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STICHWORT BAYER 01 2010

Editorial zu gentechnischem Saatgut

Liebe Leserinnen und Leser,

größstenteils unbemerkt von der internationalen, europäischen und deutschen Öffentlichkeit mauschelt sich ein deutscher Saatgutkonzern im Ranking der Global Player immer weiter in Richtung Spitze. Die KWS SAAT AG ist mittlerweile zum viertgrößten Saatguthersteller weltweit aufgestiegen und lässt damit sogar Unternehmen wie BAYER CROPSCIENCE hinter sich. Diese Entwicklung verdankt die KWS nicht zuletzt einem Angebot, das die gesamte Palette des Marktes abdeckt. Denn unter dem Deckmantel der Koexistenz produziert das Unternehmen neben konventionellen und ökologischen Sorten auch gentechnisch manipuliertes Saatgut für den US-amerikanischen Markt. Die herbizid-tolerante Zuckerrübe H7-1 des südniedersächsischen Konzerns hat in den Vereinigten Staaten bereits einen Marktanteil von über 90 Prozent der gesamten Zuckerrübenanbaufläche. Die Freisetzungsversuche, in denen die KWS solche Bestseller vor der Markteinführung erprobt, fanden und finden allerdings in Deutschland statt. Dies ist ein Sachverhalt, den die hiesige Öffentlichkeit leider kaum wahrnimmt.

Am Schattendasein dieser Freisetzungsversuche sowie der gesamten Gentechniksparte der KWS wird seit 2008 allerdings heftig gerüttelt. Wir – WITZENHÄUSER AGRAR-STUDIERENDE, LANDWIRTE UND GÄRTNER FÜR EINE GENTECHNIKFREIE LANDWIRTSCHAFT – haben es uns nämlich zum Ziel gesetzt, einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, in welchem Umfang sich die KWS für die Gentechnik engagiert. Wir fordern das deutsche Saatgutunternehmen nachdrücklich dazu auf, ihre Gentechnikversuche einzustellen und grundsätzlich auf die Nutzung dieser Technologie bei der Produktion von Saatgut zu verzichten. Wir sind als angehende AgrarwissenschaftlerInnen der festen Überzeugung, dass die Gentechnologie keinerlei Nutzen für die Gesellschaft hat - nur für profitorientierte Konzerne wie BAYER oder KWS. Im Gegenteil: Wir sehen in dieser Form der Biotechnologie das Sahnehäubchen einer industriellen Landwirtschaft, die mit ihrem enormen Bedarf an Energie und Ressourcen erst zu unseren heutigen Problemen wie Hunger und Klimawandel geführt hat. Zudem treibt das Patentrecht die Bauern und Bauerinnen in die Abhängigkeit von KWS, BAYER & Co. Darüber hinaus fehlt es an Langzeitstudien zur Agro-Gentechnik, was die industrie-freundlichen Zulassungsbehörden aber kaum stört.

Auch vor dem Hintergrund einer nicht handelnden Politik sind dies genügend Gründe für uns, um aktiv zu werden. Dabei sind unsere Aktionsformen so vielfältig, wie die Menschen in unserer Initiative: Unsere Aktionen gehen von der Organisation von Informationsveranstaltungen über das veranstalten von Demonstrationen und Mahnwachen bis hin zu den Feldbesetzungen in den Jahren 2008 und 2009. Unser besonderes Steckenpferd ist die jährliche AktionärInnen-Versammlung der KWS SAAT AG. Ähnlich wie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) haben auch wir Stimmrechte erworben und bringen unseren Unmut und unsere Argumente vor den versammelten AktionärInnen sowie dem Management des Konzerns zum Ausdruck. Eine Besonderheit bei der Hauptversammlung 2009 war es, dass vor der Konzernzentrale in 12 Meter Hohe ein über 100 Quadratmeter großes Banner mit der Aufschrift „Agro-Gentechnik: Profit für wenige, Risiko für alle“ schwebte. Es wurden Informationsunterlagen verteilt, und während der Abstimmung zur Entlastung des Vorstandes stimmten wir kritische Lieder an, die klarstellten, wo die AktionärInnen Ihr Kreuz zu machen hatten.

Wir sehen uns im Kampf gegen die Gentechniksparte der KWS Saat AG als ein kleines Puzzleteil, das in Verbindung mit anderen Organisationen, Verbänden und Initiativen zu einer schlagkräftigen großen Bewegung wird. Wir sehen uns als Teil einer Protestbewegung, die Jung und Alt gleichermaßen begeistert und dabei stetig wächst – weiter so!

Philip Brändle gehört der Initiative WITZENHÄUSER AGRAR-STUDIERENDE, LANDWIRTE UND GÄRTNER FÜR EINE GENTECHNIKFREIE LANDWIRTSCHAFT an (www.kws-gentechnikfrei.de)