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STICHWORT BAYER 03/2012

Zugriff auf Ressourcen

Die Rohstoffallianzen von BAYER und Co.

Bereits seit einiger Zeit treibt BAYER & Co. die angespannte Situation auf den Rohstoff-Märkten um. Die Konzerne starteten deshalb diverse Initiativen und verstärkten den Druck auf die Politik. Nun jedoch erreicht ihr Engagement eine neue Qualität. BAYER, BOSCH, THYSSENKRUPP und sieben weitere Unternehmen gründeten im April 2012 die RA ROHSTOFFALLIANZ GmbH, um die Versorgung mit den dringend benötigten Ressourcen selber in die Hand zu nehmen.

Noch in den 1990er Jahren war BAYER ein gewichtiger Rohstoff-Förderer. Der Leverkusener Multi gehörte zu den weltweit führenden Anbietern von Flußspat, bei der Gewinnung von Chromit nahm er Rang vier ein, bei Zirkon Rang 11 und bei Titan Rang 16. Aber zum Ende der Dekade hin begann der Konzern sich im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ von immer mehr Minen oder Minen-Beteilungen zu trennen. Und 2004 stieß der Global Player mit der Ausgliederung des Chemie-Geschäfts, das fortan selbstständig unter dem Namen LANXESS firmierte, auch die Chromerz-Gruben in Südafrika ab.

Andere bundesdeutsche Unternehmen handelten ähnlich. Aber bald schon bereuten BAYER & Co. diesen Schritt, denn die Lage auf den Rohstoff-Märkten verschärfte sich. Zur Neige gehende Vorkommen, immer schwierigere Erschließungen, Monopol-Bildungen und mehr Nachfrage-Druck von Seiten aufstrebender Länder wie China sorgten für ansteigende Preise. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) schlug Alarm und veranstaltete 2005 seinen ersten Rohstoff-Kongress, an dem auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder teilnahm. Auf dem zweiten im Jahr 2007 bezeichnete seine Nachfolgerin Angela Merkel die Ressourcen-Sicherung für die bundesdeutschen Firmen dann bereits als „nationales Interesse“. Den Grund dafür nannte sie an anderer Stelle: „In der Praxis erleben wir sehr oft, dass andere Länder schneller sind.“ Um aufzuholen, sicherte der Koalitionsvertrag den Konzernen Beistand bei ihren imperialistischen Bestrebungen zu. „Der Zugang zu Rohstoffen und deren verlässliche Verfügbarkeit sind für die deutsche Industrie mit ihren Produkten der Hoch- und Spitzentechnologie von besonderer Bedeutung und unverzichtbare Ziele der Außenwirtschaftspolitik“, heißt es in dem Dokument.

Diese Hilfe gewährt die Bundesregierung der Industrie auch bei deren neuestem Projekt, der RA ROHSTOFFALLIANZ GmbH. Dem Geschäftszweck des Unternehmens: „Die Sicherung der Versorgung der Gesellschafter mit kritischen Rohstoffen“ wollen BAYER, THYSSENKRUPP, EVONIK und die anderen sieben Gründer laut Handelsregister-Eintrag nämlich „unter enger Einbindung der Rohstoffpolitik der Bundesrepublik Deutschland“ nachgehen.

Fürs Erste haben es die Konzerne dabei auf Seltene Erden, Kokskohle, Graphit und Wolfram abgesehen. Der Leverkusener Multi hat zwar selber keinen gesteigerten Bedarf an solchen und anderen Spezial-Rohstoffen, wohl aber seine Geschäftspartner. Besonders bei Firmen, die auf dem Gebiet der Zukunftstechnologien tätig sind, besteht ein hohe Nachfrage nach solchen Substanzen. Und wenn jene etwa für ihre Elektrofahrzeug-Akkus kein Lithium oder Kobalt mehr bekommen, keine Seltenen Erden für ihre Windkraftanlagen und kein Gallium für ihre Dünnschicht-Photovoltaik, dann steht es auch schlecht um den avisierten Absatz von BAYTUBES-Nanoröhrchen für die neuartigen Auto-Batterien und von Kunststoffen für Rotorblätter oder Sonnenkollektoren. Da es solchen Kunden überdies an der kritischen Masse für eine solch gewichtige Unternehmung wie die Ressourcen-Sicherung fehlt, erscheint das Mitwirken eines Global Players wie BAYER an der Allianz fast zwangsläufig.

Politische Flankierung
Zur Beschaffung der Schätze will sich diese – gestützt auf die Expertise der „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ – an Minen beteiligen und selber Vorkommen erschließen. Die Kosten dafür tragen zu einem großen Teil die Gesellschafter. Später einmal soll ein milliardenschwerer Fonds mit Sitz in einer Steueroase zusätzliches Geld abwerfen. Aber auch auf Projekt-Finanzierungen durch die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“, Fördermittel des Bundes für Industrie-Ansiedlungen in „Entwicklungsländern“ sowie staatliche Kredite und Garantien zählt die Rohstoffallianz.

„Flankierung durch die Politik“ erwarten BAYER & Co. darüber hinaus in Form des Abschlusses von Rohstoff-Partnerschaften. Und da hat die Bundesregierung bereits geliefert. Im Oktober 2011 besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Mongolei und sprach dort Klartext: „Unser Interesse liegt natürlich darin, dass wir hier auch Rohstoffe ausbeuten können.“ Sie erfüllte ihre Mission schließlich mit der Unterzeichnung eines Abkommens, das privilegierten Zugang zu Bodenschätzen verspricht. Mit Kasachstan hat die Bundesregierung ebenfalls eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Weitere plant sie mit Sambia, Südafrika, Namibia, Chile und Peru.

