AKTION & KRITIK
Massive Kritik am AWMF
Die „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften“ (AWMF) hat zwei Positionspapiere veröffentlicht, in denen sie sich gegen eine „pauschale Kriminalisierung der Zusammenarbeit“ mit BAYER & Co. verwahrt. Kongresse und Fortbildungen wären ohne die freundliche Unterstützung der Industrie „nicht in dem notwendigen Maße umsetzbar“, gibt die AWMF zu bedenken. Und die BeraterInnen-Verträge der Pharma-Riesen mit ÄrztInnen dienen ihrer Ansicht nach dem medizinischen Fortschritt. Nur bei der Auftragsforschung (siehe auch FORSCHUNG & LEHRE) räumt die Arbeitsgemeinschaft eine ungute Rollenverteilung ein: „Die vielfach monierte Tatsache der industrie-dominierten Studien-Protokolle und Datenverwertung wird auch von der AWMF kritisiert.“ Das reicht den Mediziner-Innen-Initiativen MEZIS und LEITLINIENWATCH jedoch ebenso wenig wie TRANSPARENCY INTERNATIONAL. Sie forderten die AWMF in einer gemeinsamen Stellungnahme dazu auf, selbst aktiv zu werden und auf mehr öffentliche Gelder für die Medikamenten-Forschung zu drängen, um sich aus der Abhängigkeit von den Konzernen zu lösen. Auch in anderen Bereichen sahen sie die Unternehmen als verzichtbar an. „KrankengymnastInnen, PsychologInnen und JuristInnen bilden sich seit jeher aus eigener Tasche fort“, halten sie fest. Die Praxis, Doctores als BeraterInnen zu verpflichten, lehnen MEZIS & Co. ebenfalls ab. „Die Industrie nutzt (...) Berater-Verträge oft, um meinungsbildende ÄrztInnen (...) zu binden und auf eigene Interessen zu verpflichten. Bisweilen sind fast alle prominenten VertreterInnen von Fachgesellschaften durch Berater-Verträge mit Arznei-Firmen liiert“, konstatieren sie. Überdies treten die Organisationen für gesetzliche Regelungen zur Zurückdrängung des Einflusses von Big Pharma auf das Gesundheitswesen ein.
BAYER bekommt Glyphosat-Post
Im Dezember 2021 durfte sich der BAYER-Manager Niels Bjerre in der dänischen Wochenzeitung Weekendavisen über die vermeintlich segensreichen Effekte von Glyphosat verbreiten. Ein erboster Leser schrieb daraufhin nicht nur der Redaktion, sondern auch Bjerre selbst. In dem Brief wies er ihn unter anderem auf sechs Bücher hin, die der Agro-Chemikalie Gefährlichkeit bescheinigen. Der Cropscience-Produktmanager antwortete, er kenne diese Veröffentlichungen nicht, sei sich aber sicher, dass das Ackergift von der EU erneut eine Zulassungsverlängerung erhalte, da die ForscherInnen dem Mittel seit nunmehr schon fast 50 Jahren Unbedenklichkeit bescheinigten. Das erboste den Leser noch mehr. Darum ließ er dem BAYER-Chef Werner Baumann sowie drei Konzern-WissenschaftlerInnen einen Offenen Brief zukommen, der dreizehn Seiten lang die Risiken und Nebenwirkungen des Herbizids aufführte.
Viele Marches against BAYER & Co.
Die „Marches against MONSANTO“ am 21. Mai jeden Jahres hatten eine lange Tradition. Vielerorts setzen AktivistInnen diese auch nach BAYERs Übernahme des US-Unternehmens fort. So fand an dem Tag in Basel, wo die SYNGENTA ihren Stammsitz hat, ein „March against BAYER & SYNGENTA“ statt, in Buenos Aires eine „Marcha contra MONSANTO“ und in Hamburg ein „March against MONSANTO/BAYER. Schwerpunkt der Proteste aber war Frankreich. In Dijon, Lille, Lorient, Marseille, Nizza, Nîmes, Paris, Straßburg, Tours und Valprivas gab es „Marches contre BAYER/MONSANTO et l’agrochimie“.
Kritik am Carbon Farming
Ungeachtet des enorm viel Kohlendioxid produzierenden Herstellungsprozesses von Glyphosat versucht BAYER unermüdlich, das Pestizid als Klimaretter ins Spiel zu bringen. Der Einsatz des Mittels erspare den LandwirtInnen das Pflügen, welches das im Boden gebundene CO2 freisetze, argumentiert der Konzern. Dabei gibt es auch schonender Methoden, Humus aufzubauen und so die CO2-Speicherfähigkeit der Äcker zu erhöhen. Das allerdings ficht den Leverkusener Multi nicht an. Über das „BAYER Carbon Program“ bewirbt er das Pestizid. Im Verbund mit anderen Agro-Riesen hat das Unternehmen das sogenannte „Carbon Farming“ sogar schon der EU schmackhaft gemacht. Bei ExpertInnen stößt das auf Kritik. „Das Carbon Farming der EU-Kommission halte ich in Teilen für Greenwashing“, erklärt etwa die Agrarwissenschaftlerin Andrea Beste. „Man kann auf dem Acker keinen Klimaschutz betreiben“, sagt sie, „nur Klimaanpassung. Wer Humus aufbaut, stellt die Funktionen des Boden wieder her und erhält sie. Dass dabei Kohlendioxid im Boden gebunden wird, ist ein Nebeneffekt. Durch eine Wiedervernässung ehemaliger Moorböden oder den Verzicht auf energie-intensiven Kunstdünger lässt sich das Klima schneller und intensiver schützen.“ Auch Julius Palm, der das von dem Biolebensmittel-Hersteller FOLLOWFOOD gegründete „Büro für Nachhaltigkeit“ leitet, spricht sich dagegen aus, mit dem umstrittenen Herbizid Carbon Farming zu betreiben. „Ein paar regenerative Maßnahmen umsetzen und Glyphosat sprühen, das ist keine regenerative Landwirtschaft“, konstatiert er.
UBA kritisiert BAYER & Co.
BAYER & Co. können bei den Pestizid-Genehmigungen Rosinenpickerei betreiben und ihre Anträge gezielt in den EU-Ländern mit den laschesten Anforderungen stellen, um eine für die ganze Staatengemeinschaft geltende Zulassung zu erhalten. Und sie nutzen dieses Recht massiv aus, wie das Umweltbundesamt (UBA) kritisiert: Nur noch neun Prozent aller Prüfungen finden in Deutschland statt, im Zeitraum von 2011 bis 2013 waren es noch 46 Prozent. Als Beispiel dafür, wie problematisch diese Entwicklung ist, verweist das Amt neben S-Metolachlor auf den Herbizid-Wirkstoff Flufenacet, enthalten unter anderem in dem BAYER-Mittel LIBERATOR PRO. „Für beide Fälle hat das UBA ein hohes Eintragspotenzial in das Grundwasser nachgewiesen und bereits erhöhte Konzentrationen in vielen Grundwasserkörpern deutschlandweit festgestellt“, schlägt die Behörde Alarm. Sie wollte deshalb Maßnahmen bis hin zur Zulassungsverweigerung treffen, die allerdings vor Gericht keinen Bestand hatten. Deshalb fordert das Umweltbundesamt jetzt eine Änderung der Pflanzenschutzmittel-Verordnung der Europäischen Union.
Gegen die „Toxic Alliance“
Die Vereinten Nationen und ihre Unter-Organisationen geraten immer mehr unter den Einfluss der Superreichen und der Konzerne. So ging die UN im Jahr 2000 eine Kooperation mit BAYER und 43 weiteren Multis ein. Inzwischen schlossen sich über 7.000 weitere Unternehmen diesem „Global Compact“ an. Unterdessen bestimmt Bill Gates mit seinem Spenden-Geld immer mehr die Agenda der Weltgesundheitsorganisation. Und auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO öffnete sich den Unternehmen. Sie vereinbarte im Oktober 2020 eine Partnerschaft mit „Croplife International“, dem weltweit agierenden Lobby-Verband von BAYER & Co. Umweltverbände und andere Initiativen protestierten von Anfang an scharf gegen diese „Toxic Alliance“, die das agro-industrielle Modell verfestigt. Aus Anlass der 170. Sitzung des FAO-Rates, die vom 13. bis 17 Juni 2022 stattfand, appellierten nicht weniger als 430 Gruppen aus 69 Ländern, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, erneut an die Verantwortlichen, die Kooperation zu beenden. „Die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen der FAO und „CropLife International“ wirkt allen Bemühungen um ein schrittweises Verbot hochgefährlicher Pestizide, wie es der FAO-Rat bereits 2006 zur Prüfung empfohlen hat, direkt entgegen“, heißt es in dem Schreiben unter anderem.
