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Monsanto-Deal auf Bayer-Hauptversammlung

Handelsblatt, 28. April 2017

„Der richtige Schritt zur richtigen Zeit“

Bayer-Vorstandschef Baumann wirbt für den Monsanto-Kauf. Doch er bekommt Gegenwind: Die Aktionäre monieren die fehlende Abstimmung über den Deal – votieren am Ende aber trotzdem im Sinne der Konzernspitze.

Fröndhoff/Hofmann| Bonn Einen kurzen Moment muss Bayer-Chef Werner Baumann gleich zu Beginn seiner Rede innehalten. Aus dem Aktionärspublikum im Bonner Kongresszentrum kommen laustarke Zwischenrufe: „Stop Bayer-Monsanto“. Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning muss eingreifen und die Kritiker zur Mäßigung auffordern.

Rund 2500 Aktionäre hatten sich am Freitag zur Hauptversammlung von Bayer in Bonn aufgemacht. Sie wurden vor dem World Congress Center von Gegnern der Grünen Gentechnik und industrialisierten Landwirtschaft erwartet – die Demonstrationen waren aber mit knapp 200 Teilenehmern übersichtlich.
Bayer konterte am Freitag auf Twitter gegen Renate Künast. Die Grünen-Politikerin hatte ein Bild von den Protesten vor der Hauptversammlung des Pharmakonzerns getwittert. Quelle: Screenshot Twitter

(Die Hauptversammlung des Pharma- und Agrarchemiekonzerns Bayer am Freitag wird von Protesten begleitet – vor Ort in Bonn, aber vor allem auf Twitter. Die Übernahme des Saatgutherstellers Monsanto polarisiert)

An der geplanten Übernahme des US-Saatgutherstellers Monsanto reiben sich allerdings nicht nur Öko- und Umweltverbände. Die 66 Milliarden Dollar schwere Übernahme ist das Hauptthema auf der Hauptversammlung. Der Deal macht die Aktionäre und Investoren nervös. Zwar stützten viele Redner das Bayer-Management mit Blick auf den strategischen Sinn der Übernahme – und lobten auch den Mut, dass ein deutscher Konzern an der Weltspitze mitspielen möchte. Doch sie fürchten, dass sich die aus ihrer Sicht seit Jahren erfolgreiche Bayer AG verhebt und verlangen mehr Klarheit über die Folgen.

Das Thema Monsanto schürt die Emotionen. Vorstandschef Baumann entschied sich für eine sehr sachlich orientierten Rede, in der er die Motive für die Übernahme erläuterte. Es sei eine der „drängendsten Fragen unserer Zeit“, wie die Weltbevölkerung von fast zehn Milliarden Menschen im Jahr 2050 ernährt werden könne, sagt er. Dazu wolle Bayer mit Monsanto beitragen. Es sei der „richtige Schritt zur richtigen Zeit“, sagt Baumann und versprach den Aktionären, dass der Monsanto-Kauf „langfristig erheblichen zusätzlichen Wert“ schaffen werde. „Wir wollen Bayer weiter stärken.“

Riskiert der Konzern seinen guten Ruf mit der Monsanto-Übernahme?

Genau darum aber sorgen sich die Aktionäre. Der Leverkusener Konzern wird sich durch den Monsanto-Kauf voraussichtlich mit 40 Milliarden Euro verschulden. „Vor Monsanto war Bayer ein gut geführter Konzern auf solidem Wachstumskurs mit wenig Schulden“, sagte Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment. „Nun muss Bayer gewaltige Schulden und die Integration eines Schwergewichts stemmen.“ Baumann erneuerte sein Versprechen, dass der Monsanto-Kauf nicht auf Kosten der anderen Geschäftsbereiche gehen werde. „Die Mittel für Investitionen in unsere Standorte und kleinere Übernahmen werden weiter zur Verfügung stehen“, sagte er.

