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Rede Harald Jochums

Rede von Harald Jochums, Niederrheinischer Umweltschutzverein

Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre,
sehr geehrte Dame und Herren vom Aufsichtsrat,
sehr geehrte Herren vom Vorstand,

ich bin und heiße Harald Jochums aus Duisburg-Rheinhausen, bin unter Anderem Architekt für Ökologisches Bauen und darüberhinaus noch direkter Anrainer sowohl an den Rhein als auch an den Chempark, den der Bayer Konzern betreibt, dortselbst aber nur noch mit ihrer Tochter Currenta (60% Anteil) in Verbund mit Lanxess (40% Anteil) produziert. Mitarbeiterzahl: ca. 1.300. /Gesamter Chempark: ca. 7.000.

Der Schwerpunkt meiner kleinen Rede ist die Informationspolitik der Bayer AG und ihre Glaubwürdigkeit. Dazu folgende Beispiele an Hand von konkreten Projekten, zu denen selbst ich aber auch noch Fragen habe:
1. Es wird seitens des Konzerns immer wieder gerne die „Gute Nachbarschaft“ zu den Nachbarn beschworen. Schade, daß ich als Nachbar nichts davon merke. Gute Nachbarn informiert man in der Regel. Das hat der Konzern aber weder in Sachen CO-Pipeline noch beim Fossilen Kohlekraftwerk getan. Die Info-Broschüren wurden bei uns z.B. nicht verteilt. Gleichwohl verkündete der Chemparkleiter für Anfang 2009 „geballte Informationen“, nachdem schon 2 Jahre lang emsig geplant wurde. Auch auf diese Informationen warten wir bis heute. Das ist insofern auch nicht verwunderlich, weigert sich doch der Konzern beharrlich, sogar seinen gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichten aus dem § 11 der Störfallverordnung nachzukommen, obwohl ich diese jedesmal in meinen letzten beiden Reden angemahnt habe. Auch macht es sich schlecht, Briefe des Nachbarn nicht zu beantworten, bzw. sich auf ein einziges Mal zu beschränken. Erst als ich mich jeweils an Leverkusen gewand habe, bekam ich Antworten – so unbefriedigend sie auch waren. – Wohl haben 2 Gespräche unter 4 bzw. 6 Augen auf mittlerer Führungsebene stattgefunden, die aber an der Gesamtsituation nichts geändert haben.

2. Zwei haarsträubende Beispiele für die Informationspolitik des Konzerns sind die CO-Pipeline und das Fossile Kohlekraftwerk auf dem Gelände des Chemparks in Krefeld-Uerdingen:

Mit dem Bau der CO-Pipeline wurde begonnen, ohne daß eine eminent wichtige Bestimmung der Genehmigung vorlag: Der Nachweis der Kampfmittelfreiheit. Und das bei einem potentiell hochgefährlichem Projekt. – Und nun stellen Sie sich mal vor, liebe Aktionäre/innen, Sie würden einen Carport bauen wollen und müßten vor Baubeginn die Statik vorlegen, tun das aber nicht, sondern werkeln drauflos. Was geschieht dann? Ihnen wird der Bau stillgelegt bis Sie die Statik vorlegen, vielleicht müssen Sie noch ein Bußgeld bezahlen. Und bei der CO-Pipeline? Nichts dergleichen! Weder Bayer noch der aufsichtsführende Regierungspräsident legten etwas still. Gesagt darüber wurde nichts. Erst besorgte Bürger sind dahintergekommen. Eine Ungeheuerlichkeit, die auch den immer wieder vorgetragenen Beteuerungen von der Sicherheit und dem vermeintlich verantwortlichen Tun Hohn sprechen. – Und zu allem Überfluß will Bayer das überflüssige CO nunmehr in Dormagen in einer neuen Anlage nutzen.
Dazu Frage 1: Was wird in der neuen Anlage hergestellt und wird die CO-Pipeline dann nicht überflüssig?

Bei dem Fossilen Kohlekraftwerk hat sich Folgendes zugetragen: Die Kritiker haben seit dem Scopingtermin Ende 2006 als Alternative ein halb so großes GuD-Kraftwerk mit KWK gefordert. Von dem projektierten Betreiber Trianel und dem Nutznießer des Projekts, der Bayer AG, wurde immer wieder entgegnet, das wäre nicht möglich. Gas zu teuer und Abhängigkeit von Rußland und überhaupt. -
Seit 2007 wurde aber von der Fa. Wingas im Auftrag von Bayer eine Gaspipeline von Düsseldorf-Hubbelrath zum Chempark gebaut. In der Genehmigung stehen Ziel und Zweck der Gas-Pipeline.