KAPITAL & ARBEIT
Immense Lohnspreizung
Bei BAYER geht die Gehaltsschere weit auseinander. So übersteigt das Salär des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann den durchschnittlichen Jahreslohn eines Tarif-Beschäftigten um den Faktor 95. Seine VorstandskollegInnen streichen das 57-Fache ein. Zu allem Übel vertiefte sich der Graben im Geschäftsjahr 2021 noch einmal. Während die Vorstandsbezüge um 4,7 Prozent zulegten, erhöhte sich der Verdienst der Tarif-Beschäftigten bloß um 1,3 Prozent. Auf der Hauptversammlung im Jahr 2009 hatte eine Vertreterin des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE vorgeschlagen, die auch zu dieser Zeit schon eklatante Einkommensspreizung in einem ersten Schritt auf den Faktor 20 zurückzuführen. Sie erhielt jedoch eine schnöde Abfuhr: BAYERs damaliger Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider sprach sich vehement gegen solche „statistischen Grenzen“ aus. Auch der jetzige Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann ließ darüber auf der letzten Hauptversammlung nicht mit sich reden: „Darin sehen wir aus verschiedenen Gründen keinen Mehrwert.“ Und über die großen Einkommensunterschiede ebenfalls nicht. Als „absolut angemessen“ bezeichnete er diese. Die AktionärInnen waren da anderer Meinung. Mit einer deutlichen Mehrheit von fast 76 Prozent lehnten sie die Gehaltsvorstellungen ab. Sie hatten dafür allerdings andere Gründe als die CBG. Ihnen ging es vor allem darum, Baumann & Co. den infolge des MONSANTO-Deals und der Glyphosat-Prozesse gefallenen Aktienkurs in Rechnung zu stellen. Darum wollten die Aktien-HalterInnen den ManagerInnen keine Erfolgsprämien zugestehen.
Gastronomie-Billiglöhne
In den bundesdeutschen Werken des Leverkusener Multis arbeiten nicht wenige Belegschaftsangehörige zu Billiglöhnen. So erhalten 33 Angestellte in der BAYER-Gastronomie nur 10,38 Euro brutto die Stunde; und 148 anderswo im Konzern tätige Kolleg-Innen kommen nicht über zwölf Euro.
1.400 Euro für Chemie-Beschäftigte
Zu Beginn der Tarif-Gespräche mit dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) forderte die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) angesichts der hohen Inflationsrate eine „nachhaltige Stärkung der Kaufkraft“. Dann kam der Ukraine-Krieg mit seinen ökonomischen Auswirkungen. Vor allem durch die pro-blematischer werdende Energieversorgung sah BAVC-Präsident Kai Beckmann die Branche „auf Jahre hinaus vor großen Herausforderungen“ stehen. Darum drang er – auch mit Verweis auf den Energiekosten-Zuschuss und andere Maßnahmen der Ampel-Koalition zum Auffangen der ökonomischen Folgen der Kampf-Handlungen – auf ein Entgegenkommen der Gewerkschaft. Die IG BCE war jedoch nicht bereit, „eine Nullrunde auf Vorrat abzuschließen“. Deshalb kam sie mit dem Arbeitgeberverband überein, die Verhandlungen erst einmal auf den Herbst zu verschieben. Bis dahin greift eine „Brückenlösung“: eine Einmalzahlung von 1.400 Euro als Teuerungsausgleich. In einigen Punkten erzielten die Tarif-Parteien jedoch bereits eine Einigung. So verständigten sie sich auf eine Erhöhung der Nachtarbeitszuschläge von 15 auf 20 Prozent des Stundenlohns und auf einige Maßnahmen zur Förderung der Auszubildenden. Zudem stimmte die IG BCE einer Flexibilisierung der Altersfreizeiten zu, mit der ein tarifvertraglich abgesicherter Anspruch einer individuellen Vereinbarung zwischen Unternehmen und Beschäftigten weicht, wie die Zeitschrift SoZ kritisiert. Für den endgültigen Abschluss gab Ralf Sikorski, der die Verhandlungen für die IG BCE leitet, schon einmal die Richtung vor. Es steht ihm zufolge „außer Frage, dass am Ende dieser Tarifrunde bei Entgelten und Ausbildungsvergütungen ein Plus oberhalb der Teuerungsrate stehen muss“.
Üppige Ruhegelder für Ex-Vorstände
Von 2010 bis 2016 war Marijn Dekkers der Vorstandsvorsitzende von BAYER. In dieser überschaubaren Zeit hat er sich bis an sein Lebensende einen Pensionsanspruch von sage und schreibe 650.000 Euro im Jahr erworben!
Arbeitsplatz-Risiko Pestizide
Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation ILO sind in der Landwirtschaft tätige Menschen einem besonderen Arbeitsplatz-Risiko ausgesetzt. Die Todesraten übersteigen die von Beschäftigten anderer Branchen um das Doppelte. Eine wesentliche Rolle dabei spielen Pestizid-Vergiftungen. Daran erinnerte das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) am 28. April, dem „International Workers Memorial Day“.
81 Jobs für Geflüchtete bei BAYER
Die DAX-Konzerne halten mit Ausnahme der DEUTSCHE POST AG kaum Arbeitsplätze für geflüchtete Menschen bereit. BAYER beschäftigt gerade mal 81, HENKEL 50 und RWE 26. Das ergab eine Umfrage des Mediendienstes Integration.
POLITIK & EINFLUSS
Scholz bei BAYER
Am 13. Mai 2022 erhielt BAYER hohen Besuch. Bundeskanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach kamen zu dem Richtfest, das der Global Player für eine neue Arznei-Produktionsanlage ausrichtete. „Die Investition beweist großes Vertrauen in den Standort Leverkusen und in die Region als Zentrum der Chemie- und Pharma-Industrie. Projekte wie diese sind entscheidend dafür, dass Deutschland auch im 21. Jahrhundert wirtschaftlich und technologisch zu den globalen Spitzenreitern gehört“, so Scholz zur Feier des Tages. Und er hatte auch ein paar Geschenke mitgebracht. „Wir bauen die Bürokratie ab, um die Arzneimittel-Produktion zu stärken. Wir halbieren die Dauer von Genehmigungsverfahren“, versprach der Sozialdemokrat und versicherte BAYER-Chef Werner Baumann: „Wir lassen die Unternehmen mit den steigenden Energie-Kosten nicht allein. Mit Zuschüssen und Krediten unterstützen wir Firmen.“
Lauterbach vs. BAYER & Co.
Im Jahr 2021 machten die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) ein Defizit in Höhe von 5,8 Milliarden Euro. Maßgeblich trugen dazu die Ausgaben für Medikamente bei, die um 7,8 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro stiegen. Darum will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei seinen Plänen zu einem „GKV-Finanzstabilisierungsgesetz“ nicht zuletzt hier ansetzen. Neben einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Medikamente enthält das Paket auch Maßnahmen zu Lasten der Pillen-Riesen. So sieht es unter anderem vor, das Preis-Moratorium für bestimmte Alt-Medikamente zu verlängern, das eigentlich Ende 2022 ausläuft. Zudem möchte das Paragrafen-Werk die Kosten der Kassen für neue, patent-geschützte Pharmazeutika verringern. Das alles passt BAYER & Co. natürlich gar nicht. „Das ist kein GKV-Finanzierungsgesetz, das ist ein Anti-Pharma-Gesetz“, wettete Han Steutel, der Präsident des vom Leverkusener Multi gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“. „Diese Maßnahmen schaden dem Pharma-Standort massiv“, kritisierte er. Sie träfen ausgerechnet eine Branche, die für den „einzigen deutschen TESLA-Moment der vergangenen Jahre“ gesorgt hätte, meinte Steutel mit Verweis auf den Corona-Impfstoff von BIONTECH. „Es ist absurd, dass die gesamten Finanzierungsprobleme der GVK ausschließlich vom Leistungsbereich Pharma gelöst werden sollen, der nur ein Sechstel der Ausgaben darstellt“, hielt er fest. Dazu wird es vermutlich auch nicht kommen. Der ReferentInnen-Entwurf aus dem Hause Lauterbach stieß nämlich koalitions-intern auf Widerstand und dürfte allenfalls in zerfledderter Form Gesetzesstatus erlangen.
ATRA lobbyiert für BAYER
Produkthaftungsklagen zählen in den USA mit zu den größten unternehmerischen Risiken. Darum sann der Zigaretten-Konzern PHILIP MORRIS bereits 1986 auf Abhilfe und initiierte die Gründung einer Organisation zur Reform des Schadensersatz-Rechts, die „American Tort Reform Association“ (ATRA). Den Oktober 2021 erklärte die Lobby-Gruppe, die auch BAYER zu ihren Mitgliedern zählt, zum „Monat des Bewusstseins für Prozess-Missbrauch“. Zu diesem Anlass nahm sich ATRA-Präsident Sherman „Tiger“ Joyce die Glyphosat-Verfahren vor. Er echauffierte sich mächtig über die „unverschämten Urteile“, die „eines der beliebtesten Pestizide der Welt“ träfen, nur weil eine kleine, undurchsichtige Behörde“ – er meinte die „Internationale Agentur für Krebsforschung“ – das Mittel auf der Basis von „junk science“ als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hätte. Jetzt setzt er alle seine Hoffnung auf ein Machtwort des Obersten Gerichtshofs der USA. Aber auch da sieht es nicht allzu gut aus (siehe SWB 3/22).
