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Bienensterben

junge Welt, 12. Juni 2003

Ausgesummt

Während in Frankreich ein Teilverbot des Bayer-Pestizids Gaucho erreicht ist, sterben in Deutschland die Bienen

"Fast alle unsere Bienen sind tot" titelte kürzlich die Bild Zeitung und vermeldete: "bis zu 80 Prozent der Bienenvölker in der Region Düsseldorf sind tot, in anderen Gebieten sind es 30 bis 50 Prozent". Neben Ertragseinbußen von mehreren tausend Tonnen Honig pro Jahr gehen - da Honigbienen den größten Teil der Blütenbestäubungen erbringen - auch die Erträge von Äpfeln, Birnen und Raps zurück.

Französische Imker, die seit 1994 unter massivem Bienensterben leiden, machen das von Bayer verkaufte Insektengift Gaucho (Wirkstoff: Imidacloprid) verantwortlich. Imidacloprid wird sowohl als Spritzmittel als auch zur Behandlung von Saatgut verwendet. Als systemisches Insektengift steigt es aus dem Samen in die Pflanze und ist später in sämtlichen Pflanzenteilen zu finden. Schadinsekten sterben, wenn sie von der Pflanze fressen - da der Wirkstoff aber auch in den Pollen wandert, werden Bienen geschädigt. Das französische Umwelt-
ministerium verhängte ein Gaucho-Verbot im Sonnenblumenanbau.
Die Forderung nach einem kompletten Anwendungsstop wurde auf Druck des Konzerns nicht umgesetzt.

Schon in niedrigster Konzentration stört das Pestizid den Orientierungs-
sinn der Bienen, die nicht mehr zu ihrem Stock zurückfinden. Maurice Mary, Sprecher des französischen Imkerverbands Union National d'Apiculteurs (UNAF): "Seit der ersten Anwendung von Gaucho haben wir große Verluste bei der Ernte von Sonnenblumenhonig. Früher belief sich der Honigertrag unseres Betriebs auf rund 35 Kilo pro Bienenstock, heute sind es nur noch fünf bis sechs." Da das Mittel bis zu drei Jahre im Boden verbleibt, können selbst unbehandelte Pflanzen eine für Bienen tödliche Konzentration enthalten. UNAF wirft Bayer die Verschleierung der Risiken vor und fordert ein vollständiges Verbot des Agrogifts.

Anders als in Frankreich, wo es mehr als 2000 Berufsimker gibt, sind die rund 90000 deutschen Bienenzüchter fast ausnahmslos Freizeit- und Hobbyimker. Mit ihren rund 820000 Bienenvölkern erzeugen sie pro Jahr rund 24000 Tonnen Honig. Wichtiger noch, und im Unterschied zu Honig nicht importierbar, ist allerdings die Bestäubungsleistung der Bienen - sie übersteigt den Wert der Honigerzeugung mindestens um das Zehnfache. Der Berufsimkerbund (DBID) fordert ein präventives Anwendungsverbot für Gaucho. "Die Imkerei leistet einen unschätzbaren Beitrag zur Bestäubung von Kultur- und Wildpflanzen und darf nicht durch ein einzelnes Insektizid gefährdet werden", so DBIB-Präsident Ulrich Hofmann

Imidacloprid findet sich in einer Vielzahl von Produkten wird in rund 100 Ländern vertrieben und ist bei mehr als 70 Pflanzenarten im Gebrauch - in Deutschland insbesondere beim Anbau von Mais, Hopfen und Raps. Mit einem Umsatz von 560 Millionen Euro im vergangenen Jahr ist der Wirkstoff die Nummer eins im Bayer-Sortiment.

Im übrigen sind die deutschen Bieneninstitute aufgrund massiv gekürzter öffentlicher Zuschüsse auf Forschungsaufträge von Dritten angewiesen. Wichtigster Partner: die Bayer AG. Nach Angaben von Imkern finanziert das Leverkusener Unternehmen in einigen Instituten direkt die Gehälter der Mitarbeiter. Auch Dr. Brasse, bei der Biologischen Bundesanstalt (BBA) zuständig für die Bewertung von Gaucho, soll bereits Aufträge von Bayer erhalten. So erklärt sich, warum Bieneninstitute und BBA, zuständig für die Sicherheit der Bienen, keine Bayer-kritischen Studienergebnisse veröffentlichen.

Selbst die Medien halten sich bislang bedeckt. So beschreibt ein kürzlich im Stern veröffentlichter Artikel zwar das Ausmaß des Bienensterbens, läßt aber die Verdachtsmomente gegen Gaucho und das Anwendungsverbot in Frankreich unter den Tisch fallen. Der lange Arm des Konzerns, in diesem Fall als mächtiger Anzeigenkunde, dürfte auch hier zum Einsatz gekommen sein.

von Philipp Mimkes, Coordination gegen BAYER-Gefahren