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Bayer und Monsanto:Konzerne vom gleichen Schlag

Bayer drohen Proteste wegen Monsanto-Übernahme

Süddeutsche Zeitung, 28. April 2017

- Bei der heutigen Hauptversammlung des Chemiekonzerns Bayer werden auch große Demonstrationen gegen die Monsanto-Übernahme erwartet

- Bauern, Ärzte, Umweltschützer und Globalisierungskritiker wollen dagegen protestieren, dass der Markt für Saatgut, Pestizide und ähnliche Produkte von riesigen Unternehmen beherrscht wird

- Die Aktionäre von Bayer können nicht über die Monsanto-Übernahme abstimmen. Sie dürfen höchstens dem Management ihre Meinung sagen

Von Elisabeth Dostert, Bonn Die alte Kartoffeldampfmaschine steht schon in Bonn. Bauer Gerhard Portz kam damit von der Mosel. Früher kochten die Bauern in so einer Maschine die Kartoffeln für ihre Schweine. "Wir haben die Kartoffeldampfmaschine zu einer Patentverbrennungsmaschine umgebaut", sagt Georg Janßen, 61, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Dass die Konzerne Patente auf Pflanzen besitzen, ist eine der Sorgen von Janßen und Portz.

An diesem Freitag steht die Protestmaschine am Platz der Vereinten Nationen. Die Aktionäre des Pharma- und Chemie-Konzerns Bayer müssen auf dem Weg zur Hauptversammlung im World Conference Center daran vorbeilaufen - an der Maschine und den Plakaten der vielen Menschen, die gegen die Übernahme von Monsanto durch Bayer demonstrieren wollen. 66 Milliarden Dollar bietet der deutsche Konzern für das US-Unternehmen. Es ist einer von drei großen Zusammenschlüssen, die derzeit in der Agrochemie-Branche laufen. Auch die beiden US-Konzerne Dupont und Dow Chemical tun sich zusammen und der chinesische Staatskonzern Chem China kauft den Schweizer Saatgut-Spezialisten Syngenta. Es geht um viel Geld, ein Monopoly-Spiel auf dem Acker. Aus sechs mach drei Konzerne mit mehr Macht über das, was die Landwirte auf ihren Feldern säen und ausbringen, was Menschen essen und wie sie leben.

Gegen die neuen Mächte demonstrieren am Freitag auf dem Platz vor der Halle Imker, Bauern, Kirchenleute, Gewerkschafter, Politiker, Kritiker von Globalisierung und Kapitalismus, Umweltschützer, Ärzte und kritische Aktionäre. Sie sehen in den Giganten auch eine Gefahr für sozialen Frieden und Demokratie, denn Menschen, die hungern, weil sie sich Lebensmittel nicht leisten oder selbst erzeugen können, begehren auf. Hunger und die wachsende Weltbevölkerung sind auch Argumente der Konzerne.

Die AbL hat 5000 Mitglieder, ein Winzling im Vergleich zum Deutschen Bauernverband. Der kleine und der große Verband nehmen für sich in Anspruch, für die Bauern zu sprechen. Bauer ist kein gesetzlich geschützter Begriff. Jeder darf sich so nennen, egal ob er zehn Hektar bewirtschaftet oder einige Hundert, egal ob er zehn Schweine mästet oder Tausende, egal ob er konventionell wirtschaftet mit synthetischen Herbiziden, Dünger und Antibiotika oder auf all das verzichtet.

Janßen ist seit mehr als drei Jahrzehnten Geschäftsführer der AbL. In der Organisation sind sowohl konventionelle als auch Bio-Bauern Mitglied, bloß bäuerlich müssen sie sein. Und bäuerlich bedeutet für Janßen einen schonenden Umgang mit der Natur und eine überschaubare Größe. Aber wie groß darf ein Hof sein, um als bäuerlich zu gelten? Janßen will sich nicht festlegen. Für den Lobbyisten stehen Bayer und Monsanto jedenfalls nicht für einen schonenden Umgang mit Menschen, Tieren, Pflanzen und Böden, sondern für eine ausbeutende industrielle Landwirtschaft.