Mehr Geld für Verbindungsbüros
In den Hauptstädten der Welt pflegt der BAYER-Konzern die jeweiligen politischen Landschaften von sogenannten Verbindungsbüros aus. Im Jahr 2021 stockte er deren Budgets teilweise noch einmal kräftig auf. Der Etat der Operationsbasis in Washington wuchs um 4,5 Millionen Euro auf 13 Millionen an. Die Dependance in Berlin kann jetzt mit drei Millionen Euro (2020: zwei Millionen) Einflussarbeit betreiben und der Ableger in Peking mit 2,1 Millionen Euro (2020: 1,6 Millionen).
Keine Partei-Spenden mehr
Der BAYER-Konzern hat auf seiner letzten Hauptversammlung den Beschluss bekanntgegeben, künftig nicht mehr an Parteien zu spenden. Aber auf dem Trockenen müssen die PolitikerInnen trotzdem nicht sitzen. In den USA überlässt der Multi die politische Landschaftspflege seinen Angestellten. „In den USA (...) nutzen einige Mitarbeiter das ‚BAYER Corporation Political Action Commitee’, um Kandidaten für politische Ämter durch private Spenden zu unterstützen.“ Die Belegschaftsangehörigen handeln jedoch keineswegs pro domo. Die Firmen gründen Political Action Commitees (PACs), da die US-Gesetze BAYER & Co. verbieten, Parteien direkt Geld zukommen zu lassen. Dementsprechend sagt Sheila Krumholz vom „Center for Responsive Politics“: „Obwohl das Geld von den einzelnen Beschäftigten kommt, sollte ein PAC dem Unternehmen zugeschrieben werden, denn das Unternehmen steuert es.“ Im Jahr 2021 sammelte das „BAYER Corporation Political Action Commitee“ 159.498 Dollar für PolitikerInnen.
PROPAGANDA & MEDIEN
BAYER baut auf InfluencerInnen
Um ASPIRIN und andere freiverkäuflichen Arzneien loszuschlagen, stützt der BAYER-Konzern sich auch auf InfluencerInnen. Die Unternehmensberaterin Denise Vitola, auf deren Expertise der Leverkusener Multi dabei in den USA besonders setzt, wechselte letztes Jahr ganz zum Leverkusener Multi und übernahm die Leitung der „Consumer Health“-Werbeabteilung. „In den letzten zwei Jahren hat Denise den größten Marken von BAYER Consumer Health/North, die bereits seit Jahrzehnten bestehen, durch integriertes Marketing, einschließlich powervoller Influencer- und Social-Media-Programme, zu einer neuen und breiteren Relevanz verholfen, was wirklich außergewöhnliche Resultate erbracht hat“, lobte Kommunikationschefin Beth Roden. Auf der Hauptversammlung musste der Global Player sich kritische Fragen zu dem Thema gefallen lassen, die „Consumer Health“-Vorstand Heiko Schipper ziemlich ins Schwimmen brachten. „Wir verfolgen innovative und kreative Marketing-Ansätze für unsere Consumer-Health-Marken. Dazu gehören grundsätzlich auch Kooperationen mit Influencerinnen und Influencern. Wir evaluieren Partnerschaften mit Drittparteien, wobei besondere rechtliche und regulatorische Anforderungen gelten, welche Umfang und Art der Zusammenarbeit reglementieren“, gab er zu Protokoll. Mit unlauterer Werbung hat der Pharma-Riese im Übrigen so einige Erfahrung. So bediente er sich einst der PR-Agentur Mhoch3, um gefälschte Postings in den sozialen Medien zu platzieren (SWB 1/15). Diese beschränkten sich zu allem Übel nicht auf Kaufempfehlungen, etwa für die umstrittene Hormonspirale MIRENA, sondern machten sich – in authentisch kruder Ausdrucksform – auch daran, die zahlreichen Berichte über unerwünschte Nebenwirkungen zu entkräften: „@ sporzal: mein tip es könnte auch eventuell nicht von der mirena kommen, sondern eventuell eine Allergie sein, ich hab das leider auch erst mal in vor kurzer zeit festgestellt, ich hatte echt total oft Kopfweh und das ist nicht lustig – das kann ich nachvollziehen.“
Umgehung des Werbe-Verbotes
Die bundesdeutschen Gesetze erlauben keine Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. BAYER findet aber immer wieder Wege, das Verbot zu umgehen. So veröffentlichte der Konzern in der TV-Beilage prisma eine Anzeige, die sich die Anmutung eines redaktionellen Beitrages gab. Darin beantworteten Urolog-Innen LeserInnen-Fragen zum Thema „Prostata-Krebs“ („Unsere Experten waren für Sie am Telefon“), um die medizinische Landschaft für die Prostata-Mittel des Leverkusener Multis zu pflegen.
DRUGS & PILLS
Mehr NEXAVAR-Nebenwirkungen
Der BAYER-Konzern muss den Beipackzettel seines Krebsmittels NEXAVAR ergänzen und die Nebenwirkung „Tumorlyse-Syndrom“ (TLS) hinzufügen. Dieser – potenziell tödliche – unerwünschte Arznei-Effekt kann als Folge einer Zerstörung einer größeren Menge von Tumorzellen entstehen, wenn deren Abbau-Produkte geballt in den Blutkreislauf gelangen und so zu einer Überlastung der Stoffwechselorgane führen.
Hormon-Therapie: neuer Beipackzettel
BAYER & Co. ist es gelungen, die Wechseljahre zu einer Krankheit zu erklären, bei der nur eins hilft: die Hormonersatz-Therapie. Was die Konzerne „Menopausen-Management“ nennen, bezeichnen KritikerInnen als „die Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben von Frauen“. Und diese setzt die Patientinnen unter anderem einem erhöhten Brustkrebs-Risiko aus. Davor müssen die Konzerne auf den Beipack-Zetteln dann auch warnen – und seit Neuestem sogar noch eindringlicher. Nach alarmierenden Befunden einer in der Fachzeitschrift Lancet veröffentlichten Studie, die ein größeres Gefährdungspotenzial sogar noch zehn Jahre nach Absetzen der Präparate festgestellt hatte, verlangte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte eine Änderung der Produkt-Informationen.
GENE & KLONE
BAYER löst Vertrag mit ATARA
„Diese Transaktion ist ein grundlegendes Element der neuen Zell- und Gentherapie-Strategie von BAYER“, ließ der Leverkusener Multi im Dezember 2020 anlässlich der Kooperationsvereinbarung mit dem US-Unternehmen ATARA verlauten. Er setzte große Hoffnungen auf die Firma, die Krebstherapien auf der Basis von CAR-T-Zellen entwickelt. Bei diesem Verfahren werden körpereigene oder fremde Immunzellen im Genlabor mit „Chimären Antigen-Rezeptoren“ (CAR) ausgestattet, die Tumor-Zellen anhand bestimmter Eiweiße auf deren Oberfläche orten und – im Idealfall – zerstören können. Aber das Verfahren ist nicht ohne. Die Steuerung von CAR-T-Zellen fällt nämlich schwer. Sie greifen mitunter auch intaktes Gewebe an, da sich die Eiweiße, die ihnen als Andock-Stelle dienen, nicht nur auf den Tumor-Zellen finden. Zudem ist die Reaktion des Körpers auf die Zellen schwer vorhersehbar. Nicht selten lösen diese einen lebensgefährlichen Zytokin-Sturm im Immunsystem aus, das sogenannte cytokine release syndrome (CRS). Ein tödlicher Zwischenfall ereignete sich auch während einer ATARA-Testreihe. Im Februar 2022 starb ein Proband, der an einer Brustfellkrebs-Studie teilgenommen hatte. Er war der erste aus einer Gruppe von sechs Personen, der nach einem reibungslosen Durchlauf mit 1x106 Zellen/kg bzw. 3x106 Zellen/kg eine höhere Dosis erhalten hatte. Das mit der Durchführung der Tests beauftragte „Memorial Sloan Kettering Cancer Center“ musste die klinische Prüfung daraufhin stoppen. Und der Pharma-Riese nahm das zum Anlass, sich schnell wieder von dem grundlegenden „Element der neuen Zell- und Gentherapie-Strategie“ zu trennen.
Auskreuzungen von Gen-Pflanzen
In Brasilien greift gentechnisch veränderter Mais großflächig auf konventionelle Sorten über. In 34 Prozent der 1.098 untersuchten Proben fanden WissenschaftlerInnen Spuren von Gen-Mais. Auch auf Laborfrüchte aus dem Hause BAYER stießen sie dabei. Als Konsequenz aus ihrer Studie forderten die ForscherInnen strengere Auflagen zur Wahrung der Bio-Sicherheit.
