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Kooperation BAYER - Uniklinik Köln

4. Juni 2009, Telepolis

Geheimnisvolle Partnerschaft

Seit Monaten versuchen mehrere Verbände, Details über einen Vertrag der Uni Köln mit der Bayer AG herauszubekommen. Nun bekommen sie Unterstützung

Ursprünglich sollte es eine einmalige Zusammenarbeit zwischen der Universität zu Köln und dem Pharmariesen Bayer werden. Inzwischen aber sorgt das Anfang vergangenen Jahres unterzeichnete Kooperationsabkommen für zunehmende Probleme. Denn rund zehn Verbände und studentische Gruppen fordern die Offenlegung des Kooperationsvertrages. Sie befürchten aus Konzerninteressen entstehende Nachteile für Forschung und Lehre. Wiegen wirtschaftliche Interessen zu schwer, könnte es sogar zu Gefahren für Patienten geben, die an medizinischen Versuchsreihen teilnehmen. Nun bekommen die Kritiker Rückendeckung aus dem Büro der Beauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen für Datenschutz und Informationsfreiheit. Es gebe keine Gründe, den Kontrakt geheim zu halten, heißt es in einer ersten Stellungnahme.

Dabei hatte Andreas Pinkwart, "Minister für Innovation" des Landes NRW, das Abkommen zwischen Universität und Unternehmen Ende März 2008 noch gelobt: Es sei die weitest reichende Kooperation, "die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist". Der FDP-Politiker Pinkwart ließ seine Freunde über die Zusammenarbeit bekunden, ?weil sie beide Seiten stärkt. Sie bedeutet darüber hinaus einen großen Gewinn für die Arzneimittel-Forschung in Nordrhein-Westfalen".
Tatsächlich ist die Vereinbarung zur Pharmaforschung in ihrer Tragweite einmalig. In Kardiologie, Onkologie, Augenheilkunde, Neurologie, Psychiatrie und Kinderheilkunde wollen die traditionsreiche Kölner Hochschule und das Bayer Teilunternehmen Bayer Health Care gemeinsam forschen. Ein Graduiertenkolleg soll bis zu dreijährige Promotionspfade in mehreren Wissenschaftsbereichen anbieten. Dabei wollen die Vertragsparteien nach Auskunft der Universität unter anderem Doktorarbeiten in der Toxikologie und Erkennung von Biomarkern unterstützen.

Wie weit gehen die Konzerninteressen?
Andernorts hält sich die Begeisterung, mit der das Abkommen seitens der CDU-FDP-Landesregierung begleitet wurde, in Grenzen. "Wir befürchten eine Ausrichtung der pharmakologischen Forschung an öffentlichen Einrichtungen nach rein wirtschaftlichen Kriterien", heißt es auf der Internetseite der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG). Der Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Aktivisten war im November vergangenen Jahres treibende Kraft bei der Initiative zur Veröffentlichung des Vertrags. In einem ersten offenen Brief an die Universität Köln formulierten die CGB und neun weitere Verbände sowie studentische Organisationen damals ihre Bedenken. Die Pressestelle der Hochschule hatte zuvor "aus rechtlichen Gründen" jegliche Auskunft verweigert. Vertreter der Vertragsparteien befürchten bei einer Veröffentlichung des Kontrakts Wettbewerbsnachteile. Sie berufen sich deshalb auf das Betriebsgeheimnis des beteiligten Pharmakonzerns.
Gerade das macht die Kritiker der Zusammenarbeit stutzig. Ob der Interessenschutz für Bayer auch so weit gehe, fragten sie, dass negative Forschungsergebnisse nicht veröffentlicht werden. Auch die Publikation gescheiterter Experimente im Rahmen der privat-öffentlichen Zusammenarbeit könnte schließlich als betriebsschädigend eingestuft werden. Zudem wollten die Autoren des Briefes wissen, wem etwaige Neuentwicklungen am Ende gehören: der Universität oder dem Unternehmen.
Der Justitiar der Hochschule, Alexander May, ließ sich mit der Antwort Zeit. Erst Ende März dieses Jahres erhielten die Skeptiker der Zusammenarbeit eine Antwort. Zwar gab der Jurist nach Rücksprache mit der Medizinischen Fakultät der Uni Köln einige Details zu der "präferierten Partnerschaft" mit Bayer bekannt. Im Detail antwortete er jedoch nicht auf den Fragenkatalog der Verbände. Schließlich, so Mai, räume das Informationsfreiheitsgesetz des Landes NRW Institutionen ein Schweigerecht ein, die in Forschung und Lehre aktiv sind. Es bestehe daher keine Auskunftspflicht.

Büro der Datenschutzbeauftragten widerspricht
Falsch, urteilte das Büro der zuständigen Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Bettina Sokol. Zwar gebe es im genannten Gesetz die genannte Klausel. Dennoch folgte das Büro der Landesbeauftragten der Rechtsauffassung der Universität nicht. Der Vertragstext beziehe sich lediglich auf Regelungen zu organisatorischen Fragen, "die in keiner Weise einzelne Forschungsprojekte konkret festlegen oder inhaltlich bestimmen". Die Universität zu Köln wurde deswegen um eine "ergänzende Stellungnahme" gebeten. Die so gestärkten Kritiker legten in einem zweiten offenen Brief Ende Mai nach. Es auch weiterhin zahlreiche offene Fragen zu Eigentumsverhältnissen, etwaigen finanziellen Verpflichtungen des Konzerns, Geheimhaltungspflichten und zum Verlauf klinischer Pharmastudien.
Der Streit hat eine weiter reichende Bedeutung: Es geht um die Frage, wie die öffentlichen Interessen bei einer Zusammenarbeit zwischen privaten Konzernen und von Steuern finanzierten Hochschulen gewahrt werden können. Vergangene Abkommen haben gezeigt, wie vertraglich fixierte Geheimhaltungspflichten die Freiheit von Forschung und Lehre einschränken können. In anderen Fällen wurden die öffentlichen Institutionen übervorteilt, etwa durch Vorabtretungspflichten möglicher Patentrechte.
Und schließlich weisen die Kritiker der Kölner Kooperation auf Gefahren für beteiligte Patienten hin. Jan Pehrke, Journalist und Mitglied im CBG-Vorstand, erinnerte auf der Jahreshauptversammlung des Leverkusener Konzerns Mitte Mai an die Aussage des britischen Prüfarztes und Chirurgen Stephen Karran, der Anfang der 1990er Jahre für Bayer Pharmastudien durchführte. Entgegen ärztlichem Rat habe das Unternehmen Probanden damals nicht darauf aufmerksam gemacht, dass das dabei in Großbritannien getestete Markenantibiotikum Ciproxin (Ciprofloxacin) bei paralleler Einnahme anderer Wirkstoffe seine Effizienz verlieren kann. Bei mindestens einem Probanden sei es deswegen zu einer lebensgefährlichen Infektion gekommen. Die Autoren des offenen Briefes wollen deswegen auch wissen, ob die Forscher einen klinischen Versuch im Gefahrenfall nach eigenem Ermessen abbrechen können. Auf eine Antwort auf diese Frage warten sie noch. Harald Neuber

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