde so öffentlich. Doch es nützte nichts, bis zum heutigen Tag wird der Coordination gegen BAYER-Gefahren die Gemeinnützigkeit verweigert. Und viele andere verweigern die sonst für Umweltschutz, Entwicklungspolitik etc. übliche Förderung gleich mit: Von der grünen Partei („Wenn Ihr Euch mit BAYER anlegt, seid Ihr selber schuld“) bis zu kirchlichen Fonds („der Kirchenkreis Leverkusen legt sein Veto ein“).

> Anzeigen-Entzug
Um die Berichterstattung über die CBG zu unterbinden, setzt der Konzern immer wieder kurzerhand die Pressefreiheit außer Kraft. Kaum wird bekannt, dass es eine Berichterstattung geben wird (und es wird meistens bekannt, denn kaum ein Journalist wagt es, ohne Einholung einer Stellungnahme beim Konzerns zu berichten), schaltet der Konzern die Chefredaktionen ein und verlangt ultimativ die Streichung des entsprechenden Beitrags. Bei Rundfunk- und Fernseh-Medien selbst noch bei laufender Sendung. Monitor strahlte mit versteckter Kamera gefilmt die Schulung von BAYER-Öffentlichkeitsverantwortlichen aus allen Werken der Welt aus. Dort hieß es: „Wenn Ihr ein Problem mit ungenehmer Berichterstattung habt, meldet es zu uns, zum Headquarter, wir werden es abstellen.“ Wer dennoch berichtet, muss mit Bestrafung rechnen, mit Anzeigenentzug und Schlimmerem. Selbst STERN und SPIEGEL mussten auf viele Werbemillionen von BAYER verzichten, „damit die Jungs in Hamburg mal lernen, wer hier das Sagen hat!“ (BAYER-Öffentlichkeitschef Springer).

> Prozesse
Natürlich nutzt der Konzern auch die Macht seiner Rechtsabteilung und zugekaufte Legionen von Star-AnwältInnen. Die längste Prozess-Serie gegen einen Kritiker dauert nun schon 40 Jahre und hat dem betreffenden widerborstigen Düsseldorfer nicht nur sein Vermögen gekostet, sondern auch die Gesundheit. Bereits zu Beginn der Prozessfolter wurde ein BAYER-Strategie-Papier bekannt, in dem klipp und klar zu lesen steht, dass der Prozess für den Konzern „juristisch nicht zu gewinnen“ sei und deshalb auf „physiklischen Sieg“, also Prozess bis zum Tod des Gegners, gesetzt werden müsse. Die CBG hat in einer endlosen Zahl von Fällen miterleben müssen, wie Menschen, Organisationen und selbst Regierungen vor BAYER in die Knie gegangen sind, obwohl sie nach allen Regeln des gesunden Menschenverstands und auch nach dem Verständnis angesehener JuristInnen alles Recht der Welt auf ihrer Seite hatten.

> Bespitzelung
Nicht nur der Werkschutz bespitzelt die KritikerInnen umfangreich, auch Verfassungsschutz und Geheimdienste sind am Werk. In einem der Prozesse rühmte sich ein BAYER-Anwalt in einer Stellungnahme zu einem von der CBG vorgelegten BAYER-internen Spitzel-Protokoll, dass der Konzern „natürlich seine Gegner überwacht und sich über jeden Schritt Information beschafft“. Immer wieder gibt es Hinweise, dass die Kommunikation von Mitgliedern der CBG kontrolliert wird und dass ihre Reisen überwacht werden. Einmal wurde der Autor von einem Zivilfahrzeug gestoppt und um eine Geldbuße erleichtert: „Wir haben den Auftrag, Sie zu überwachen und waren hinter Ihnen, als Sie vorhin das Stopp-Schild überfahren haben.“

> Bedrohung
Doch auch Bedrohung und Gewalt wird angewandt. Werkschützer gingen schon handgreiflich gegen Transparente und Flugblätter vor, schlugen auch auf öffentlichem Gelände zu, wenn grade keiner schaute und versuchten Kritiker mit dem Wagen über den Haufen zu fahren. Inwieweit unter der Tür durchgeschobene Morddrohungen in BAYER-Büros verfasst wurden, ließ sich bis heute nicht nachweisen. Ebenso wurden die Einbrüche in die CBG-Geschäftsstelle und die Anwaltsbüros der CBG nie geklärt. Die Herkunft von Zetteln mit Morddrohungen hinter dem Scheibenwischer, auch am Wagen des Autors, konnten natürlich ebenfalls nie ihrer Anonymität entrissen werden.