AGRO & CHEMIE
Glyphosat-Prüfung verzögert sich
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kündigte im Mai 2022 eine Verschiebung der Entscheidung über die Glyphosat-Zulassungsverlängerung an. Das umfangreiche Material, das im Rahmen der öffentlichen Konsultationen eingegangen sei, mache eine Veränderung des Zeitplans notwendig, lautet die Begründung. Damit verschiebt sich der für Dezember 2022 vorgesehene Beschluss über die Zukunft des Herbizids vermutlich um bis zu einem Jahr. Entsprechend länger können BAYER und die Hersteller die VerbraucherInnen jetzt einer Gesundheitsgefahr durch das von der „Internationalen Agentur für Krebsforschung“ der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Pestizid aussetzen. Die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides zeigte sich laut Euractiv dann auch „zutiefst besorgt darüber, dass sich die Bewertung von Glyphosat verzögert“. Immerhin verpflichtete sie die EFSA und die ebenfalls mit der Prüfung von Glyphosat befasste Europäische Chemika-lienagentur, die EU-Kommission umgehend zu informieren, wenn sie im Rahmen ihrer Arbeit auf Hinweise für gravierende, der Zulassungsverlängerung entgegenstehende Nebenwirkungen stoßen. Nach Ansicht des PESTICIDES ACTION NETWORK EUROPE gibt es solche Belege längst. „Die EFSA hat genügend Beweise erhalten, um schnell eine Erklärung über das unannehmbare Risiko für die Gesundheit der Menschen und die Umwelt abzugeben. Die unabhängige Wissenschaft ist eindeutig: Glyphosat ist genotoxisch, wahrscheinlich krebserregend und hat unannehmbare negative Auswirkungen auf die Umwelt.“ Der Interessensverband BAYERs und anderer Hersteller, die „Glyphosate Renewal Group“, wiegelte indessen erwartungsgemäß ab und erklärte, „dass solche Verfahrensverzögerungen zusammen mit einer Verlängerung des aktuellen Zulassungszeitraums zu den üblichen Praktiken des EU-Regulierungsprozesses gehören“. „Da sprechen die Agro-Riesen leider eine traurige Wahrheit aus. Nicht nur bei der Europäischen Union, sondern auch in Deutschland halten die Behörden die Fristen oftmals nicht ein und stellen „technische Verlängerungen“ en masse aus“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in ihrer Pressemitteilung.
ECHA erteilt Glyphosat Persilschein
Im EU-Verfahren zur Prüfung der Zulassungsverlängerung für Glyphosat hat Ende Mai 2022 die Europäische Chemikalien-Agentur ECHA ihre Bewertung abgegeben. Sie stuft das Pestizid Glyphosat trotz erdrückender Beweislast nicht als krebserregend ein. Erneut setzt sie sich damit über die Klassifikation der „Internationalen Agentur für Krebsforschung“ der Weltgesundheitsorganisation WHO hinweg, die dem Mittel im Jahr 2015 bescheinigte, „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ zu sein. Dabei haben zahlreiche danach publizierte Studien den Befund noch einmal erhärtet. Das europäische „Ban Glyphosate“-Bündnis, dem auch die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) angehört, kritisiert die Entscheidung deshalb scharf. „Wieder einmal hat sich die ECHA einseitig auf die Studien und Argumente der Industrie verlassen. Und das, obwohl eine kürzlich durchgeführte Überprüfung von Industrie-Studien zur DNA-schädigenden Wirkung von Glyphosat durch WissenschaftlerInnen des Wiener Krebsforschungsinstituts zu dem Ergebnis kam, dass nur zwei von 35 Industrie-Studien als „zuverlässig“, 15 weitere als „teilweise zuverlässig“ angesehen werden können und 18 dieser Studien aufgrund erheblicher Abweichungen von den geltenden Test-Richtlinien als „nicht zuverlässig“ eingestuft werden müssen“, heißt es in der Presseerklärung. Auch hat die ECHA sich wiederum nur mit dem Wirkstoff Glyphosat selbst beschäftigt, nicht aber mit dem von der BAYER-Tochter MONSANTO unter dem Namen „ROUND UP“ vertriebenen Enderzeugnis. Da dieses noch viele Beistoffe enthält, erhöht sich nach Meinung vieler Forscher-Innen das Gefährdungspotenzial. Dies räumt sogar MONSANTO ein, wie aus firmen-internen Unterlagen hervorgeht, die in den Schadensersatz-Verfahren als Beweismittel dienten. So schrieb der Toxikologe William Heydens in einer E-Mail an eine Kollegin: „Glyphosat ist OK, aber das formulierte Produkt verursacht den Schaden.“ BAYER & Co. begrüßten das ECHA-Votum natürlich. Aber das letzte Wort in Sachen „Glyphosat“ ist damit noch nicht gesprochen. Dieses hat die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA). Während die ECHA nur unmittelbare Gesundheitsgefahren untersucht, analysiert die EFSA alle Effekte des Herbizids auf Mensch, Tier und Umwelt. Unlängst hat sie angekündigt, dafür länger als geplant zu brauchen (siehe oben), weil die Sichtung des während der EU-Konsultationen eingegangenen umfangreichen Materials zu den Risiken und Nebenwirkungen der Agro-Chemikalie mehr Zeit in Anspruch nimmt. Jetzt steht zu hoffen, dass die Prüfung wirklich gründlich und nach dem neuesten Stand der Wissenschaft erfolgt, was nur zu einem Ergebnis führen kann: Keine Zulassungsverlängerung für Glyphosat.
Mängel bei der Glyphosat-Zulassung
Die Europäische Union hat bei der Bewertung von Glyphosat eindeutige Belege für eine krebserregende Wirkung nicht zur Kenntnis genommen. Zu diesem Urteil kommt der Bericht „How the EU risks greenlighting a pesticide linked to cancer“ der HEALTH AND ENVIRONMENT ALLIANCE (HEAL). Er stützt sich dabei auf eine Analyse der elf Studien, die im Herbst 2017 zur Zulassungsverlängerung führten. Von diesen elf Untersuchungen attestieren zehn dem Herbizid einen kanzerogenen Effekt, den die GutachterInnen mittels vielfältiger Operationen schnöde weginterpretiert haben, wie die VerfasserInnen nachweisen. So bereiteten die EU-ExpertInnen die Rohdaten mittels statistischer Methoden auf, die dem Gegenstand nicht angemessen waren. Auch sortierten die EU-Agenturen klare Befunde wegen angeblicher Überdosierungen der Test-Substanz aus, obwohl es dem HEAL-Report zufolge ein Maß dafür gar nicht gibt. Überdies beachteten die Behörden Hinweise auf einen von Glyphosat ausgelösten, Krebs begünstigenden oxidativen Stress nicht. Damit nicht genug, akzeptierten sie Expertisen zum Ausschluss von Zell-Schädigungen, die nicht dem wissenschaftlichen Standard entsprachen und ignorierten Kontroll-Daten von Reverenz-Studien. Dr. Angeliki Lyssimachou von HEAL, welche die Publikation gemeinsam mit Dr. Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) verfasste, forderte Brüssel zum sofortigen Handeln auf. „Die wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Glyphosat Krebs verursachen kann und daher gefährlich für die menschliche Gesundheit ist, häufen sich – aber die EU-Bewertung stützt sich weiterhin hauptsächlich auf die Argumente der Industrie, was dazu führt, dass schädliche chemische Substanzen wie Glyphosat als sicher für die Vermarktung betrachtet werden (...) Die Mission der EU, den Krebs zu besiegen, beginnt hier und jetzt mit einem Verbot von Glyphosat“, erklärte Lyssimachou.
Glyphosat gegen Koka-Pflanzen
Die kolumbianische Regierung unter Präsident Ivan Duque trifft Vorkehrungen, die Sprüh-Einsätze mit Glyphosat zur Zerstörung von Koka-Pflanzungen trotz der großen Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt wieder aufzunehmen (siehe auch SWB 3/21). Das Verfassungsgericht des Landes pfiff Duque & Co. jedoch einstweilen zurück (siehe RECHT & UNBILLIG). Auf der BAYER-Hauptversammlung wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dazu den Standpunkt des Leverkusener Multis erfahren und fragte: „Wie steht BAYER zu den Plänen der kolumbianischen Regierung, Glyphosat im ‚War on Drugs’ zur Zerstörung von Koka-Pflanzungen einzusetzen, obwohl die Schäden für Mensch, Tier und Umwelt immens sind?“ Die knappe Antwort lautete: „Wir haben keine Kenntnis von konkreten Plänen der kolumbianischen Regierung.“
BAYERs Glyphosat-Alternative
Auf der diesjährigen BAYER-Hauptversammlung erkundigte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, ob das Unternehmen an Alternativen zu Glyphosat forscht. „Glyphosat wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der nachhaltigen Landwirtschaft und in der Produkt-Palette von BAYER spielen“, antwortete Finanzvorstand Wolfgang Nickl, „gleichzeitig investieren wir in zusätzliche Methoden zur Unkraut-Bekämpfung. In unserer Forschungspipeline ist ein neuer Wirkstoff zur Unkraut-Bekämpfung. Er befindet sich in der Forschungsphase 3. Mit der Markt-Einführung ist in einigen Jahren zu rechnen. Dies ist abhängig von der behördlichen Genehmigung.“
Die Umsatz-Verteilung
55 Prozent des Umsatzes von BAYER CROPSCIENCE entfällt auf Pestizide, 45 Prozent auf Saatgut. Dabei wiederum dominieren die gentechnisch veränderten Sorten. Drei Viertel der Geschäfte in diesem Bereich macht der Leverkusener Multi mit den Labor-Früchten, wie er auf seiner Hauptversammlung Ende April 2022 kundtat.
