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Betriebsrenten

Hajo Schröder, langjähriger BAYER-Mitarbeiter, wirft dem Konzern vor, mittels Tricks bei der Verbuchung von Firmenrenten Steuern zu sparen. Hier eine Darstellung von Herrn Schröder; auch der Leverkusener Anzeiger berichtete über den Sachverhalt.

Ergiebiges Steuersparmodell für DAX-Konzern bei Betriebsrenten

Grenzüberschreitende Steuersparmodelle sind in großen Unternehmen an der Tagesordnung. In pfiffigem Weitblick unterrichtet zum Beispiel Bayer seine Aktionäre von Zeit zu Zeit über solche Erfolgsmethoden. Der Spiegel vom 18.05.2015 beschreibt eine solche: „So verdoppelte der Leverkusener Pharmakonzern Bayer im Jahr 2011 das Eigenkapital seiner belgischen Tochter auf über acht Milliarden Euro. Der Lohn der Mühe: Auf den Vorsteuergewinn von 254,8 Millionen Euro mussten laut einer Statistik der Belgischen Nationalbank nur 10,8 Millionen Euro Steuern gezahlt werden.“ Fazit: Dank des günstigen „makrowirtschaftlichen Klimas in Belgien“ konnte Bayer seine Steuerlast auf 4,25 Prozent senken – eine besondere Art staatlicher Beihilfe! Die Einsparpraxis Betriebsrente ist allerdings subtiler, komplexer, schwerer zu durchschauen und bedarf einer Vielzahl erklärender Worte.

Situation: Die Rentner der vom Unternehmen gegründeten und getragenen Bayer-Pensionskasse VVaG (= Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) beziehen Leibrente, für die sie während ihrer Arbeitsjahre beim Unternehmen einen monatlichen Regelbeitrag aus von ihnen bereits versteuertem Einkommen entrichtet haben. Der Arbeitgeber hingegen hat während dieser Ansparphase keinen monatlichen Regelbeitrag zugeschossen. Deshalb wird die Rente bei der Veranlagung zur Einkommensteuer lediglich mit dem Ertragsanteil belastet – dieser beträgt 18 Prozent, wenn ein Mitarbeiter mit 65 Jahren in den Ruhestand tritt; er erhöht sich oder wird allmählich niedriger, wenn dies früher beziehungsweise später der Fall ist - der festgesetzte Prozentsatz bleibt allerdings gleich bis zum Lebensende…

Daneben und ergänzend zu dieser sowie der externen gesetzlichen Rente gewährt das Unternehmen seinen Rentenempfängern eine Firmenrente. Sie stammt direkt vom Arbeitgeber, die Mitarbeiter haben dafür, im Gegensatz zur Pensionskasse, keine Eigenbeiträge geleistet. Deren Höhe ist nach betrieblich-persönli-chen Vorgaben der Betroffenen im Rahmen einer „Gesamtversorgung“ ausgerichtet. Bei der Firmenrente handelt es sich um betriebliche Versorgungsbezüge, die der Rentner nach §19 Einkommensteuergesetz als „Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit“ bis auf einen immer gleich bleibenden Freibetrag voll versteuern muss.

Die gesetzlich alle drei Jahre vorgeschriebenen Anpassungen an die Inflations-dynamik nahm der Arbeitgeber bis 2003 nach einheitlichem Prozentsatz für jede der beiden Versicherungsdurchführungswege gesetzeskonform, also getrennt vor. Seit der Triade 2006 allerdings führt er keine Anpassungen der Leibrenten aus der Pensionskasse mehr durch, streicht also diese Erhöhungsbeträge. Stattdessen schlägt er sie der versicherungsfremden Firmenrente zu. Dadurch stagniert seitdem die Höhe der Leibrenten, während die Versorgungsbezüge aus Firmenrente unangemessen gestiegen sind. Vorteil für das Unternehmen: Betriebliche Versorgungsbezüge kann es als Betriebsausgaben steuerlich absetzen!

Durch solche Tricks gewinnt nur der Konzern. Der Rentner, der mehr Steuern zahlen muss, ist hingegen der Dumme. Ebenso die Kommune, die weniger Gewerbesteuer bekommt, leidet darunter, was sich gerade aktuell an der Bewältigung des großen Flüchtlingsproblems bemerkbar macht. Das Potential steuermindernder Beträge dürfte jährlich Millionen Euro, seit der Umstellung des Verfahrens 2006 sogar einen bis dreistelligen Millionenbetrag ausmachen – immerhin hat die Bayer-Pensionskasse, die sich selbst als die größte Kasse ihrer Art in Deutschland bezeichnet, die Ansprüche von mehr als 55.000 Rentenempfängern (Zahl für 2013) zu befriedigen. Die nach Schließung der Kasse für neue Mitglieder im Jahr 2005 zügig erfolgte Neugründung, der Rheinischen Pensionskasse VVaG, für die auch befreundete Firmen und deren Mitarbeiter Zugang haben, macht das Risiko der alten Kasse für zukünftige Aufgaben deutlich.

