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Pharmaforschung

Kölner Stadt-Anzeiger, 23. Juli 2010

Freiheit oder Transparenz

Seit zwei Jahren gibt es eine enge Kooperation zwischen der Uniklinik und der Bayer AG. Die Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie handhabt die Kölner Universität extrem diskret. Ein Zusammenschluss verschiedener Interessengruppen fordert nun mehr Transparenz.

Wie unabhängig sind die deutschen Universitäten? Je mehr staatliche Hochschulen Drittmittel aus der Industrie einwerben, desto mehr gewinnt diese Frage an Gewicht. Oft bleibt im Dunkeln, inwiefern spendable Unternehmen Forschung und Lehre beeinflussen. Denn die Verträge zwischen den Hochschulen und ihren Kooperationspartnern müssen nicht offen gelegt werden. So handhabt auch die Kölner Universität ihre Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie extrem diskret. Seit zwei Jahren gibt es eine enge Kooperation zwischen Uniklinik und der Bayer AG - bei klinischen Studien in der Krebs- und Herzforschung, bei Erkrankungen des Zentralnervensystems und bei vorklinischen Untersuchungen. Außerdem fördert die Bayer AG ein Graduiertenkolleg für Doktoranden.
So viel gibt man gerne in der Öffentlichkeit bekannt - aber nicht mehr. Was konkret in dem Kooperationsvertrag steht, will die Universität nicht öffentlich machen, obwohl das seit geraumer Zeit von einem Zusammenschluss von Interessengruppen - unter anderem der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ (CBG) - eingefordert wird. Nun hat sich ein Vertreter dieser Interessengruppen an Ulrich Lepper gewandt. Und der Landesdatenschutzbeauftragte von Nordrhein-Westfalen schließt sich den Forderungen an: „Wir haben der Universität empfohlen, den Vorgang offen zu legen“, so Lepper. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes NRW sei „ein Informationszugang grundsätzlich zu gewähren“. Zwar seien bestimmte Bereiche ausgenommen - beispielsweise die Freiheit von Wissenschaft und Forschung. Auf diese Ausnahme beruft sich nun die Universität. „Wir haben das geprüft und sind der Meinung, das ist nicht der Fall“, so Lepper. Der Rahmenvertrag sei viel zu allgemein gehalten, als dass eine Veröffentlichung die Wissenschaftsfreiheit einschränken könne.
Das sieht man an der Kölner Universität ganz anders. „Wir teilen die Meinung des Datenschutzbeauftragten nicht und arbeiten an einer juristischen Stellungnahme. Aus unserer Sicht ist die Wissenschaftsfreiheit höher einzuschätzen als die Informationsfreiheit“, sagt Patrick Honecker, Pressesprecher der Kölner Universität.
Da der Datenschutzbeauftragte nur Empfehlungen aussprechen kann, muss die Universität nicht reagieren. Der nächste Schritt ist eine Klage vor dem Verwaltungsgericht. Damit wäre die Zusammenarbeit zwischen Universität und der Bayer AG ein Präzedenzfall mit weit reichenden Folgen für die deutsche Forschungslandschaft. Für die Universitäten könnte so eine Klage bedeuten, dass sie ihre Zusammenarbeit mit der Industrie in Zukunft transparenter gestalten und alle Verträge offen legen müssten. Gleichzeitig würde ein Rechtsspruch Klarheit in eine Dauer-Debatte bringen: „Wir wollen jetzt wissen, ob unsere Wissenschaftsfreiheit von einem Landesgesetz eingeschränkt werden kann“, so Honecker.
Gerade die Zusammenarbeit mit Bayer könnte durch die Offenlegung der Verträge beeinträchtigt werden: „Hier sind ja Forscher von Bayer direkt beteiligt - es ist also eine weitgehende Art der Zusammenarbeit, über die reine Finanzierung hinaus. Wir bekommen dadurch auch Zugriff auf Bayer-Interna.“
Darüber macht man sich auch bei Bayer Sorgen: „Bestandteil dieser Verträge ist essenzielles Know-how zur Forschung und Entwicklung. Eine Offenlegung könnte der Konkurrenz wichtige Hinweise und uns somit Wettbewerbsnachteile bringen“, sagt Katharina Jansen, Pressesprecherin für Forschung bei Bayer. „Daran haben wir kein Interesse. Wenn eine Offenlegung von solchen Kooperationsverträgen in Zukunft Schule macht, könnte dies alle Unternehmen behindern, die in Deutschland mit Universitäten kooperieren. Und gerade dies wird von der Politik gefordert und gefördert.“ Eine Reaktion darauf könnten zum Beispiel zunehmende Partnerschaften im Ausland sein, so Jansen.
Die Kritiker der undurchsichtigen Verflechtungen stören sich auch daran, dass mit Richard Pott ein Vorstandsmitglied der Bayer AG den Vorsitz im Hochschulrat innehat. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, betont Patrick Honecker.
Sven Quilitzsch ist sich da nicht so sicher. Er gehört zu den „Kritischen Medizinstudierenden“ an der Uni Köln. „Wir haben ein paar Befürchtungen und wollen deswegen eine Offenlegung der Verträge.“ Eine Befürchtung ist, dass Bayer Studien unterschlagen könnte: „Pharmafirmen neigen ja dazu, dass negative Forschungsergebnisse nicht publiziert werden. Und wenn wir als Universität an unserer Fakultät dazu beitragen, dass so etwas nicht öffentlich gemacht wird - das würde uns auch persönlich treffen.“ Schließlich gehe es an der Universität um akademisches, wissenschaftliches Denken - „und da wollen wir natürlich auch wissen, wie unabhängig sind denn die Studien, die da laufen.“ Sven Quilitzsch weiß, dass diese Sorgen natürlich auch völlig unberechtigt sein könnten - „wobei ich mich dann frage, warum man sich so vehement dagegen wehrt.“
Der Deutsche Hochschulverband (DHV) spricht sich grundsätzlich für mehr Transparenz bei wissenschaftlichen Expertisen aus. Wissenschaftler sollten alle Forschungs- und Drittmittelprojekte einschließlich der Auftraggeber offenlegen - es sei denn „übergeordnete Interessen des Gemeinwohls“ stünden dem entgegen. Im Jahr 2008 erhielten NRW-Hochschulen gut 260 Millionen Euro aus der privaten Wirtschaft. Im Jahr davor waren es noch zehn Prozent weniger - die Tendenz ist also steigend. Umso brisanter ist der aktuelle Kölner Fall. Von Kerstin Meier

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