GENE & KLONE
BAYER produziert Gentech-Raupen
ForscherInnen der britischen Firma OXITEC versuchen Schadinsekten mittels gentechnischer Methoden zu Leibe zu rücken. Sie haben mit finanzieller Unterstützung von BAYER das Erbgut der Herbst-Heerwürmer – Raupen der Eulenfalter – so verändert, dass die weiblichen Nachkommen das Larvenstadium nicht überstehen. Erste Feldversuche in Brasilien verliefen angeblich erfolgreich. Während OXITEC nun weitere Tests durchführt, trifft der Leverkusener Multi schon erste Vorbereitungen für die Produkt-Entwicklung. Es setzt große Hoffnungen in das Vorhaben, denn sein Gentech-Mais kann sich des Wurms nicht mehr erwehren, weil „einige der wirksameren Kontroll-Strategien resistenz-anfällig geworden sind“. Konkret versagt das in den Pflanzen eigentlich für die Schadinsekten-Abwehr zuständige Bt-Toxin zunehmend seinen Dienst. Die Risiken, die mit der Freisetzung der Labor-Raupen einhergehen, ignoriert der Global Player geflissentlich. Ihm geht es einzig und allein darum, die Profite im Geschäft mit seinen Gen-Pflanzen zu sichern.
WASSER, BODEN & LUFT
HV-Tagesordnungspunkt Nachhaltigkeit?
Auf der diesjährigen BAYER-Hauptversammlung musste sich der Leverkusener Multi mit der Frage auseinandersetzen, warum er keinen Klimaplan zur Abstimmung vorgelegt habe und ob er plane, die AktionärInnen im nächsten Jahr über die Nachhaltigkeitsstrategie befinden zu lassen. Das tue der Konzern nicht, bekundete der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann. Die Nachhaltigkeit sei mittlerweile bis in die feinsten Verästelungen des Unternehmens vorgedrungen, deshalb könne sie nicht mehr so einfach herausgelöst und separat betrachtet werden, erklärte er. „Wir bereits ausgeführt, verstehen wir Nachhaltigkeit nicht als zusätzliche Aktivität, sondern als Kernbestand unserer strategischen und auch unserer normativen Ausrichtung. Es geht weit über eine Koexistenz der finanziellen und der Nachhaltigkeitsstrategie hinaus“, so der BAYER-Chef. Aber er wolle nicht ausschließen, „dass wir gegebenenfalls in Zukunft einmal eine freiwillige Vorlage dieser Frage an die Hauptversammlung vorbereiten“.
BAYERs großer Durst
Der BAYER-Konzern nutzte im Geschäftsjahr 2021 55 Millionen Kubikmeter Wasser. Auch an den deutschen Standorten ist der Verbrauch hoch. In Bergkamen betrug er 1,5 Millionen Kubikmeter, in Wuppertal 1,3 Millionen, in Dormagen 869.000 und in Leverkusen 212.000 Kubikmeter.
BAYERs alte Wasserechte
Die meisten der alten, zum Teil bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Rechte BAYERs zur Förderung von Grundwasser, welches in der Regel sauberer ist als Flusswasser, gingen mit der Trennung von der CURRENTA im Jahr 2019 verloren. Nur in Berlin und Bergkamen verfügt der Leverkusener Multi weiterhin über diese Zugriffsmöglichkeit auf die kostbare Ressource. „Alle alten Wasserentnahme-Rechte besitzen eine neue, aktualisierte Genehmigung“, versicherte BAYER-Vorstand Stefan Oelrich der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der letzten Hauptversammlung.
Scope-1-Emissionen sinken kaum
Im Geschäftsjahr 2021 stieß der BAYER-Konzern nicht weniger als 3,17 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus. Während der Wert beim zugekauften Strom (dem Geltungsbereich „Scope 2“) sank, weil das Unternehmen in dem Bereich den Anteil der Erneuerbaren Energien mittels neuer Lieferverträge erhöhte, tat sich beim selbst erzeugten Strom (Scope 1) wenig. Die direkten Treibhausgas-Emissionen reduzierten sich lediglich von 2,01 Millionen Tonnen auf 1,93 Millionen Tonnen. Nach den Gründen dafür fragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der letzten Hauptversammlung. Die Antwort von Vorstand Stefan Oelrich machte wenig Hoffnung auf eine schnelle Änderung zum Guten bei diesem Posten der Klima-Bilanz: „Die Scope-1-Emissionen entstehen zu einem Großteil aus einem Bedarf nach sonstigen Energien wie zum Beispiel Dampf, Kühlen, Heizen sowie CO2-Emissionen infolge chemischer Reaktionen. Eine Reduktion ist bei diesen Prozessen nur deutlich schwieriger und langwieriger möglich. Wenn technisch überhaupt möglich, kann dies im Wesentlichen nur im Zeitrahmen von Investitionszyklen stattfinden. Die Umstellung von zugekauftem Strom lässt sich hingegen deutlich schneller realisieren.“
Glyphosat macht Kohle
Im Geschäftsjahr 2021 erhöhte sich der Anteil der Kohle an BAYERs Energie-Mix um 7,4 Prozent auf 608 Terrajoule. Der Konzern musste mehr davon verfeuern, um aus Phosphorit das Glyphosat-Vorprodukt Phosphat zu gewinnen, wie der Leverkusener Multi – von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zur Rede gestellt – auf der letzten Hauptversammlung einräumte. „Der Anstieg an der Nutzung von Kohle als Primär-Energie ging auf unseren Standort Soda Springs in den USA zurück. Der Standort betreibt einen Brennofen zur Phosphat-Gewinnung, bei dem in 2021 mehr Kohle als im Vorjahr eingesetzt wurde. Die Schwankungen beim Einsatz von Primär-Energien sind durch technische Erfordernisse beim Betrieb dieses Brennofens bedingt und liegen im Normbereich“, gab Vorstandsmitglied Stefan Oelrich zu Protokoll.
Geothermie in Leverkusen
Ein Geothermie-Kraftwerk versorgt BAYERs neue Arznei-Produktionsstätte in Leverkusen (siehe auch POLITIK & EINFLUSS) mit Erdwärme als Energie-Träger. Dem Konzern zufolge senkt das den Kohlendixoid-Ausstoß im Vergleich zu anderen Versorgungsarten um 70 Prozent. „Die Anlage setzt in puncto Digitalisierung und Effizienz Maßstäbe“, verkündete der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann beim Richtfest stolz.
UNFÄLLE & KATASTROPHEN
96 Anlagensicherheitsereignisse
Unter „Anlagensicherheitsereignissen“ versteht der BAYER-Konzern „den Austritt von chemischen Substanzen oder Energien oberhalb definierter Schwellenwerte aus ihrer ersten Umhüllung wie Rohr-Leitungen, Pumpen, Tanks oder Fässern“. 96 solcher noch nicht als Störfälle zu bezeichnenden Stoff-Freisetzungen registrierte der Leverkusener Multi im Geschäftsjahr 2021, vier mehr als 2020.