In vielen dieser Länder findet die Ausbeutung der Rohstoffe unter katastrophalen politischen, sozialen und ökologischen Bedingungen statt. Wenn der Ressourcen-Abbau nicht gleich in den Händen von PolitikerInnen oder Militärs liegt, kontrollieren ihn oft Oligarchen oder multinationale Konzerne, die kaum Steuern zahlen. Zudem ist kaum ein anderer Geschäftszweig so korruptionsanfällig. Vom „Rohstofffluch“ sprechen deshalb viele ExpertInnen. In Peru bekommen diesen vor allem LandwirtInnen zu spüren, denn die von den Minen ausgehenden Umweltverschmutzungen verunreinigen ihre Ackerböden. Deshalb führen sie immer wieder Protestaktionen durch, bei denen die Polizei hart durchgreift. Ende Mai 2012 erschossen die Ordnungskräfte zwei DemonstrantInnen, und die Regierung verhängte den Ausnahmezustand. In Kasachstan streikten im letzten Jahr Tausende Öl-Arbeiter sieben Monate lang für höhere Löhne, ehe die Sicherheitskräfte des autoritär regierten Staates den Ausstand brutal beendeten. Bilanz nach öffentlichen Angaben: 15 Tote und über 100 Verletzte; MenschenrechtlerInnen sprechen dagegen von mehr als 70 Toten und 500 Verletzten. Ein Gericht verurteilte später fünf Polizisten zu Haftstrafen bis zu sieben Jahren. Auch drei Öl-Manager musste wegen Unterschlagung ins Gefängnis. Dem Verhältnis zur Bundesrepublik tut das alles keinen Abbruch. „Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan entwickeln sich gut“, konstatiert das Auswärtige Amt.

Der Wettlauf um die Ressourcen lässt jedoch noch Skrupel ganz anderer Art in den Hintergrund treten: die vor militärischen Mitteln. So verpflichtet sich die Bundeswehr in den „verteidigungspolitischen Richtlinien“ von 1992 auf die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen auf aller Welt“. Und sie kommt diesem Auftrag schon nach und verteidigt etwa am Hindukusch den Zugriff auf Bodenschätze. Nicht umsonst hatte der ehemalige Verteidigungsminister 2010 beim Managertreffen im schweizerischen Davos vor Unternehmensleitern von BAYER und anderen Konzernen betont, das Thema „Afghanistan“ müsse man auch im energie-politischen Kontext sehen.

Chrom am Kap
Da wundert es nicht, dass der Leverkusener Multi seine eigene Rohstoff-Politik ebenfalls ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt. So bezog seine Tochter-Gesellschaft HC STARCK, die er 2007 an zwei Finanzinvestoren verkauft hat, bis 2002 jahrelang Tantal aus dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Kongo, obwohl das Metall den verfeindeten Gruppen zur Finanzierung der Waffengänge diente. Und so wenig der Konzern sich von der brasilianischen Militärdiktatur beim Betreiben seiner Minen stören ließ, so wenig hielt ihn in Südafrika das Apartheidsregime von der Förderung und Weiterverarbeitung von Chrom ab. In den 1980er Jahren kam es dort in einer Niederlassung wegen mangelhafter Sicherheits-Vorkehrungen zu einer großen Zahl von Vergiftungsfällen. Ein Drittel der Belegschaft erlitt bleibende Gesundheitsschäden, mindestens acht Arbeiter starben an Lungenkrebs, zwei weitere an Tuberkulose. Und 2004 gelangten aus einem Chrom-verarbeitenden Werk, das inzwischen in den Besitz von LANXESS übergegangen war, krebserregende Rückstände des Metalls ins Grundwasser, weshalb die Behörden die Bevölkerung eindringlich davor warnen mussten, Wasser aus den angrenzenden Brunnen zum Trinken oder Kochen zu verwenden.

Die EU plant, wenigstens einen Teil dieser Rohstoffgeschäftsrisiken zu vermindern. Sie will die Unternehmen zwingen, ihre Zahlungen im Handel mit den Ressourcen offenzulegen. Aber die Bundesregierung opponiert vehement gegen den Vorstoß. Darum sah sich selbst der ehemalige BP-Chef John Browne bemüßigt, von Merkel & Co. eine konstruktivere Position beim Kampf gegen die Korruption im Rohstoff-Sektor einzufordern.

Die Rohstoffallianz, zu der inzwischen noch weitere Firmen gestoßen sind, dürfte sich hingegen über diesen nochmaligen Flankenschutz freuen. Ihr Geschäftsführer Dierk Paskert sondiert derzeit die Lage. Er stellte das Unternehmen im bodenschatz-reichen Kanada vor, traf auf der „Resource and Mining Conference“ in Frankfurt unter anderem mit Vertretern aus Afrika zusammen, nahm an der „Africa Business Week“ und der Veranstaltung „The Global Resource Nexus: The Struggles for Land, Energy, Food, Water and Minerals” teil. Im nächsten Jahr schließlich will Paskert erste Abschlüsse präsentieren. Von Jan Pehrke