Das Umfeld der CBG hat sich im Laufe ihrer Existenz immer wieder entscheidend gewandelt. Waren in den Anfangszeiten Rolle und Bedeutung des Profits und der Konzerne gesellschaftlich breit verankert, so hat sich das durch die Sozialdemokratisierung der politischen Linken, durch die gleichzeitige kontinuierliche Entwicklung der Sozialdemokratie selbst nach rechts, durch die damit einhergehende Anbiederung der Gewerkschaften an das Kapital und durch die vom Kapital aufgrund dieser Entwicklungen erfolgreich betriebene weltweite neoliberale Wende (bis hin zum Ruin der Sowjetunion und der europäischen sozialistischen RGW-Staaten) dramatisch verändert. Begriffe wie „Profit“ und „Kapitalismus“ waren – obwohl grundlegende wirtschaftswissenschaftliche Kategorien – plötzlich der „Jargon von Ewiggestrigen“. Damit wurde nicht nur die Existenzsicherung der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) schwierig, der Konzernwiderstand insgesamt erlitt große Niederlagen. Reihenweise gingen konzernkritische ebenso wie linkspolitische Gruppen und Organisationen zu Grunde. Es wurde für die CBG sehr schwer in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern das Netzwerk auszubauen und auf breite Solidarität gegründete Aktivitäten durchzuführen.

Erst Mitte der 90er Jahre wurde breiten Bevölkerungsteilen und auch in größeren Teilen der politischen Bewegungen diese von den Herrschenden suggerierte Selbstzensur bewusst. Der Blick auf die gesellschaftlichen, die politischen und wirtschaftlichen Realitäten wurde wieder klarer. Befördert übrigens vom Kapital selbst, das in seinem Profit-Höhenflug die Dinge unverhohlen beim zutreffenden Namen nannte und die Verhältnisse zurecht rückte: Der Kapitalismus wurde Kapitalismus und der Profit wurde Profit genannt. Dennoch war der weltweite breite antikapitalistische Widerstand zusammen mit den sozialistischen Ländern zusammengebrochen, die Bundeswehr hatte ungehindert den Auftrag bekommen, „Rohstoffe und Märkte für die deutsche Wirtschaft zu sichern“, die USA und andere Großmächte brachen fürchterliche Kriege vom Zaun, auch Deutschland zog erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges wieder in den Krieg, die sozialen Systeme wurden mehr und mehr zerschlagen, die Errungenschaften der Arbeiterbewegung wie der 8-Stundentag wurden rückgängig gemacht usw. usf..

Erst im neuen Jahrtausend kam neu formierter Widerstand wieder zur Wirkung. Die weltumspannende Sozialforumsbewegung schreckte die Herrschenden aus ihrer selbstgefälligen Ruhe, mächtige Streikwellen rollten durch die Länder, selbst Deutschland blieb nicht davon verschont, in einigen Ländern Lateinamerikas und Asiens wurde der Sozialismus wieder neu auf die Tagesordnung gesetzt und im antikommunistischen Deutschland kann sich eine Partei wieder „Die Linke“ nennen, Marx und das kommunistische Manifest zitieren und trotzdem zweistellige Wahlergebnisse einfahren.

In all diesen 30 Jahren, um die es in diesem kurzen Schnelldurchgang geht, hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) erfolgreich gearbeitet. Sie ist nicht zu Grunde gegangen, sie hat nicht an Wirksamkeit und Bedeutung verloren, es ist BAYER nicht gelungen, sie zu ruinieren, sie hat nicht ihren Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Nein, das alles hat sie nicht. Im Gegenteil, sie ist unbeirrt ihren Prinzipien treu geblieben, hat konsequent ihr Kerngeschäft, die BAYER-Kritik, betrieben und hat sowohl das internationale Netzwerk als auch die Zahl der Mitglieder und SpenderInnen deutlich ausgebaut.

Und jetzt schlägt die weltweite Finanzkrise zu. Das kapitalistische Hochprofit-Gebäude, errichtet von Konzernen und Banken im Auftrag von mächtigen Kapitalbesitzern, von denen die nach dem amerikanischen Wirtschaftsmagazin FORBES ermittelten 1.125 Reichsten mit 4,4 Billionen US Dollar soviel besitzen wie die 145 ärmeren Länder der Erde mit zusammen einem Drittel der Weltbevölkerung (2,1 Milliarden Menschen). Was diese Weltkatastrophe bringen wird, ist derzeit unklar. Mit Sicherheit steht fest: Nichts Gutes für die Menschen und die Umwelt. Bereits heute muss eine Milliarde Menschen hungern, immerhin 1/6 der Menschheit.

Werden Globalisierung und Finanzkrise die Coordination gegen BAYER-Gefahren in die Knie zwingen? Tatsache ist, dass ebenso wie die Realeinkommen der Bevölkerung die Einnahmen der CBG gesunken sind. Sie liegen nominal auf dem Niveau von 1993. Doch Mut macht, dass die Zahl der Mitglieder und SpenderInnen ungebrochen wächst (auch wenn zugleich die Summe der Beiträge und Spenden sinkt). Das zeigt, dass der Rückhalt der CBG, die Unterstützung für das Netzwerk, die Zustimmung zur konzernkritischen Arbeit auf wachsende öffentliche Unterstützung stößt. Und das gibt Gewissheit, dass die Coordination gegen BAYER-Gefahren ihre Arbeit auch weiterhin erfolgreich wird machen können. Nötig ist sie sowieso, denn Klimakatastrophe und Finanzkrise machen die Verantwortung der Konzerne klar wie nie zuvor. Was wiederum deutlich macht, dass das Profitsystem und die Macht des großen Kapitals gebrochen werden müssen. Die CBG wird sicher auch weiterhin ihren Beitrag am Beispiel des BAYER-Konzerns dazu leisten. Yes wie can!*