STANDORTE & PRODUKTION
Neues Umstrukturierungsprogramm
Der BAYER-Konzern hat ein großes Umstrukturierungsprogramm angekündigt. Im Pharma-Bereich will er rund zwei Milliarden Euro in die Modernisierung alter Werke, den Aufbau neuer Produktionen und die Digitalisierung stecken, rund eine Milliarde davon in Deutschland. Im Zuge der Pläne nimmt der Pillen-Riese auch De-Investitionen vor. So verkauft er eine Fabrik im pakistanischen Karachi, die den Behörden immer wieder durch inkorrekte Wirkstoff-Konzentrationen, nicht korrekt arbeitende Produktionsanlagen und Lagerhaltungsmängel negativ aufgefallen war. Von einer Fertigungsstätte im brasilianischen Cancioneiro hatte der Global Player sich bereits im Juni 2021 getrennt. Der Leverkusener Multi beabsichtigt im Zuge der Veränderungen überdies, „Teile der Infrastruktur sowie der Dienstleistungsbereiche an den deutschen Standorten in Bergkamen, Wuppertal und Berlin an externe Partner zu übertragen“. Diese Überführung in Chem„park“-Strukturen ähnlich denen in Dormagen und Leverkusen markiert eine Zäsur. Die Aktien-Gesellschaft könnte damit die Verantwortung für eine klimaschonendere Energie-Versorgung in fremde Hände legen. Die entsprechende Frage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der Hauptversammlung beantwortete BAYER-Vorstand Stefan Oelrich so: „Wir befinden uns hier auch in einem laufenden Prozess. Eine finale Entscheidung steht noch aus.“ Und zur Größenordnung der mit der Umstrukturierung verbundenen Arbeitsplatz-Vernichtung innerhalb des Konzerns sagte er: „Bitte haben Sie auch in diesem Fall dafür Verständnis, dass wir diesbezüglich zunächst die Ergebnisse der Gespräche mit potenziellen Interessenten abwarten müssen.“
Das Berliner Abriss-Programm
In Berlin-Wedding besitzt BAYER Häuser mit rund 140 Wohnungen. Der Konzern hat bereits viele Schritte unternommen, um diese Gebäude abzureißen und so dringend benötigten Wohnraum zu vernichten. Dabei setzt er die MieterInnen massiv unter Druck, um sie zum Ausziehen zu bewegen. Selbst ein Räumungstermin wurde schon angesetzt, den die BewohnerInnen erst im letzten Moment noch abwenden konnten. Dazu meldete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der letzten Hauptversammlung Informationsbedarf an. „Ist der Eindruck der Öffentlichkeit richtig, dass Sie keine konkreten Pläne haben, was nach dem beabsichtigten Abriss mit den Grundstücken geschehen soll? Falls Sie nicht vorhaben, das Gelände erst einmal brachliegen zu lassen und auf höhere Bodenpreise zu spekulieren: Warum ist es so schwer, Konkreteres anzukündigen?“, wollte sie wissen. Die zweite Frage lautete: „Warum haben Sie den Termin mit dem Runden Tisch aus MieterInnen und VertreterInnen der Stadt platzen lassen? War es unmöglich, bei Krankheit eine Vertretung zu entsenden?“ und die dritte: „Haben Sie eigentlich keine Angst vor dem enormen Imageschaden, der durch ihr kompromissloses Vorgehen gegen die MieterInnen entsteht, gerade in der sehr aufgeheizten Situation in Berlin?“ Der Leverkusener Multi machte daraus: „Uns erreichte eine Frage im Zusammenhang mit einem Grundstück unseres Unternehmens in Berlin-Wedding.“ Dementsprechend nichtssagend fiel die Antwort aus: „Bei dem betreffenden Grundstück handelt es sich um eine bereits seit Jahrzehnten ausgewiesene Gewerbefläche (...) Damit verbunden ist eine Investition in dreistelliger Millionen-Höhe, wodurch die Zukunftssicherheit von mehr als 1.000 Arbeitsplätzen in Berlin langfristig (...) gesichert werden soll. Die zuständigen behördlichen Stellen sind hierbei wie üblich involviert. Planungsrechtlich ist eine Nutzung zu Wohnzwecken ausgeschlossen. Der Großteil der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude steht bereits seit längerer Zeit leer.“
Neues Zell- und Gentherapie-Zentrum
Der Leverkusener Multi pflegt seit Langem gute Beziehungen zur Berliner Charité. So sitzt etwa Pharma-Vorstand Stefan Oelrich im Aufsichtsrat der Klinik. Jetzt intensiviert sich das Verhältnis noch einmal. Ende April gaben Charité und BAYER bekannt, gemeinsam ein Zell- und Gentherapie-Zentrum aufbauen zu wollen, das auch Start-Ups und anderen Firmen offensteht. Mit bis zu 300 WissenschaftlerInnen am Platz rechnen die Kooperationspartner. Das Ziel der Gründung ist es, den Weg von der Forschung zur Produkt-Entwicklung zu beschleunigen. „Am Nordhafen finden Forscher und Verwerter zusammen“, so formuliert es die Berliner Morgenpost. Allerdings beabsichtigt der Global Player der Zeitung zufolge, eine gewisse Distanz zu wahren: „BAYER-Experten sollen nicht direkt in den Forschungsgruppen arbeiten, aber bei Bedarf hinzugezogen werden.“ Diese Aufgabe dürften dann Beschäftigte von BLUEROCK – der Zell- und Gentherapie-Tochter des Konzerns – übernehmen, die im Zuge der Pläne mit einem Ableger in die Hauptstadt kommt. Sogar einer Art Technikfolgen-Abschätzung hat das Zentrum sich verschrieben. So beabsichtigt es, sich auch den ethischen und gesellschaftlichen Fragen zu widmen, welche die Risiken und Nebenwirkungen sowie die hohen Kosten der Verfahren aufwerfen. Das Geld für das alles kommt nicht von BAYER und Charité allein. An den Investitionskosten, die sich auf einen dreistelligen Millionen-Betrag belaufen, beteiligt sich auch das Land Berlin. Bürgermeisterin Franziska Giffey kündigte überdies an, sich zusätzlich um Finanzspritzen des Bundes zu bemühen. Das Vorhaben ist Teil einer Entwicklung, die sich bereits seit einiger Zeit abzeichnet. Die Pillen-Riesen stellen ihre teure Grundlagen-Forschung ein, überlassen sie staatlichen Stellen und stehen erst wieder auf der Matte, wenn Aussicht auf einen profitträchtigen Arznei-Kandidaten besteht.
BAYERs Biotech-Präsenz
Seit dem Kauf von BLUEROCK baut BAYER den Bereich „Zell- und Gentherapie“ kontinuierlich aus. Mittlerweile ist der Konzern in allen großen Biotech-Zentren der USA vertreten. Sowohl in Boston und San Francisco als auch in San Diego und im Research Triangle Park von North Carolina unterhält er Niederlassungen.
ÖKONOMIE & PROFIT
BAYER rechnet sich arm #1
„Globale Unternehmen wie BAYER haben ein vitales Interesse daran, dass sie in Staaten, in denen sie tätig sind, angemessene Steuern zahlen. Nur so kann die öffentliche Hand notwendige Investitionen in Bildung, Infrastruktur und soziale Standards, aber auch die Förderung von Innovationen finanzieren“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Im Geschäftsjahr 2021 war es mit diesem Interesse aber nicht weit her. So hat der Konzern seine Steuerlast in Deutschland trotz eines gestiegenen Umsatzes – eine Zunahme von rund 14,5 Milliarden Euro auf rund 15,5 Milliarden verbuchte er hierzulande – stark minimieren können. Mit 270 Millionen Euro zahlte der Agrar-Riese 307 Millionen weniger als 2020. Ein Grund dafür liegt in dem, was er die „Änderung der Beteiligungsstruktur“ nennt. Dafür hatte die Stadt Leverkusen den Anstoß gegeben. Die Kommune kapitulierte im Steuer-Wettbewerb und ließ sich mit dem Global Player auf einen Deal ein: Absenkung der Gewerbesteuer gegen eine Rückverlagerung von BAYER-Töchtern an den Stammsitz des Konzerns. Und so sprossen dort dann plötzlich die Beteiligungsgesellschaften aus dem Boden, die mit den Niederlassungen in aller Welt Gewinnabführungsverträge unterhalten. Rund 3,5 Milliarden gelangten 2021 zusätzlich ins neue Steuer-Paradies. Auch das Eigenkapital der Briefkasten-Firmen wuchs. Das der NEUNTE BAYER VV GmbH etwa stieg von 0,491 Milliarden Euro auf 9,122 Milliarden und das der Zweiten K-W-A Beteiligungsgesellschaft mbH von 4,59 Milliarden Euro auf 6,257 Milliarden.
BAYER rechnet sich arm #2
Der BAYER-Konzern hat viele seiner Gesellschaften in Steuer-Paradiesen angesiedelt und gut mit Eigenkapital bestückt. So stattete er die im niederländischen Mijdrecht gelegenen Töchter BAYER WORLD INVESTMENTS B. V. und BAYER GLOBAL INVESTMENTS B. V. mit 38 Milliarden Euro bzw. 19 Milliarden aus. Die Niederlassung im zypriotischen Limasol kommt auf zwölf Milliarden Euro.
BAYER rechnet sich arm #3
Der BAYER-Konzern verpachtet an sich selbst, leiht sich selbst Geld und treibt auch mit sich selbst Handel, um Abgaben zu sparen. Die unternehmensinternen Geschäfte haben zumeist die Nutzung von Lizenzen für Namens- und Patentrechte zum Gegenstand. Da kam 2021 ganz schön was zusammen, wie eine Frage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auf der letzten Hauptversammlung ergab. „Vom konzern-internen Lizenz-Volumen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro werden die Lizenz-Einnahmen in Deutschland in Höhe von vier Milliarden Euro und in den USA von 2,4 Milliarden Euro realisiert und versteuert. Korrespondierend sind die Lizenz-Aufwendungen in der Regel steuerlich abziehbar“, so BAYERs Finanz-Vorstand Wolfgang Nickl.
1,47 Milliarden Euro an Steuern
Im Geschäftsjahr 2021 machte der BAYER-Konzern einen Umsatz von 44,1 Milliarden Euro. Insgesamt zahlte er dafür 1,47 Milliarden Euro Steuern. 270 Millionen Euro in Deutschland, 1,2 Milliarden Euro im Rest der Welt.