Aktionärsvertreter Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz forderte, dass die von Bayer gewohnte jährliche Dividenden-Erhöhung nicht durch Monsanto gefährdet werden dürfe. Er sprach dem Management aber großes Vertrauen aus, dass sie das Projekt erfolgreich machen könne. Doch nicht nur er fürchtet um den guten Ruf. „Monsanto steht in der Öffentlichkeit für Gentechnik, für patentgeschützte Pflanzeneigenschaften und für gefährliche Pflanzenschutzmittel“, sagte Winfried Mathes, Fondsmanager bei Deka Investment. „Wie wollen Sie diesem Reputationsrisiko begegnen?“

Baumann ging auf diese Sorgen länger ein: „Natürlich ist uns bewusst, dass Monsanto vor allem in Europa keinen guten Ruf hat. Und man kann darüber streiten, ob das Unternehmen in der Öffentlichkeit immer glücklich agiert hat“, sagte er. Das Image von Monsanto sei eine große Herausforderung. Man wolle sich dem mit „Offenheit, Kompetenz und Verantwortung stellen und das kombinierte Geschäft „ohne Wenn und Aber nach Bayer-Maßstäben“ führen.

Mehrere große Fondsgesellschaften kritisierten scharf, dass Bayer keine außerordentliche Hauptversammlung einberufen hat, auf dem die Aktionäre über den Monsanto-Kauf abstimmen durften. Baumann begründete dies mit den damit verbundenen „weitreichenden Risiken“. „Wir müssten mit Anfechtungsklagen einzelner Aktionäre gegen den Beschluss rechnen“, argumentierte er. „Langwierige Rechtsunsicherheit könnte die Transaktion gefährden.“

Doch der Unmut über diese Entscheidung blieb. Für Hendrik Schmidt von der Deutsche Asset Management war es Grund genug, sich bei der Entlastung des Vorstands und Aufsichtsrats zu enthalten. „Wir sehen hier eine Einbeziehung der Hauptversammlung als oberstes, beschlussfassendes Organ der Gesellschaft nicht nur als gerechtfertigt, sondern auch als zusätzliche Legitimation für den Aufsichtsrat und den Vorstand an“, sagte er.

Gegenwind gab es von einigen Aktionären auch bei der Neubesetzung des Bayer-Aufsichtsrats. Die Wiederwahl von Werner Wenning befürworteten die Aktionäre, an der erneuten Kandidatur von Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner allerdings rieben sich einige Investoren.

Union-Investment-Manager Speich kündigte an, gegen die Wiederwahl von Achleitner zu stimmen. „Im Hinblick auf Unabhängigkeit sollten Sie dem Gremium nicht länger als 15 Jahre angehören, um die nötige kritische Distanz wahren zu können“, rief er ihm zu. Auch Deka, die Investmentgesellschaft der Sparkassen, will gegen Achleitner stimmen. „Sie werden bei der Deutschen Bank dringender gebraucht“, sagte Fondsmanager Mathes.

Knapp neun Stunden dauerte die Aussprache auf der Hauptversammlung. Kurz vor 19 Uhr war sie zu Ende. Ungeachtet der zum Teil skeptischen Äußerungen mit Blick auf den Monsanto-Deal votierten die Aktionäre am Ende klar im Sinne der Verwaltung.

Fast alle Punkte der Tagesordnung wurden nach Angaben von Bayer mit mehr als 90 Prozent des vertretenen Kapitals angenommen, darunter die meisten Neuwahlen zum Aufsichtsrat. Werner Wenig allerdings erhielt nur 84,89 Prozent, Paul Achleitner nur 83,10 Prozent. Für die Entlastung des Vorstandes stimmten 96,7 Prozent des Kapitals, für die Entlastung des Aufsichtsrats 95,4 Prozent. Die Zustimmungsraten waren damit nur geringfügig niedriger als im Vorjahr, als die beiden Gremien mit 98,4 und 95,67 Prozent entlastet wurden.