Ich zitiere aus dem Planfeststellungsbeschluß (der Bezirksregierung Düsseldorf – 65.9 – 02/05 – vom 14.2.2007) für die Errichtung und den Betrieb einer Erdgas-Hochdruckanlage von Düsseldorf-Hubbelrath nach Krefeld-Uerdingen
4. Planrechtfertigung Seite 185, Absatz 5:
„Die Bayer-Werke beabsichtigen, innerhalb der nächsten 10 Jahre eine Gas – und Dampf – Kraft – Wärme – Koppelung (GuD – KWK – Anlage) zu bauen. Diese Anlage soll die derzeit vorhandenen kohlebefeuerten Kesselanlagen ersetzen.” (Zitatende)

Selbstverständlich soll auch dieses Projekt wie schon die CO-Pipeline dem
Wohle der Allgemeinheit dienen, „zu einer nachhaltigen Reduzierung der
CO2 -Emissionen“ führen und den Chempark auf eine „gasbasierte
Energieerzeugung“ umstellen. Wingas ist übrigens eine gemeinsame Tochter
von Gazprom und Basf/Wintershall.

Dazu dann Frage 2: Hat Bayer einen Vertrag mit dem Fossilen
Kohlekraftwerksbetreiber Trianel zur Abnahme von Strom und Dampf
geschlossen? Und wenn ja, um wieviel Strom und Dampf in MW handelt es
sich? Und hat Bayer die Umstellung auf eine „gasbasierte
Energieerzeugung“ aufgegeben und damit auch diese Pipeline überflüssig
gemacht?

3. Als Hauptargumente – nicht nur für diese beiden Projekte – werden die Sicherung der Arbeitsplätze und des Standortes angeführt. Dann hat sich jedoch ca. 14 Tage vor der Kommunalwahl im letzten Jahr Folgendes zugetragen: Bayer kündigte die Auflösung seiner Forschungsabteilungen im Chempark an. Grund : Man wolle die Forschung in Leverkusen bündeln. – Damit hat der Konzern sogar seine Mitstreiter aus Politik und Gewerkschaften kräftig ins Kreuz getreten, die auch sofort lautstark protestierten und sogar mit Liebesentzug drohten. Bayer versuchte ebenso sofort zu beschwichtigen, man wolle die Beschäftigten ja übernehmen – alle aber dann doch nicht – und einige aus der produktionsbegleitenden Forschung sollen nach Antwerpen, was für diese Mitarbeiter nicht gerade der Hit ist.

4. Nach all den unschönen Beispielen frage ich mich natürlich, wie seriös sind die Aussagen und Beteuerungen der Bayer AG noch?
Meine Herren vom Vorstand: Mit dieser Informations – bzw. Desinformationspolitik setzen Sie die Glaubwürdigkeit des Konzerns aufs Spiel bzw. haben sie bereits bei vielen Bürgern verspielt. Das belastet den Konzern. Und die Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen wird verdammt schwer werden.
Und nun zu meiner 3. und letzten Frage: Wollen Sie allen Ernstes so weitermachen mit dieser unredlichen Informationspolitik?

Ich habe noch eine Anmerkung genereller Natur:
Wir sind Kritiker einzelner Projekte, werden aber verbal erst zu „Gegnern“ und dann sogar zu „Feinden“ des jeweiligen Projekts gemacht. Und aus der Tatsache, daß wir ein einzelnes Projekt kritisieren wird gefolgert, daß wir „Gegner/Feinde“ der Chemischen Industrie und schließlich der gesamten Industrie seien, also „chemie – und industriefeindlich“; was überhaupt nicht stimmt, uns aber in der Öffentlichen Meinung zu ideologisch verblendeten Totalverweigerern macht, die alles kaputt machen: Die Arbeitsplätze, den Chemiestandort, den Wirtschaftsstandort – ja, an sich: alles.
Kein Mensch käme aber auf die Idee, einen Theaterkritiker, der ein einzelnes Werk kritisiert als Feind des Theaters, ja der ganzen Kunstwelt zu bezeichnen. -
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. -