Zielvereinbarung „Aktionärsbetreuung“
Die „Betreuung“ der Großaktionäre zählt nach Ansicht des Konzerns zu den Hauptaufgaben des Vorstandsvorsitzenden. Deshalb gehört der Austausch mit BLACKROCK & Co. zu den Ziel-Vereinbarungen, die der Aufsichtsrat und der Personalausschuss mit Werner Baumann schlossen. Bei den anderen drei Schwerpunkten handelt es sich um Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie und des Ende 2018 verkündeten Rationalisierungsprogramms sowie die „Verteidigung im Glyphosat-Rechtsstreit“.
BAYER-Aktionär Nr. 1: BLACKROCK
BAYERs größter Anteilseigner ist mit 7,17 Prozent der US-amerikanische Finanzinvestor BLACKROCK. Danach folgen mit 3,97 Prozent Singapurs Staatsfonds TEMASEK und die US-Investmentgesellschaft HARRIS ASSOCIATES mit rund drei Prozent. Die zehn größten Aktien-Halter des Konzerns besitzen rund 25 Prozent des Kapitals.
RECHT & UNBILLIG
Los Angeles vs. BAYER
Die Stadt Los Angeles hat gegen den Leverkusener Multi juristische Schritte eingeleitet, da die von dessen Tochter-Gesellschaft MONSANTO stammenden Polychlorierten Biphenyle (PCB) Wasserreinigungskosten in Millionen-Höhe verursachen. Die US-amerikanischen Behörden verboten die auch von BAYER selbst hergestellte Chemikalie zwar schon 1979, der Stoff zählt jedoch zu den schwer abbaubaren Substanzen, weshalb er sich immer noch in der Umwelt anreichert und in die Gewässer einträgt. „Seit Jahrzehnten wusste MONSANTO, dass seine in den Handel gebrachten PCB-Formulierungen hochgiftig waren und unweigerlich zu genau den Verunreinigungen und Gesundheitsrisiken führen würden, die dann auch aufgetreten sind. Dennoch hat MONSANTO die Öffentlichkeit, die Aufsichtsbehörden und seine eigenen Kunden über diese wichtigen Fakten getäuscht und behauptet, die PCB-Formulierungen seien sicher, nicht umweltgefährdend und erforderten keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen bei der Verwendung oder Entsorgung“, heißt es in der Klage-Schrift. Tatsächlich kannte das Unternehmen die Gefahren genau. Firmen-eigene Dokumente sprechen von „systemischen toxischen Effekten“. Ein Produktionsstopp kam für die Firma trotzdem nicht in Frage. Es stand „zu viel MONSANTO-Gewinn“ auf dem Spiel. In ähnlichen Verfahren zahlte BAYER bereits 355 Millionen Dollar. Dutzende weitere sind anhängig. Zudem verhandelt der Global Player mit rund 2.500 Städten über einen Sammelvergleich; zurzeit prüfen die Gerichte sein Schadensbegleichungsangebot in Höhe von 648 Millionen Dollar. Damit nicht genug, sieht sich die Aktien-Gesellschaft in den USA mit Schadensersatz-Ansprüchen von Personen konfrontiert, die ihre Gesundheitsprobleme auf ein PCB-kontaminiertes Schulgebäude zurückführen (Ticker 1/22). In bisher zwei Prozessen erhielten die Geschädigten erstinstanzlich 247 Millionen Dollar zugesprochen. Mit 200 weiteren Klagen allein von Betroffenen aus dem Umfeld dieser Schule rechnet der Agro-Riese. In seinem neuesten Geschäftsbericht erklärt er diese allesamt für unberechtigt: „Die unstreitige Beweislage in diesen Fällen gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Kläger PCB in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß ausgesetzt gewesen sind oder dass ein Kontakt mit PCB überhaupt die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätte verursachen können.“
Zwei Weinbauern wollen klagen
BAYERs Antipilz-Mittel MOON PRIVILEGE (Wirkstoff: Fluopyram) hat im Jahr 2015 verheerende Schäden im Weinbau verursacht. Die Reben vertrockneten und trugen kaum Beeren; die Blätter zeigten Deformationserscheinungen. Durch den Ernte-Ausfall entstand allein schweizer Weinbauern und -bäuerinnen ein Einkommensverlust von rund 135 Millionen Franken. Ihre KollegInnen in Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien erlitten ebenfalls Einbußen durch das Pestizid, das der Leverkusener Multi auch unter dem Namen „LUNA PRIVILEGE“ vertreibt. Deshalb sah sich der Agro-Riese bald mit den ersten Schadensersatz-Forderungen konfrontiert. Und er zahlte sogar. Einige WinzerInnen nahmen das Angebot aber nicht an. Peter Wehrli etwa reichten die rund 360.000 Franken nicht. Er macht ein Defizit von einer Million Franken geltend und droht nun – wie auch sein Kollege Laurent de Coulon – mit juristischen Schritten. Eine Staatshaftungsklage gegen das für die Zulassung von MOON PRIVILEGE zuständige Bundesamt für Landwirtschaft hatte Wehrli bereits im Jahr 2016 eingereicht.
EPA verlängert XARELTO-Patent
Der Gerinnungshemmer XARELTO sorgt trotz seiner vielen Risiken und Nebenwirkungen (siehe DRUGS & PILLS) für mehr als zehn Prozent des Jahres-Umsatzes von BAYER. Der Patentschutz macht’s möglich. Eigentlich müsste dieser zwar schon ausgelaufen sein, aber die Konzerne können dankenswerterweise „ergänzende Schutz-Zertifikate“ beantragen und so in die Verlängerung gehen. Genau das hat der Leverkusener Multi dann auch getan und für den alten XARELTO-Wein in neuen Schläuchen – die Dosierung änderte sich von 2x pro Tag auf nur noch 1x – erneut Exklusiv-Rechte zugesprochen bekommen. Das hatte jedoch nicht lange Bestand, da Hersteller von Nachahmer-Präparaten die Entscheidung des Europäischen Patentamts anfochten. Dagegen wiederum ging der Pharma-Riese erfolgreich vor. Allerdings können die Kläger noch versuchen, den im Oktober 2021 gewährten verlängerten Patentschutz auf Länderebene zu kippen.
In Treue fest zur Scheibenpacht
Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) des Jahres 2000 wollte der Bund den Ausbau von Windkraft, Solarenergie & Co. fördern. Dazu sah er eine Abgabe über die Stromrechnung vor. Firmen, die eigene Kraftwerke besitzen, hat der Gesetzgeber jedoch von der Zahlung befreit. Das regte BAYER und andere Konzerne dazu an, sich lediglich auf dem Papier zu Kraftwerksbesitzern zu machen. „Scheibenpacht“ hieß das Mittel der Wahl. Dem Spiegel zufolge entgingen dem Staat durch diesen windigen Coup Milliarden Euro. Vor Gericht hatten die Modelle bisher keinen Bestand. „Unter Zugrundelegung der dargestellten Maßstäbe liegt eine Eigenerzeugung (...) nicht vor“, lautete etwa ein Urteil Wuppertaler RichterInnen. Der Leverkusener Multi zeigt aber keine Reue und steht weiterhin in Treue fest zu dieser Praxis. „Dabei handelt es sich nicht um eine Umgehung des EEG, sondern um die Umsetzung der EEG-Regelungen“, gab BAYER-Vorstand Stefan Oelrich der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der Hauptversammlung des Konzerns am 29. April zur Antwort.
Neue ESSURE-Klage
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Sterilisationsmittel, beschäftigt in den USA immer noch die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Mit einem Großteil der Geschädigten hat der Leverkusener Multi im Jahr 2021 einen 1,6 Milliarden Dollar schweren Vergleich geschlossen. Erledigt ist der Fall „Essure“ für den Konzern damit jedoch nicht. So muss sich seit März 2022 der „US District Court for the Northern District of New York“ mit einer neuen Klage einer Betroffenen befassen.
Klage gegen Dicamba-Zulassung
Das Pestizid Dicamba, das BAYER & Co. hauptsächlich in Kombination mit ihren gen-manipulierten Pflanzen vermarkten, hinterlässt in den USA eine Spur der Verwüstung. Zahlreiche LandwirtInnen machen das Herbizid für Ernte-Schäden verantwortlich. Es bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich und treibt zu Ackerfrüchten hin, die nicht gentechnisch gegen den Stoff gewappnet sind und deshalb eingehen. Das CENTER FOR FOOD SAFETY und andere Organisationen wollten das nicht länger dulden. Sie reichten Klage ein, um ein Verbot des Mittels zu erwirken.
