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CO2 in Kunststoffproduktion

19. April 2016

Einsatz von CO2 in Kunststoff-Produktion

"Mogelpackung bleibt Mogelpackung"

Die in Dormagen, dem Standort der neuen „Dream Production“, erscheinende Neuss-Grevenbroicher Zeitung (NGZ) berichtet heute über die Kritik von Umweltverbänden an dem vielbejubelten Musterprojekt von BAYER / COVESTRO. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und weitere Umweltverbände hatten das Projekt als „Öko-Schwindel“ bezeichnet, insbesondere wegen des hohen Energie-Aufwands zur Aktivierung von Kohlendioxid.

Hierzu schreibt die NGZ: “Die unternehmenskritische "Coordination gegen Bayer-Gefahren" greift den Bayer MaterialScience (BMS)-Nachfolger Covestro an und stützt ihren Vorwurf des "Öko-Schwindels" auf Aussagen von Experten großer Umwelt- und Naturschutzverbände. Haupt-Kritikpunkt laut CBG: Zur Aktivierung von Kohlendioxid sei ein hoher Energie-Aufwand erforderlich. Das Verfahren sei kein ökologischer Fortschritt. Stattdessen werden eine Reduzierung des Kunststoffverbrauchs, wirksame Schritte zur Vermeidung von Plastikmüll sowie "die Förderung wirklich nachhaltiger Verfahren" gefordert. Die CBG beruft sich dabei u.a. auf Aussagen von Hermann Fischer, Präsidiumsmitglied des Naturschutzbundes (NABU) und Manuel Fernández vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). "Man kann sich kaum eine ökologisch katastrophalere Strategie ausdenken, als ausgerechnet das auf dem niedrigsten Energielevel ruhende Molekül CO2 zum Aufbau komplexer, energiereicher Verbindungen nutzen zu wollen", wird Fischer zitiert. Fernández urteilt: "Der Einsatz von Kohlendioxid bei der Produktion von Polyurethan stellt aus Sicht des BUND keinen echten Fortschritt in Sachen Klimaschutz dar."

Markus Kleine-Beck, Sprecher der BAYER-Tochter Covestro, entgegnete: „Grundsätzlich ist es zwar richtig, dass CO2 nur mit hohem Energieaufwand zur Reaktion gebracht werden kann. In dem speziellen Fall bei Covestro muss aber keine Energie von außen zugeführt werden. Die nötige Energie liefert der Reaktionspartner Propylenoxid selbst", so der Covestro-Sprecher.

Die von Covestro aufgestellte Energiebilanz ist eine Mogelpackung! Herr Kleine-Beck lässt die extrem energieintensive Synthese des Reaktionspartners Propylenoxid einfach unter den Tisch fallen. Dass die nachgelagerte Reaktion mit Kohlendioxid ohne weitere Energiezufuhr läuft, ist daher wertlos.

Es bleibt dabei: die schönfärberisch benannte Dream Production ist allenfalls minimal besser als der Status Quo, aber in keiner Weise „nachhaltig“. Notwendig wäre stattdessen eine drastische Reduzierung des Kunststoff-Verbrauchs. Der verbleibende Rest sollte aus nachwachsenden Rohstoffen produziert werden, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion stehen.

Replik von Dr. Hermann Fischer, Chemiker, Präsidiumsmitglied NABU e.V.

Dass die Bayer AG nach einer jahrzehntelangen Monostruktur erdölbasierter Chemie jetzt einer „Verbreiterung der Rohstoffbasis in der chemischen Industrie“ das Wort redet, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Allerdings verbreitert man die Basis leider an der falschen Stelle – mit dem am wenigsten geeigneten Ausgangsstoff CO2. Dessen Qualität liegt für Bayer offensichtlich vor allem im PR-Bereich. Und die geschönte Energiebilanz der Synthese auf CO2-Basis ist natürlich eine fatale Mogelpackung: man lässt die extrem energieintensive Synthese des Reaktionspartners Propylenoxid einfach außen vor.

Trotzdem: auch Bayer sieht sich offenkundig genötigt, konkrete Schritte in Richtung einer ökologisch nachhaltigen Produktion in der Chemie zu gehen – das ist gut so und verdient als Einstieg in eine ‚Chemiewende‘ die Unterstützung der Öffentlichkeit. Allerdings täte Bayer besser daran, bei der willkommenen Verbreiterung der Rohstoffbasis vor allem an diejenigen ‚Vorlieferanten‘ zu denken, die seit Jahrmillionen bereits erfolgreich CO2 in komplexe Chemikalien umwandeln: an die Vielfalt von Pflanzen und Algen. Dann wäre die Energiebilanz auch ganz ungeschönt positiv, beziehen diese kleinen, inhärent sicheren Chemielabore doch ihre Syntheseenergie ausschließlich von der Sonne. Sie arbeiten zudem dezentral und abfallfrei.“

Dr. Hermann Fischer

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