Wie sehr die „Steueroptimierungsinstrumente“ dem Gemeinwesen schaden, zeigt das Beispiel Leverkusen: Die Stadt des wertvollen DAX-Konzerns leidet bereits seit zwei Dekaden. Mehrere Jahre lang musste die Kommune mit Nothaushalten über die Runden kommen, weil Bayer weniger Gewerbesteuern überwies, manche Jahre praktisch gar keine, obwohl die Erträge stiegen. So trat die Stadt vor drei Jahren dem vom Land NRW eingerichteten „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ verpflichtend bei. In dem Bericht „Regierungserklärung mit Drohpotential“ des Leverkusener Anzeiger/Kölner Stadt-Anzeiger vom 3.11.2015 über die erste Einbringung eines Haushaltsplanes in den Rat der Stadt Leverkusen unter dem neugewählten Oberbürgermeister Uwe Richrath zeigt Stadtkämmerer Frank Stein das Dilemma der Finanzen auf: Hauptproblem blieben die nur noch homöopathischen Gewerbesteuereinnahmen der Stadt. Nach dem desaströsen Einbruch dieser vormaligen Haupteinnahmequelle der Stadt in den vergangenen drei Jahren, in denen die bekannten Großunternehmen und Hauptsteuerzahler Standortentscheidungen gegen Leverkusen getroffen und legale Steueroptimierungsinstrumente exzessiv genutzt hätten, lägen die Gewerbesteuereinnahmen der vormals prosperierenden Großstadt auf dem Niveau einer mittleren kreisangehörigen Gemeinde. Ob allerdings die Hoffnung des Kämmerers aufgeht, dass es allein durch einen niedrigeren Hebesatz „wieder attraktiv würde, in Leverkusen Gewerbesteuer zu zahlen“, sei bei den komplexen, oft grenzüberschreitenden Steueroptimierungsmethoden dahin gestellt

Was das Steuermodell Betriebsrente angeht: Ausgerechnet § 16 Betriebsrentengesetz, den der Arbeitgeber Bayer als Norm seines Handelns in den Anpassungsmitteilungen an die Rentner o.ä. immer wieder zitiert, entlarvt, wie rechtswidrig das Verfahren ist:

1. Wenn unter Abs. (1) aufgeführt ist „Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und… zu entscheiden…“, dann sind die Leistungen aller im Gesetz an anderer Stelle beschriebenen Versicherungsdurchführungswege gemeint, also nicht nur die betrieblichen Versorgungsbezüge, sondern auch die Leibrente aus der Pensionskasse. Nirgendwo im Gesetz ist vermerkt, dass Beträge einer in Beträge einer anderen Versicherungsart umgemünzt werden dürfen!

2. Durch Abs. (4) dieses Paragrafen hat der Gesetzgeber hohe Hürden gesetzt, wenn ein Arbeitgeber sich der Anpassungsverpflichtung z.B. gegenüber einer Pensionskasse entziehen will: „ Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich darlegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen dreier Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgerechten Widerspruch hingewiesen wurde.“
Ein derart einschneidendes Wechselspiel zwischen Unternehmen und Rentnern hat sich allerdings bislang als nicht notwendig erwiesen. Denn die Bayer AG ist, wie alle Welt weiß, hervorragend aufgestellt, gehört seit Einführung des Deutschen Aktienindex 1988 zu den erfolgreichsten Firmen dieser Art; sie entlohnt ihre Manager mit Millionen schweren Beträgen und die Profis der Werkself der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH ebenso fürstlich.

Dies bedeutet im Umkehrschluss: Nicht eine von Bayer angegebene schlechte Fi-nanzlage der Pensionskasse darf der Grund für eine Anpassungsablehnung sein; maßgeblich ist allein die Finanzkraft des Arbeitgebers, die ihm erlaubt, etwaige Deckungslücken der Kassenbilanz nach gesetzlicher Vorgabe (z. B. Solvabilitäts-vorschriften) zu schließen. In den Ausführungen zu einem Urteil des Bundesar-beitsgerichts 2014 heißt es dazu: „Die Abänderung der Versorgungszusage zulasten des Arbeitnehmers setzt daher voraus, dass dem Arbeitgeber hierfür hinreichend gewichtige Gründe zur Seite stehen. Nicht maßgeblich ist hingegen, wie sich die wirtschaftliche Lage der Pensionskasse darstellt und wie diese wegen ihrer wirtschaftlichen Lage die Leistungen herabsetzen darf.“ – Roland Eckner

Nachtrag: „Unser Unternehmerisches Handeln orientiert sich an den Rechtsordnungen der verschiedenen Länder und Regionen, aus denen sich für den Bayer-Konzern und seine Mitarbeiter im In- und Ausland vielfältige Pflichten ergeben. Bayer führt das Geschäft verantwortungsvoll und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Regeln der Länder, in denen das Unternehmen tätig ist… Bayer erwartet von allen Mitarbeitern rechtlich und ethisch einwandfreies Handeln…“ (Aus dem Dokument „Bayer - Corporate Compliance Policy“)