Der Agrar-Ingenieur hat viele Kämpfe gefochten. "Die Menschen wünschen sich einen Systemwechsel", ist Janßen überzeugt. Er hat auch die Organisation "Wir haben es satt" mitgegründet. Zur Demonstration im Januar während der Grünen Woche in Berlin kamen 18 000 Menschen. Janßen ist kein lauter Mann. Er weiß, dass sich der Wandel nur langsam vollzieht. Er redet leise, aber eindringlich. "Ich bin geduldig und ungeduldig zugleich, ungeduldig wenn es um die Sauereien in der Welt geht", sagt er.

Am Platz der Vereinten Nationen hat im alten Bundeshaus auch der Crop Trust, der Welttreuhandfonds für Kulturpflanzen, seinen Sitz. Der Fonds will die Artenvielfalt sichern. In einem Berg auf Spitzberger unterhält er eine Saatgutbank, dort sollen fast 900 000 Sorten lagern. Auf der weißen Fahne, die im Wind flattert, ist die "Mission" der Organisation zu lesen, "Securing our food forever". Das ist ein großes Versprechen, und es klingt, wie das Versprechen der Konzerne die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sichern. Im Rat der Spender sind viele Länder vertreten, aber auch Saatgutfirmen wie Syngenta, Dupont Pioneer, KWS Saat und - indirekt über den Verband Crop Life International - noch ein paar mehr, unter anderem Bayer, Monsanto, Basf und Dow.

Die Unterscheidung "Bayer gut, Monsanto böse" ist zu einfach

Janßen mag den Unterschied nicht, den manche Kritiker machen: Bayer gut, Monsanto böse. Er blickt weit zurück. Der Skandal um Gentechnik-Reis von Bayer liegt schon eine Weile zurück. In Reis-Lieferungen aus den USA tauchten vor gut zehn Jahren auch in Europa Spuren der Reissorte LL 601 auf. Den Ärger hatte sich Bayer 2002 mit der Übernahme der Firma Aventis Cropscience eingehandelt; sie hatte die Reissorte mit der Resistenz gegen das Pflanzenschutzmittel Liberty Link entwickelt.

In den Jahren um die Jahrtausendwende waren in den USA Feldversuche mit dem Gen-Reis unternommen worden. Viele Supermärkte stoppten den Verkauf von US-Reis. Bauern in den USA erlitten Umsatzeinbußen und verklagten den deutschen Konzern. Der Gerichtsstreit zog sich über Jahre hin. Am Ende schloss Bayer einen Vergleich über mehrere Hundert Millionen Euro. Für Janßen sind Bayer und Monsanto Konzerne vom gleichen Schlag.
Verhindern können die Bayer-Aktionäre die Übernahme nicht

Das weiße Zelt vor der Kongresshalle im alten Bonner Regierungsviertel steht schon ein paar Tage. Es ist ein stabiles großes Zelt mit Wänden aus Metall und Glas und einer Plane auf dem Satteldach. Durch das Zelt sollen die Aktionäre von Bayer an diesem Freitag in das Gebäude geschleust werden. Eine Flanke des Gebäudes ist schon seit Donnerstag durch Drahtzäune abgeriegelt. Vor dem Zelt patrouillieren Männer eines Sicherheitsdienstes.

Direkt vor der Kongresshalle, wo das weiße Zelt, steht, dürfen die Gegner der Übernahme von Monsanto nicht demonstrieren. Auch im Saal dürfen die Aktionäre und ihre Vertreter nicht direkt über den Zusammenschluss abstimmen, das durften nur die Anteilseigner von Monsanto. Sie stimmten schon im Dezember mit großer Mehrheit dem Verkauf zu. Die Aktionäre von Bayer dürfen dem Management ihre Meinung sagen und in der Abstimmung Vorstand und Aufsichtsrat entlasten oder auch nicht. Verhindern können sie die Übernahme nicht.