BAYER gewinnt Glyphosat-Prozess
Im Juni 2022 verloren zwei Glyphosat-Geschädigte ihre Prozesse gegen BAYERs Tochtergesellschaft MONSANTO. Das Gericht sah das Pestizid jeweils nicht als Ursache seiner Krebs-Erkrankung an. Damit hat der Global Player die letzten vier Verfahren in der Sache für sich entschieden. Die ersten drei gewannen die KlägerInnen. Die Journalistin Carey Gillam macht als entscheidendes Kriterium für den Ausgang der Rechtsstreits die jeweiligen Qualitäten der AnwältInnen aus. Ihren Beobachtungen nach leisteten die VertreterInnen der Betroffenen in den ersten drei gerichtlichen Auseinandersetzungen eine sehr gute Arbeit. Sie kannten viele interne Firmen-Dokumente auswendig und konnten die Geschworenen mit ihren langen Ausführungen darüber, wie MONSANTO Forschungsergebnisse manipuliert hat, überzeugen. Die JuristInnen der BAYER-Gesellschaft vermochten dem nichts entgegenzusetzen. Dann aber wendete sich das Blatt. Der Leverkusener Multi suchte sich neue Verteidiger und fand solche wie Hildy Sastre, die über viel Erfahrung mit Schadensersatz-Prozessen für Mandanten aus der Tabak- und Pharma-Branche verfügt und sich 2019 mit dem zweifelhaften Titel „effektivste Anwältin“ schmücken durfte. Leuten ihres Schlages zeigten sich die Rechtsbeistände der Krebs-Kranken in den letzten vier Fällen nicht mehr gewachsen.
Gericht kassiert Glyphosat-Zulassung
Im Juni 2022 erklärte ein US-Gericht die verläufige Glyphosat-Zulassung der „Environment Protection Agency“ (EPA) aus dem Jahr 2020 teilweise für ungültig. „Die Fehler der EPA bei der Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit sind schwerwiegend“, heißt es in dem Urteil. Das „9th U.S. Circuit Court of Appeals“ gab damit der Klage des „Natural Resources Defense Councils“ und des „Pesticide Action Network North America“ statt. Den RichterInnen zufolge hatte die Behörde bei dem Genehmigungsverfahren gegen ihre eigenen Richtlinien zum Umgang mit Studien und zur Einschätzung von Krebsgefahren verstoßen und sich zudem über Bedenken des eigenen wissenschaftlichen Beirats hinweggesetzt.
Kein „War on Drugs“ mit Glyphosat
Unter dem Druck der USA hatte die kolumbianische Regierung unter Präsident Ivan Duque Vorkehrungen getroffen, die Sprüh-Einsätze mit Glyphosat zur Zerstörung von Koka-Pflanzungen trotz der großen Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt wieder aufzunehmen (siehe auch SWB 3/21). Entsprechende Pläne der Nationalpolizei genehmigte die nationale Umweltbehörde ANLA im April 2021. Dagegen erhob eine FarmerInnen-Initiave der Koka-, Amapola- und Marihuana-PflanzerInnen jedoch Einspruch und bekam im Januar 2022 vom Verfassungsgericht des Landes Recht zugesprochen. „Die ANLA konnte keine Entscheidung über eine Änderung treffen, ohne vorher alle ethnischen Gemeinschaften zu konsultieren, die möglicherweise von dem Sprühen betroffen wären“, so das Urteil. Rein virtuelle Anhörungen reichten nicht, befanden die RichterInnen. Nun muss die ANLA zunächst physische Anhörungen mit den BewohnerInnen von 104 Dörfern durchführen. Und ob danach noch etwas kommt, ist die Frage. Kolumbiens neu gewählter Präsident Gustavo Pedro hat sich im Wahlkampf nämlich gegen den „War on Drugs“ mit Glyphosat ausgesprochen.
March-AktivistInnen vor Gericht
Seit langer Zeit schon organisieren AktivistInnen am schweizer SYNGENTA-Stammsitz Basel „Marches against BAYER & SYNGENTA“. Im Jahr 2020 verlegten sie den Protest corona-bedingt weitgehend ins Internet. Lediglich vier Personen begaben sich auf die alte Demo-Route und meldeten sich von dort mit kurzen Live-Statements für die „Social Media“-Kanäle zu Wort. Aber selbst das versetzte die Polizei in Alarmbereitschaft. Gleich zweimal nahm sie Personen-Kontrollen vor, davon einmal auf Geheiß des SYNGENTA-Sicherheitsdienstes, der auch gleich angebliche Foto-Beweise zur Verletzung der Abstandsregeln beibrachte. In der Folge kam es nicht nur deshalb, sondern auch wegen Dienst-erschwerung und wegen Behinderungen von Amtshandlungen zu Anklagen. Das Gericht sah dann eine Diensterschwerung und vier Verstöße gegen die Corona-Verordungen als erwiesen an und verhängte entsprechende Strafen.
Klage wg. Impfpflicht
In den USA hat BAYER einem Beschäftigten gekündigt, weil dieser sich weigerte, Auskunft über seinen Impfstatus zu geben. Der Angestellte, der nur im Homeoffice arbeitete, zog deshalb vor das Arbeitsgericht.
FORSCHUNG & LEHRE
Druck auf WissenschaftlerInnen #1
BAYER & Co. haben massiv versucht, Einfluss auf eine Studie zur Bienengefährlichkeit bestimmter Saatgutbehandlungsmittel zu nehmen. Das deckte die Organisation U.S. RIGHT TO KNOW (US RTK) auf, die mit Verweis auf das US-amerikanische Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in die Dokumente erhalten hatte. Die Konzerne beauftragten im Jahr 2014 über das „Crop Dust Research Consortium“ (CDRC) WissenschaftlerInnen der „Ohio State University“, nach Möglichkeiten zu suchen, Bienen besser vor giftigen Stäuben zu schützen. Die ForscherInnen um Dr. Reed Johnson und Harold Watters fanden auch gleich einen Ansatzpunkr. Sie stießen bei den Produkten, die das Saatgut mit einer pestizid-haltigen Beize umschließen, auf eine oftmals fehlerhafte Verarbeitung, so dass sich Teile des Mantels mit den Agrochemikalien aus der Gruppe der Neonikotinoide lösten, in die Umwelt gelangten und Bienen gefährdeten. Das dokumentierten sie auch in ihrer Untersuchung, was dem Leverkusener Multi allerdings gar nicht gefiel. „BAYER hat erhebliche Bedenken gegen die Aufnahme der Fotos von Saatgut mit stark erodierter Saatgutbeschichtung“, schrieb der damalige Konzern-Manager David Fischer an Johnson und Watters. Auch drang er auf Ergänzungen, welche die Risiken und Nebenwirkungen der Neonikotinoide relativierten. „Die gemessenen Rückstandsmengen deuten NICHT auf ein nennenswertes Risiko für Honigbienen hin und erklären NICHT die in der Studie beobachtete akute Mortalität. Die obige Analyse sollte in den Bericht aufgenommen werden“, dekretierte Fischer. Tatsächlich tauchte ein entsprechender Satz schließlich im Abschlussbericht auf. Die Fotos allerdings blieben. Auch anderen Forderungen widersetzte sich das Team von der „Ohio State University“ erfolgreich.
Druck auf WissenschaftlerInnen #2
BAYER kann es nicht lassen. U.S. RIGHT TO KNOW (US RTK) zufolge (s. o.) versuchte der Leverkusener Multi in Tateinheit mit SYNGENTA noch auf eine weitere Untersuchung zur Bienengefährlichkeit von mit Pestiziden gebeiztem Saatgut Einfluss zu nehmen. Schon der Vertrag, den das Unternehmen mit der „Iowa State University“ schloss, ließ in dieser Hinsicht keine Fragen offen. Dieser ermächtigte den Konzern-Wissenschaftler Dan Schmehl nämlich, seinen KollegInnen von der Hochschule, beim „Design, der Durchführung und der Interpretation der Studie“ zur Hand zu gehen. Überdies machte der Kontrakt ganz konkrete Vorgaben. „Spezifische Methoden von BAYER werden eingesetzt, um Proben von Pollen, Nektar, Blättern, Wasser und Boden von den Feldern zu nehmen“, hieß es darin etwa. Und im Weiteren hatten die „Best-Practice-Methoden von BAYER CROPSCIENCE“ zur Anwendung zu kommen. Zur Rede gestellt, wiegelte der Leverkusener Multi ab. Er sprach lediglich von „Unterstützung (z. B. durch unverbindliche Vorschläge für Studien-Design, Datenerfassung, Daten-Analyse)“ und bekannte sich ansonsten mit großen Worten zur Freiheit der Wissenschaft.
BAYER gliedert Biologika aus
Der Leverkusener Multi gliedert seine Forschung an Agrar-Produkten auf biologischer Basis aus. Der Konzern überlässt diese vollständig dem US-Unternehmen GINKGO BIOWORKS, mit dem er bereits seit Langem kooperiert und z. B. das Joint Venture JOYN BIO betreibt. Auf eine Entwicklung von JOYN BIO setzt BAYER dann auch die größten kommerziellen Hoffnungen: ein Biologikum auf Mikroben-Basis, das eine Alternative zu traditionellem Stickstoff-Dünger bieten soll.